438 brauchbar ſind, daß ſie ihren Zweck nicht erfüllen werden, ſo war, glaube ich, dieſer Hinweis hier ſo deplaciert wie nur irgend möglich. Denn der Herr Berichterſtatter geht allerdings nicht mit großen Hoff⸗ nungen an die Sache heran; aber immerhin ſagt er, daß die Vorlage beſſer iſt als gar nichts, und Herr Kollege Rothholz hat mit aller Entſchiedenheit geſagt, daß er auf dem Boden der Vorlage ſteht, daß er ſich von ihrer Durchführung recht viel verſpricht. Wie alſo der Herr Kollege Richter zu dieſer Behauptung kommt, iſt mir vollkommen unverſtändlich. Meine Herren, mich trifft's ja nicht; denn ich ſtehe allerdings der Vorlage vollſtändig ablehnend gegenüber. Was die Arbeitsloſenverſicherung an ſich an⸗ langt, ſo möchte ich für meinen Teil doch darauf auf⸗ merkſam machen, daß es ſich hier um eine Verſiche⸗ rung im wahren Sinne des Wortes überhaupt nicht handeln kann. Es iſt weſentlich eine Unterſtützungs⸗ kaſſe, die hier ins Leben gerufen werden ſoll. Ein Verſicherungsunternehmen muß ſich doch ſelbſt tragen; ein Verſicherungsunternehmen muß beruhen auf der Berechnung von Leiſtung und Gegenleiſtung, der Prämie des Verſicherten und deſſen, was von der Verſicherung geboten werden ſoll. Hier haben wir es nicht mit einer Verſicherungskaſſe zu tun, ſondern mit einem Unternehmen, das von der Stadt, der Kommune Charlottenburg, erhalten wird. Es fehlt jede verſicherungstechniſche Grundlage. Nun muß ich ja allerdings ſagen: wenn es wirklich möglich wäre, mit dieſem geringen Beitrag von 10 000 ℳ die Arbeitsloſigkeit in Charlottenburg, wenigſtens in den arbeitenden Kreiſen, zu beſeitigen, dann wäre es ja eine wahre Freude, die Arbeitsloſig⸗ keit hier aus der Welt zu ſchaffen. Aber ich bin der Anſicht, man braucht bloß die Summe von 10 000 % zu nennen und das Wort „Arbeitsloſigkeit“ auszu⸗ ſprechen, und man muß ſich ja tatſächlich davon über⸗ zeugen, daß man nicht mit den geeigneten Mitteln gegen die Arbeitsloſigkeit zu Felde zieht. In einem Punkte kann ich mich dem Herrn Kol⸗ legen Richter allerdings anſchließen, wenn er ſagt: wer ſoll eigentlich für dieſe Kaſſe in Betracht kommen? Alle diejenigen ſind ausgeſchloſſen, die in den letzten zwei Jahren nicht mindeſtens je 48 Arbeitswochen tätig geweſen ſind. — Ich muß offen ſagen: in meinen Augen iſt das eine ganz unmögliche Härte, die hierin liegt, und in dieſer Beziehung unterſcheide ich mich eigentlich nicht von meinem Fraktionskollegen Herrn Dr Rothholz, der der Gefahr Ausdruck gegeben hat, die in einem Ueberlaufen dieſer Verſicherungskaſſe liegt. Die Gefahr beſteht ja an ſich zweifellos. Mit dieſer Beſtimmung iſt aber dieſer Gefahr durchaus wirkſam entgegengewirkt: darin ſtimmen wir alſo vollkommen überein. Die Beſtimmung war un⸗ bedingt notwendig, um eben den Gefahren entgegen⸗ zutreten, auf die Kollege Dr Rothholz hingewieſen hat. Aber das Mittel führt dann zu dem eſultat, das Herr Kollege Richter angeführt hat. Soviel über den Artikel 4. Meine Herren, daß man meinen politiſchen Freunden reaktionäre Geſinnung, Arbeiterfeindſchaft und ſoziale Rückſtändigkeit vorwirft, wenn wir gegen die Vorlage ſind, — wir müſſen es geduldig tragen. Wir haben es ja ſo lange geduldig getragen, und ich hoffe, wir werden auch in Zukunft, wenn die Vor⸗ würfe von jener Seite gegen uns gerichtet werden, nicht davon erdrückt werden. Aber freilich nach der Rede des Herrn Kollegen Richter ſind die Vor⸗ würfe ja nicht zu erwarten! Sitzung vom 4. Dezember 1912 Dieſes muß ich vorausſchicken, weil ich mich jetzt gerade gegen die Ausführungen wenden will, auf die die Herren ja ſo 4 447. , großen Wert legen. Sie ſagen: es muß ein ganz be timmtes Fundament für die Arbeitsloſenverſicherung vorhanden ſein, da⸗ mit dieſe wirklich marſchfähig iſt; die Arbeitsloſen⸗ verſicherung muß aufgebaut ſein auf den Arbeiter⸗ organiſationen. Ja, meine Herren, wenn dieſe Ar⸗ beiterorganiſationen wirklich bloß Berufsvereine wären, dann ließe ſich allerdings ſehr wohl darüber ſprechen. Es genügt für mich jedoch ſchon vollſtändig, daß ſie keine derartigen Organiſationen — keine reinen Berufsvereine — ſind, um ſie als Fe on für eine Verſicherung ungeeignet erſcheinen zu laſſen, — daß ſie Kampforganiſationen ſind. Sehr richtig!) Sie ſind meines Erachtens, wenigſtens zu einem er⸗ heblichen Teile, noch mehr als Kampforganiſationen: ſie ſind politiſche Parteiorganiſationen. (Stadtv. Hirſch: Wie die Junker reden Sie jetzt!) — Aber nein, Herr Kollege Hirſch, wie Ihre eigenen Freundel Sie haben ja dieſe Sachen ſchon voriges Mal angeführt. Da habe ich 3. B. Ihre Behauptung: „Zunächſt weiß jedes Kind, die Gewerkſchaften keine politiſchen Zwecke⸗ ver⸗ olgen. (Hört! hört! und Heiterkeit.) Herr Kollege Hirſch, das haben Sie wörtlich geſagt! Wie ich dieſe Aeußerung von Ihnen geleſen habe, da habe ich mir geſagt: das ſind Sie ganz ſelbſt, der Sie manchmal Ihre Witze machen. Denn etwas anderes als ein Witz aus Ihrem Munde kann es wirklich nicht ſein. Sie werden doch nicht ernſtlich behaupten, das die freien Gewerkſchaften etwas anderes ſind als Organiſationen, die im Dienſte der ſozialdemokra⸗ tiſchen Partei. und deren Führer ſtehen! (Stadtv. Hirſch: Das zeigt, daß Sie keine Ahnung haben! Abſolut keinen Schimmerl) — Einen Augenblick! Herr Kollege Hirſch, ſagen Sie einmal, ob denn Herr von Elm eine Ahnung davon hat? Ja? — Na alſo, das geben Sie mir wenigſtens zu. Und was hat Herr von Elm geſagt, und zwar bei einer Gelegenheit, als es in gewiſſen Kreiſen der ſozialdemokratiſchen Partei übel empfun⸗ den wurde, daß Bebel darauf hingewieſen hatte, daß die freien Gewerkſchaften neutral wären? Da meinte Herr von Elm: „Daß Neutralität ein Schlagwort iſt, folgt ſchon daraus, daß kein geringerer als Bebel für dieſe Neutralität eintritt.“ (Heiterkeit.) Herr Kollege Hirſch, wie dächten Sie, daß ich das überſetzen dürfte? „Daß die Neutralität der Gewert⸗ ſchaften ein Schlagwort iſt, folgt ſchon daraus, daß der Stadtverordnete und Abgeordnete Hirſch für die Neutralität der Gewerkſchaften eintritt.“ (Heiterkeit. — Stadtv. Hirſch: Das iſt Logikl) Wiſſen Sie etwas von dem fünften Kongreß der Gewerkſchaften? Haben Sie mal den Namen Böh⸗