Sitzung vom 4. melburg gehört? Wiſſen Sie, daß der den Kongreß eröffnet hat mit den Worten: „Partei und Neutra⸗ lität ſind ein und dasſelbe?“ Wiſſen Sie, daß Kautsky geſagt hat: „Neutralität iſt ja nur ein Schlagwort?“ (Stadtv. Hirſch: Das ſagt Kautsky nicht! Leſen Sie nur vor, was er wirklich ſagt!) — Na, vielleicht kann ich Ihnen nachher auch noch amit kommen. Vielleicht ſuchen Sie aber erſt ein⸗ mal das zu widerlegen, was von Elm geſagt hat. Oder beſtreiten Sie es, daß er das geſagt hat? — Alſo Sie beſtreiten es nicht. (Stadtv. Hirſch: Aber Sie haben es nicht ver⸗ ſtanden!) Meine Herren, in dem Augenblick, in dem die freien Gewerkſchaften als politiſche Organiſationen zu betrachten ſind, ſind ſie meines Erachtens für die — AIrhe⸗1slojenverſicherung unmöglich. (Sehr richtig!) Darum braucht man ſich nicht ſo furchtbar ins Zeug zu legen, wie der Herr Kollege Hirſch es das letzte Mal getan hat, und ſich mit heiliger Entrüſtung da⸗ gegen zu wenden, daß einer meiner politiſchen Freunde geſagt hat, die Parteikaſſe würde dadurch unterſtützt, daß man die Gewerkſchaften hier gewiſſer⸗ maßen für die Arbeitsloſenverſicherung entlaſtet. Selbſtverſtändlich, eine unmittelbare Entlaſtung liegt nicht darin; daß aber hier Verbindungen hergeſtellt werden, die den Gewerkſchaften außerordentlich an⸗ genehm ſind, daß eine Entlaſtung der Gewerkſchaften die Folge iſt, wenn die Kommune einen Teil der Subvention den Gewerkſchaften zuführt, ich meine, das iſt doch ſo ſelbſtverſtändlich, daß man darüber gar nicht ſtreiten kann. (Zuruf bei den Sozialdemokraten: Haben Sie Mate⸗ rial dafür?) —. Wofür: (Heiterkeit.) —Aber, Herr Kollege, wir wollen die ganze Sache doch ernſthaft verhandeln! (Zurufe und Unterbrechungen bei den Sozialdemo⸗ kraten.) — Jetet habe ich das Wort; Sie können es nachher auch Lekommen. Vorſteher Kaufmann: Ich bitte ſehr, daß die Debatte nicht in Zwiegeſpräche ausartet. Stadtv. Dr. Crüger (fortfahrend): Es iſt ja ganz ſelbſtverſtändlich, daß, wenn die Gewerkſchaft hier aus allgemeinen ſtädtiſchen Mitteln einen Zu⸗ ſchuß bekommt, die Arbeitsloſenunterſtützung der Gewerkſchaft dadurch erleichtert wird; wie Sie (zu den Sozialdemokraten) dazu den Kopf ſchütteln können, verſtehe ich nicht. Meine Herren, nun bin ich der Meinung, daß die Artikel 9 bis 14 gerade vom Standpunkt derer, die in der Arbeitsloſenverſicherung auf dem Boden Dezember 1912 439 der Gewerkſchaften eine Gefahr ſehen, die Vor⸗ lage unannehmbar machen. Wir haben es hier mit 2 e zu tun, und es heißt in Ar⸗ tikel 9: Die Kaſſe iſt befugt, mit Vereinen oder Ar⸗ beitgebern Geſamtverſicherungen für ſämtliche Mitglieder eines beſtimmten Perſonenkreiſes abzuſchließen. Iſt aber dieſe Geſamwerſicherung einmal geſchloſſen, dann wird dieſe Organiſation, d. h. die Gewerkſchaft, vollkommen frei. Wenigſtens kann ſie frei werden, denn es heißt in Artikel 10: Dabei können Abweichungen von den ſonſtigen Beſtimmungen dieſes Gemeindebeſchluſſes mit Ausnahme derjenigen des Artikels 15 verein⸗ bart werden. D. h. die Sache kann ſo weit gehen, daß die Kom⸗ mune, die dieſe Kaſſe ins Leben ruft, ſich überhaupt jeglicher Kontrolle über die Art der Verwendung begibt, die die Zuſchüſſe durch die freie Gewerkſchaft erfahren. Artikel 14 ſagt: Die Beiträge ſind von dem Verſicherungs⸗ nehmer einheitlich an die Kaſſe zu entrichten. Ob die Leiſtungen der Kaſſe zugunſten der Verſicherten an dieſe einzeln oder einheitlich auszuzahlen ſind, iſt in dem Vertrage zu be⸗ ſtimmen. Alſo die Sache kommt darauf hinaus, daß mindeſtens doch der ganze Betrag an die Gewerkſchaft abgeführt wird, und dieſe mag dann ihrerſeits die Zahlungen an die einzelnen Verſicherten weitergeben. Ich will mich auf die Frage gar nicht einlaſſen, worin denn die Verdienſte der Gewerkſchaften be⸗ ſtehen, nicht aus Freundſchaft oder Feindſchaft gegen die Gewerkſchaften; ich glaube, man muß da zwiſchen den Tätigkeiten der Gewerkſchaften auf den verſchiede⸗ nen Gebieten ſcharf unterſcheiden. Es kann niemand von mir als Politiker verlangen, daß ich den Ge⸗ werkſchaften inſofern freundſchaftlich gegenüberſtehe, als ſich die Gewerkſchaften ſozialdemokratiſch be⸗ tätigen; das wäre von einem Politiker doch wirklich zu viel verlangt. Alſo ſo liegen für mich und liegen für einen ganz erheblichen Teil meiner Freunde die Dinge, wenn wir nicht in der Lage ſind, für dieſe Vorlage zu ſtimmen. Jedenfalls müßte von unſerem Stand⸗ punkt aus der Abſchnitt über die Geſamtverſicherung, Artikel 9 bis 14, fortbleiben. Nach alledem, was wir gerade vom Magiſtrat gehört haben, wird dann, wenn dieſe Artikel fortfallen, der Magiſtrat auf den übrigen Teil der Vorlage kein Gewicht mehr legen. Denn der Magiſtrat legt ja, wie es uns wiederholt erklärt worden iſt, gerade entſcheidenden Wert darauf, daß die Verſicherung an die Arbeiterorganiſationen angelehnt wird. Dieſes Fundament kann meines Erachtens nicht gegeben werden, und infolgedeſſen bin ich von meinem Standpunkt aus nicht in der Lage, mich dieſer Vorlage freundſchaftlich gegenüber⸗ zuſtellen. Nun bliebe noch die Frage übrig, ob man die Vorlage vielleicht noch einem Ausſchuß überweiſen ſolle. Ich habe ſchon einleitend bemerkt, daß dazu wohl kaum eine Veranlaſſung vorliegt. Ich muß auch hinzufügen, daß, wenn man wirklich ernſthaft an die Löſung der Arbeitsloſenverſicherung im Berliner Gebiet herangehen will, es ja vollſtändig ausge⸗ ſchloſſen iſt, Charlottenburg herauszuſchneiden und die Arbeitsloſenverſicherung nur für Charlottenburg durchzuführen. Es müßte doch ein einheitliches Wirtſchaftsgebiet ins Auge gefaßt werden. Das iſt