446 Sitzung vom 4. war; war er gemeint im Sinne des Kollegen Rothholz oder im Sinne des Herrn Referenten. Für die Auffaſſung des Herrn Kollegen Roth⸗ holz ſprach der geſunde Menſchenverſtand und die Abſicht, daß man wenigſtens die Spur von etwas Praktiſchem ſchaffen wolle, da man, nachdem man die Unterſtützung der gewerkſchaflichen Arbeitsloſen⸗ verſicherung abgelehnt hatte, wenigſtens einen Teil davon in die Vorlage hineinbringen wolle. So faßte ich das zunächſt auch auf. Der Wortlaut wiederum: „Berufsvereinigungen“ können dieſe Verſicherung abſchließen, und der Umſtand, daß der Artikel 12 in dem großen Abſatz „Geſamtwerſicherung“ ſteht, ſprach für die Auffaſſung des Herrn Referenten. Das war einer der Gründe, aus dem heraus meine Freunde eine Ausſchußberatung verlangten. Das muß doch natürlich gründlich klargeſtellt werden, und die Freunde der Vorlage werden doch wohl — ich nehme es wenigſtens an, wenn ſie ſich von dem⸗ ſelben geſunden Menſchenverſtand leiten laſſen wie Herr Kollege Rotholz — einen großen Wert darauf legen, daß eben dieſe Einzelverſicherung der gewerk⸗ ſchaftlich organiſierten Arbeiter in die Vorlage hinein⸗ kommt. Aber, meine Herren, das kann man natür⸗ lich bei einer ſolchen Vorlage, deren Faſſung ja ſchon auf die großen Schwierigkeiten hindeutet, die bei den einzelnen Paragraphen vorliegen, nicht durch ein Amendement machen, das man ſo aus dem Hand⸗ gelenk heraus anfertigt. Auf eine andere Beſtimmung, die ein Freund einer Arbeitsloſenunterſtützung auch keineswegs an⸗ nehmen kann, hat Herr Kollege Crüger hingewieſen. Herr Kollege Crüger wies auf den Artikel 4 hin, nach dem aufnahmeberechtigt nur Arbeiter ſind, die wäh⸗ rend der letzten beiden Jahre regelmäßig Arbeit hatten, d. h. regelmäßig 48 Wochen Beiträge geklebt haben. Herr Kollege Erüger wies auch darauf hin, aus welcher Abſicht dieſe Beſtimmung entſtanden ſei; jedenfalls aus der Abſicht, die Saiſonarbeiter von der Arbeitsloſenunterſtützung auszuſchließen. Dieſe Abſicht iſt ja durch den Artikel 4 in glänzender Weiſe gelungen. Aber über dieſe Abſicht hinaus ſchließt eigentlich Artikel 4, ich möchte beinahe ſagen, jeden Arbeiter von dieſer Arbeitsloſenunterſtützung aus. Denn die⸗ jenigen Arbeiter, die regelmäßig zwei Jahre hinter⸗ einander niemals, auch nur zeitweilige Arbeits⸗ loſigkeit von einigen Wochen zu verzeichnen haben, ſind auch in denjenigen Berufen, die eben keine Saiſonberufe ſind, außerordentlich dünn geſät. Will man alſo die Vorlage überhaupt annehmen, ſo muß eine ſolche Beſtimmung natürlich herausfallen. Denn der Artikel in der gegenwärtigen Faſſung lautet eben: es ſoll eine ſtädtiſche Arbeitsloſenkaſſe ge⸗ gründet werden, der eben doch keine Arbeiter bei⸗ treten können, alſo eine Kaſſe, die zwar Kaſſe heißt, aber keine Mitglieder hat. Schon aus dieſem Grunde rechtfertigt es ſich ebenfalls, daß die Vorlage einem Ausſchuß überwieſen wird. Meine Freunde ſind ſich natürlich klar darüber, daß, wenn es nicht gelingt, das ganze Prinzip dieſer Vorlage im Ausſchuß zu ändern, ſie dann auch der durch den Ausſchuß veränderten Vorlage nicht zu⸗ ſtimmen können. Wir werden natürlich ſehr gern im Ausſchuß mitarbeiten, um die Vorlage auch auf der ihr gegebenen Grundlage ſo zu geſtalten, daß ſie klarer iſt als die gegenwärtige und daß — na, ver⸗ nünftiger will ich nicht ſagen, denn man darf nicht ſagen, daß eine Vorlage des Magiſtrats unvernünftig iſt —, aber daß ſie dann doch ſelbſt auf dem ſchmalen Dezember 1912 Boden, auf dem ſie ſich aufbaut, ſachgemäßer aus⸗ geſtaltet iſt. Aber ebenſo ſelbſtverſtändlich iſt es für meine Freunde, daß, wenn es nicht gelingt, das Prinzip der gewerkſchaftlichen Arbeitsloſenunter⸗ ſtützung hineinzubringen, dann eine Zuſtimmung zu der Vorlage entfällt. Das war ja gerade das Be⸗ deutſame an der früheren Vorlage, daß die ſelbſthel⸗ fende Tätigkeit derjenigen anerkannt wurde, die ſich in den gewerkſchaftlichen Organiſationen zuſammen⸗ geſchloſſen haben, um gegen die ärgſten Folgen der Arbeitsloſigkeit Vorſorge zu treffen. Es wurde darauf hingewieſen, daß die Arbeits⸗ loſenfürſorge eine ſtaatliche Aufgabe ſei. Ganz ge⸗ wiß; aber, meine Herren, wir ſind uns auch alle darüber klar — und ich glaube, auch Sie ſind ſich darüber klar —, daß eine ſolche ſtaatliche Arbeits⸗ loſenverſicherung nicht vom grünen Tiſch der Staats⸗ beamten aus ausgearbeitet werden kann und werden wird, ſondern daß der Weg der Entwicklung zu einer ſtaatlichen Arbeitsloſenfürſorge eben doch immer nur über die Gemeinden wird führen können. Und wenn die Gemeinden eine Arbeitsloſenunterſtützung an den verſchiedenſten Stellen des Reiches ins Leben gerufen haben werden, wenn dieſe Arbeitsloſenunterſtützungen in einem kürzeren oder längeren Zeitraum ihre Lebensfähigkeit durch Betätigung auf dieſem Gebiete erwieſen haben werden, erſt dann wird der Zeitpunkt gekommen ſein, wo der Staat oder das Reich die ge⸗ ſchaffenen Kräfte zu einer einheitlichen Arbeitsloſen⸗ , , über das ganze Reich hin zuſammenfaſſen ann. Es würde Charlottenburg wohl anſtehen, bei die⸗ ſem Vorgehen der Kommunen mit in erſter Reihe zu marſchieren; aber es würde Charlottenburg ſehr ſchlecht anſtehen, bei dieſem Vorgehen der Kommunen ein Vorbild zu geben mit der Schaffung einer Ein⸗ richtung, die abſolut nicht exiſtieren, die abſolut nichts Praktiſches leiſten kann und die für ſpätere Zeiten auch für die Staats⸗ und Reichsregierung höchſtens ein Vorwand ſein würde, zu ſagen: da ſeht ihr ja, eine Arbeitsloſenunterſtützung auf kommunalem, auf öffentlichem Wege iſt eben unmöglich; ſie ſcheitert an dieſem und jenem. Es wurde darauf hingewieſen, daß man mit Ber⸗ lin vor allem in Verbindung treten ſolle, da für dieſes einheitliche Wirtſchaftsgebiet, dem wir ange⸗ hören, doch nur eine einheitliche Einrichtung ge⸗ ſchaffen werden kann. Sehr wohl, meine Herren! Aber das war ja auch wiederum ein Verdienſt der früheren Vorlage, daß Charlottenburg nicht warten ſollte, bis Berlin und Groß⸗Berlin dieſe Einrichtung für das Wirtſchaftsgebiet getroffen haben, ſondern ge⸗ rade weil Charlottenburg infolge ſeiner weſtlichen Lage, infolge ſeiner Bevölkerung weit eher als an⸗ dere Vororte in der Lage iſt, auf dieſem Gebiete bahnbrechend vorzugehen, gerade deshalb ſollte für dieſen kleinen Wirtsſchaftsausſchnitt etwas Vorbild⸗ liches geſchaffen werden, durch das dann das größere Berlin bewogen würde, mitzugehen, durch das Berlin mitgeriſſen werden ſollte. Schöneberg iſt in dieſem Sinne vorgegangen. Würde Charlottenburg in dem⸗ ſelben Sinne folgen, ſo bin ich mir nicht zweifelhaft darüber, daß Berlin auch ſehr bald auf demſelben Wege gehen würde. Wenn aber nun empfohlen wird, in Charlottenburg eine Vorlage auf dieſer Grundlage zu ſchaffen, ſo würde das heißen, die Arbeitsloſen⸗ unterſtützung, die wirklich tätige Arbeitsloſenunter⸗ ſtützung mit Inanſpruchnahme öffentlicher Mittel, für Groß⸗Berlin auf lange, lange Zeit hinaus zu