Sitzung vom 4. Dezember 1912 Der Wortlaut iſt alſo ſo deutlich wie nur möglich. — Herr Kollege Hirſch, wenn Sie nicht zuhören, würden ja meine Ausführungen unnütz ſein. — Ich kann nur eine zweite Leſung zulaſſen, wenn ſie vor Beginn der Abſtimmung beantragt iſt, und die Abſtimmung findet zuerſt über den Antrag auf Ausſchußberatung ſtatt. Iſt aber in die Abſtimmung bereits eingetreten worden, dann kann nachträglich kein Antrag auf zweite Leſung geſtellt werden. Deshalb habe ich Ihren Antrag auch nicht als Eventualantrag angenommen, ſondern als Antrag auf Vornahme einer zweiten Leſung. Wollen Sie ihn aber als Eventualantrag aufrechterhalten, ſo bin ich nicht in der Lage, nachher die Abſtimmung zu unterbrechen. Stadtv. Hirſch (zur Geſchäftsordnung): Ich bin durch die Ausführungen des Herrn Vorſtehers nicht eines beſſeren belehrt worden; aber um die Debatte nicht unnötig aufzuhalten, ſtelle ich nunmehr meinen Antrag nicht als Eventualantrag, ſondern beantrage formell die Vornahme der zweiten Leſung. Vorſteher Kaufmann: Es iſt der Antrag ein⸗ gegangen, eine zweite Leſung vorzunehmen. Das ſchließt nicht aus, daß wir die jetzige Abſtimmung zu Ende führen. — Die Debatte iſt geſchloſſen. Ich frage den Herrn Berichterſtatter, ob er das Schluß⸗ wort wünſcht. (Stadtv. Dr Landsberger: Jawohl!) Ich möchte bitten, daß Sie das möglichſt kurz machen; denn die zweite Leſung gibt Ihnen ja Ge⸗ legenheit, das zu ſagen, was Sie wollen. Berichterſtatter Stadtv. Dr Landsberger (zur Geſchäftsordnung): Nur wenn Sie die zweite Leſung ſofort vornehmen, verzichte ich auf das Wort. Stadtv. Zietſch (zur Geſchäftsordnung): Im Namen meiner Freunde erhebe ich Widerſpruch gegen die Vornahme der zweiten Leſung in der heutigen Sitzung. Stadtv. Dr Crüger: Ich bitte um das Wort zu einer perſönlichen Bemerkung zur erſten Leſung! Vorſteher Kaufmann: Meine Herren! Perſön⸗ liche Bemerkungen kommen am Schluß der Beratung, und der Schluß der Beratung wird am Schluſſe der zweiten Leſung ſein. (Heiterkeit und Zurufe.) — Sie wollen für heute noch eine perſönliche Be⸗ merkung machen? Das würde erſt am Schluſſe der heutigen Beratung zuläſſig ſein. Stadtv. Zietſch (zur Geſchäftsordnung): Ich habe verſtanden, daß der Herr Vorſteher die perſön⸗ lichen Bemerkungen, die aus der heutigen Debatte folgen, nicht bis zum Schluß der zweiten Leſung verſchieben will. Vorſteher Kaufmann: Ich frage nun Herrn Kollegen Dr Landsberger, ob er das Schlußwort wünſcht? Berichterſtatter Stadtv. Dr Landsberger: Für den Fall, daß die zweite Leſung heute nicht ſtatt⸗ findet, bitte ich um das Schlußwort. 449 Vorſteher Kaufmann: Es iſt heute ſchon Wider⸗ ſpruch gegen die zweite Leſung erhoben worden. Ich bitte diejenigen Herren, die widerſprechen wollen — hegenſ, 10 Mitglieder ſein —, die Hand zu er⸗ eben. (Geſchieht.) Der Widerſpruch genügt. Das Schlußwort bleibt dem Herrn Referenten. Nun kommen wir zur Erledigung der perſön⸗ lichen Bemerkungen. Stadtv. Zietſch (perſönliche Bemerkung): Wenn Herr Kollege Rothholz in ſeinen Ausführungen, denen ich leider nicht beiwohnen konnte, ohne Nennung des Namens, aber doch unter deutlicher Kennzeichnung meiner Perſon darauf hingewieſen hat, daß die Mitglieder meiner Fraktion der letzten Sitzung der Arbeitsloſenfürſorge⸗Deputation fern⸗ geblieben ſind, um die Sache eventuell verſchleppen zu wollen, ſo kann ich in Ergänzung der Ausführun⸗ gen, die Herr Dr Borchardt ſchon mit Bezug auf mich gemacht hat, bemerken — und das gilt auch gegenüber dem Herrn Stadtrat —, daß ich gar nicht in der Lage geweſen ſein konnte, der Deputations⸗ ſitzung beizuwohnen, und zwar aus dem einfachen Grunde nicht, weil ich am 20. Auguſt verreiſte, zu⸗ meiſt im Auslande war und von dieſer Reiſe erſt am 20. September zurückgekommen bin. Ich habe alſo von der Sitzung der Deputation erſt dadurch Kenntnis erlangt, daß mir die in der Deputation beſchloſſene Vorlage zugeſtellt wurde. Ich glaube, nach dieſen Ausführungen wird Herr Kollege Rothholz lovaler Weiſe ſeinen Vorwurf dilatoriſcher Behandlung der haten., Vorlage durch uns nicht aufrechter⸗ alten. Stadtv. Dr Crüger (perſönliche Bemerkung): Herr Stadtrat Dr Spiegel hat ſich darüber verwun⸗ dert, daß ich hier gegen einen kereits angenommenen Teil der Vorlage polemiſiert habe. Herr Stadtrat Spiegel hat dabei wohl überſehen, daß wir vom Magiſtrat eine vollſtändig neue Vorlage bekommen haben, die wir in einzelnen Abſchnitten abzulehnen oder anzunehmen in der Lage ſind. Herr Kollege Borchardt hat von mir behauptet, daß ich die Gewerkſchaften in Beziehung zur ſozial⸗ demokratiſchen Partei gebracht habe, nur um die Staatsanwaltſchaft gegen die Gewerkſchaften mobil zu machen. Herrn Kollegen Borchardt muß hier ein ganz unglaublicher Lapſus unterlaufen ſein; denn es kann ihm nicht unbekannt ſein, daß die Staatsan⸗ waltſchaft gegen die Gewerkſchaften vollkommen macht⸗ los iſt, auch dann, wenn ſie im Dienſte der ſozial⸗ demokratiſchen Partei ſtehen. Stadtv. Dr Rothholz (perſönliche Bemerkung): Zu den Ausführungen des Herrn Kollegen Zietſch habe ich folgendes zu bemerken. Ich habe auf Aus⸗ führungen des Herrn Stadtverordneten Hirſch Bezug genommen, der ſeinerzeit feſtgeſtellt hat, daß liberale Mitglieder in einer Kommiſſion gefehlt haben, und Entſchuldigungsgründe dafür nicht gelten laſſen wollte. Herrn Kollegen Zietſch wollte ich und kann ich nach ſeinen Ausführungen keinen Vorwurf machen: aber Herrn Hirſch gegenüber möchte ich nur bemerken; was den liberalen Stadtverordneten Recht iſt, mußt auch den ſozialdemokratiſchen billig ſein.