448 Der Antrag, eine zweite Leſung vorzunehmen, iſt nach unſerer Geſchäftsordnung jederzeit zuläſſig. Es würde nun jetzt die Frage ſein, wann dieſe zweite Leſung vorgenommen werden ſoll. Stadtv. Erdmannsdörffer (zur Geſchäftsord⸗ nung): Auch ich bedaure lebhaft, durch den Schluß der Debatte verhindert zu ſein, das Wort zu er⸗ greifen und einerſeits — — Vorſteher Kaufmann (unterbrechend): Das iſt nicht zur Geſchäftsordnung! Stadto. Erdmannsdörffer (fortfahrend): Ich ſpreche genau ſo, wie Herr Kollege Hirſch, und das, was ich ſagen will, iſt, glaube ich, durchaus geſchäfts⸗ ordnungsmäßig —, und einerſeits meine Sympathie zur Vorlage und für meine Perſon auch die Zuſtim⸗ mung zur Ausſchußberatung zu bekunden, anderſeits aber die ablehnende Haltung der Sozialdemokratie als das wunderlichſte zu charakteriſieren, was wir ſeit Jahren von ihr erlebt haben. Vorſteher Kaufmann: Ich möchte bitten, wirklich nur zur Geſchäftsordnung zu ſprechen. Stadtv. Dr Crüger (zur Geſchäftsordnung): Meine Herren! Iſt es denkbar, eine zweite Leſung zu beantragen, je nachdem eine künftige Abſtimmung ausfällt? Das iſt undenkbar. Vorſteher Kaufmann: Die zweite Leſung muß vor der Abſtimmung beantragt werden; inſofern iſt der Antrag rechtzeitig eingebracht. Daß ſie eventu⸗ aliter beantragt war, habe ich nicht verſtanden. Zur Klarſtellung will ich auf die Beſtimmung der Ge⸗ ſchäftsordnung hinweiſen, nach der die zweite Leſung jederzeit vor Schluß der Abſtimmung vom Magiſtrat oder von einem Mitglied der Verſammlung beantragt werden kann. Stadtv. Hirſch (zur Geſchäftsordnung): Herr Dr Crüger hält es nicht für denkbar, daß ſolche An⸗ träge geſtellt werden können. Ich bin ſehr gern be⸗ reit, ihn privatim darüber zu belehren. In Wirk⸗ lichkeit iſt ein derartiger Antrag zuläſſig. Unſere Geſchäftsordnung ſagt in § 17: Abgeſehen von der durch die Einſetzung eines Ausſchuſſes notwendig werdenden zweiten Be⸗ ratung findet eine ſolche nur dann ſtatt, wenn dies von einem Mitgliede oder dem Magiſtrat vor Beginn der Abſtimmung verlangt wird. Alſo nicht, wie irrtümlich geſagt wurde: vor Schluß der Abſtimmung, ſondern vor Beginn der Abſtim⸗ mung. Meine Herren, ich halte das für einen Fehler in unſerer Geſchäftsordnung; denn hiernach iſt es nur möglich, vor Beginn der Abſtimmung die zweite Be⸗ ratung zu beantragen. Nun möchte ich wiſſen, wie das anders beantragt werden ſoll, als in der Form, wie ich es getan habe. Wenn der Antrag auf Aus⸗ 1. 4. abgelehnt iſt, iſt es gar nicht mehr mög⸗ ich, etwa einen Antrag zu ſtellen, eine zweite Be⸗ ratung vorzunehmen, weil da die Abſtimmung bereits begonnen hat. Ich muß alſo meinen Antrag auf⸗ rechterhalten und bleibe dabei, daß er geſchäftsord⸗ nungsmäßig durchaus zuläſſig iſt. (Zuruf: Sie können keinen Eventualantrag ſtellenl) — Wer hindert mich, Eventualanträge zu ſtellen? Die Geſchäftsordnung ſagt darüber nichts. Sitzung vom 4. Dezember 1912 Vorſteher Kaufmann: Die Geſchäftsordnung ſagt, daß jederzeit vor der Abſtimmung ein Antrag auf zweite Leſung geſtellt werden kann. Sind wir in die Abſtimmung bereits eingetreten, dann würde ich den § 17 nicht mehr als zu Recht beſtehend — er mag gut ſein oder ſchlecht ſein — anerkennen können. Ich habe deshalb den Antrag Hirſch ſo aufgefaßt, daß hier nur eine zweite Leſung beantragt wird. Dieſe zweite Leſung würde ich, wenn der Herr Referent das Schlußwort gehabt hat, heute vornehmen, ſofern nicht nach demſelben Paragraphen der Geſchäftsord⸗ nung Widerſpruch von 10 Mitgliedern erhoben würde. In dieſem Falle würde die zweite Leſung in der nächſten Sitzung der Stadwerordnetenver⸗ ſammlung ſtattzufinden haben. Stadtv. Dr Stadthagen (zur Geſchäftsordnung): Meine Herren! Es fragt ſich nach dem § 17, ob zu⸗ nächſt der Antrag auf Ausſchußberatung zur Abſtim⸗ mung kommt ader ob o ipso ſofort in die zweite Leſung eingetreten wird, wenn ſie beantragt iſt. Meines Erachtens iſt der § 17 ſo aufzufaſſen, daß die zweite Leſung vorzunehmen iſt, wenn ein Mitglied oder der Magiſtrat ſie beantragt. Von einer Ab⸗ ſtimmung ſteht hier nichts; ſie findet eo ipso, und zwar heute ſtatt, wenn kein Widerſpruch erfolgt. Das iſt ja nicht anzunehmen. Wir müſſen alſo nachher in die zweite Leſung eintreten. Vorſteher Kaufmann: Ich muß als Vorſteher dieſe Auffaſſung als unrichtig zurückweiſen. Ich kann einen Antrag auf Vornahme einer zweiten Leſung nur zulaſſen, ehe wir in die Abſtimmung ein⸗ getreten ſind. Eine Abſtimmung über eine Ausſchuß⸗ beratung iſt hier durchaus nicht herauszuleſen. Die Abſtimmung geht, nachdem ich Ihnen die Frageſter⸗ lung vorgeſchlagen habe, dann einen einheittichen Gang. Es geht der Antrag auf Ausſchußberatung vorher, und je nachdem er angenommen oder abge⸗ lehnt wird, wird dann weiter abgeſtimmr. Es läßt ſich aber nicht mehr ein neuer Antrag, nachdem ern Teil abgelehnt iſt, auf zweite Leſung ſtellen. Dieſer geht allen anderen Anträgen voraus. Stadtv. Hirſch (zur Geſchäftsordnung): Von dem, was der Herr Vorſteher geſagt hat, ſteht in der v a benaen nichts. Ich möchte bitten, daß mir die Frage beantwortet wird, wie man denn über⸗ haupt in der Lage iſt, eine zweite Leſung herbeizu⸗ führen, die ja nur dann einen Wert hat, wenn eine Ausſchußberatung abgelehnt iſt, und wie man das anders machen ſoll als auf dem Wege, den ich vorge⸗ ſchlagen habe. Meiner Anſicht nach kann ſehr wohl zunächſt über die Ausſchußberatung und dann, wenn me8 abgelehnt iſt, über die zweite Leſung abgeſtimmt werden. Vorſteher Kaufmann: Das iſt undenkbar. Ich werde nochmals die Beſtimmung der Geſchäftsord⸗ nung vorleſen; ſie ſagt: Nach dem Schluß der Beratung kann die Ver⸗ ſammlung auf Antrag einen Ausſchuß mit der Vorberatung der Vorlage betrauen. Abgeſehen von der durch die Einſetzung eines Ausſchuſſes notwendig werdenden zweiten Beratung findet eine ſolche nur dann ſtatt, wenn dies von einem Mitgliede oder dem Magiſtrat vor Beginn de Abſtimmung verlangt wird.