450 Stadtv. Dr. Borchardt (perſönliche Bemerkung): Herr Kollege Dr Crüger muß unſer öffentliches Leben wenig kennen, wenn er der Meinung iſt und ſein kann, daß die Staatsanwaltſchaft gegen Organiſa⸗ tionen machtlos iſt, die ausdrücklich bei jeder Gele⸗ genheit betonen, daß ſie nicht parteipolitiſche Orga⸗ niſationen ſind, wenn ſie trotzdem parteipolitiſche Be⸗ ſtrebungen betreiben. (Stadtv. Dr Crüger: Das war vollkommen unver⸗ ſtändlich!) — Ich werde Ihnen den unkorrigierten ſtenogra⸗ phiſchen Bericht ſenden, damit Sie ſehen, daß es klar und verſtändlich war. Vorſteher Kaufmann: Ich werde nunmehr, ob⸗ gleich die zweite Leſung hier vorzunehmen beantragt, aber dagegen, ſie heute abzuhalten, Widerſpruch er⸗ hoben iſt, Sie dennoch fragen, ob wir heute nicht darüber abſtimmen, ob die Vorlage an einen Aus⸗ ſchuß zu verweiſen iſt. (Widerſpruch.) — Ich wollte Ihnen die Sache erleichtern. Das iſt dann alſo erledigt. Stadtv. Wöllmer (zur Geſchäftsordnung): Meine Herren! Ich bin der Anſicht, daß, wenn auch eine zweite Leſung beſchloſſen iſt, eine Abſtimmung ſtatt⸗ zufinden hat. Es hindert uns nach der Geſchäfts⸗ ordnung gar nichts, eine Abſtimmung vorzunehmen, die freilich nach der zweiten Leſung wiederholt wer⸗ den müßte. Es heißt in § 18 ſinngemäß: Sind Abänderungsanträge zu einer Vorlage an⸗ genommen worden, ſo kann die Verſammlung eine zweite bzw. eine dritte Beratung be⸗ ſchließen. Es geht daraus hervor, daß eine Abſtimmung auch vor einer zweiten Beratung ſtattfinden kann. Ich ſehe nicht ein, weshalb keine Abſtimmung vor der zweiten Leſung vorgenommen werden kann. Jeden⸗ falls widerſpricht die Geſchäftsordnung dem nicht, und wir machen das ja auch in den Ausſchüſſen ſo. Wir nehmen auch bei Ausſchußberatungen, wenn wir zwei Leſungen beſchließen, nach Schluß der erſten Leſung eine Abſtimmung vor. Selbſtverſtändlich hat dieſe Abſtimmung noch keinen endgültigen Cha⸗ rakter, den ſie erſt erhält, wenn am Schluſſe der zweiten Leſung eine Abſtimmung erfolgt. Ich finde, daß § 18 ſinngemäß dasſelbe ſagt und möchte doch zur Erwägung geben, ob nicht jetzt eine Abſtimmung ſtattzufinden hat, für die der Namensaufruf bereits beantragt iſt. Stadtv. Dr Borchardt (zur Geſchäftsordnung): Meine Herren! Nach dem Wortlaut der Geſchäfts⸗ ordnung, ſo wie er von dem Herrn Vorſteher vorge⸗ leſen und ausgelegt worden iſt, würde eine Abſtim⸗ mung darüber, ob die Vorlage noch in einen Ausſchuß zu verweiſen iſt, nicht möglich ſein. Aber ich mache darauf aufmerkſam, daß Herr Kollege Hirſch, als er dieſen Paſſus vorlas, ſofort betonte, es ſei hier eine Lücke in der Geſchäftsordnung, und mir ſcheint das ebenfalls. Ich muß mich da durchaus dem Herrn Kollegen Wöllmer anſchließen. Eine Ausſchußbera⸗ tung ſoll eine zweite Leſung vorbereiten, und die Möglichkeit, eine zweite Leſung in einer Ausſchuß⸗ beratung vorzubereiten, wird unterbunden, wenn eine Abſtimmung über einen Antrag, die zweite Leſung Sitzung vom 4. Dezember 1912 in einem Ausſchuß vorzubereiten, gar nicht möglich iſt und gar nicht zugelaſſen wird. Wir, meine Herren, haben den Antrag auf zweite Leſung geſtellt, weil wir der Meinung ſind, daß die Vorlage in ihren Einzelheiten beſſer durchgearbeitet werden muß, und für die Durcharbeitung wollten wir eben einen Aus⸗ ſchuß haben, um die anderen Gruppen zur Mitarbeit heranzuziehen. Meine Herren, es erſcheint mir, mag der Wortlaut der Geſchäftsordnung ſein, wie er wolle, geradezu widerſinnig und jedem geſunden Menſchen⸗ verſtand widerſprechend, wenn eine ſolche Möglich⸗ keit hier nicht geſchaffen wird. Stadtv. Meyer (zur Geſchäftsordnung): Meine Herren! Der Interpretation des Herrn Kollegen Wöllmer kann ich mich doch nicht anſchließen. Den § 18 heranzuziehen iſt meines Erachtens unmöglich; denn dieſer trifft einen ganz andern Fall. Er handelt darüber, daß die Beratung ſtattgefunden hat und ein⸗ zelne Teile abgeändert worden ſind und daß dann die Verſammlung eine zweite Beratung beſchließt. In dieſem Fall — des § 18 — bedarf es nicht bloß des Antrages eines einzelnen Mitgliedes des Ma⸗ giſtrats oder der Stadtverordnetenverſammlung, ſondern es iſt ein Beſchluß der Stadtverordneten⸗ verſammlung nötig, und dieſer Unterſchied beweiſt m58. daß § 17 und § 18 ſcharf auseinanderzuhalten ind. Ich ſchließe mich in vollem Umfange der Aus⸗ legung des § 17 durch den Herrn Vorſteher an. Ich bin der Meinung, er hat auch damit Recht, daß er erklärt hat: es iſt trotz dem Antrage, eine zweite Leſung ſtattfinden zu laſſen, noch eine Beſchluß⸗ faſſung über den Ausſchuß möglich; denn es heißt ausdrücklich: „abgeſehen von der durch die Einſetzung eines Ausſchuſſes notwendig werdenden zweiten Be⸗ ratung“. Der Zweck dieſer Beſtimmung iſt der, die Möglichkeit einer doppelten Beratung zu ſichern; die doppelte Beratung geſchieht entweder von ſelbſt bei Einſetzung eines Ausſchuſſes oder im Wege der zweiten Leſung. Sinngemäß aber findet eine ma⸗ terielle Abſtimmung auf Grund der Geſchäfts⸗ ordnung dann nicht ſtatt, gleichviel ob Ausſchuß⸗ beratung oder ob zweite Leſung beliebt wird. Stadtv. Hirſch (zur Geſchäftsordnung): Meine Herren! Daß Herr Kollege Wöllmer mit der Aus⸗ legung der Geſchäftsordnung im Unrecht iſt, hat Herr Kollege Meyer ſoeben nachgewieſen. Es iſt meiner Meinung nach ganz ſelbſtverſtändlich, daß, wenn Sie bereits auf Grund des § 17 eine zweite Leſung beſchloſſen haben, nun nicht noch einmal Ueber⸗ weiſung an einen Ausſchuß und eine weitere zweite Leſung auf Grund des § 18 ſtattfinden kann, weil das etwas ganz anderes iſt, als was § 17 beſagt. Inſofern kann ich dem Herrn Kollegen Meyer bei⸗ pflichten. Dagegen gebe ich ihm nicht Recht in ſeinen letzten Ausführungen. Herr Kollege Meyer ſagt, daß neben der bereits beſchloſſenen zweiten Leſung auch jetzt noch die Ueberweiſung der Vorlage an einen Ausſchuß möglich iſt, und er ſchließt das aus dem Wortlaute des bereits wiederholt zitierten Satzes des § 17. Ich glaube, daß gerade in dieſem Punkte der § 17 klar iſt: er ſpricht entweder von einer zweiten Leſung, die notwendig iſt durch die Ueberweiſung an einen Ausſchuß, oder aber von einer zweiten Leſung, die notwendig wird, weil ein Mitglied Widerſpruch er⸗ hebt. Aber unmöglich iſt es, zwei zweite Leſungen gleichzeitig zu beſchließen. (Sehr richtig!)