Sitzung vom 4. Dezember 1912 IIm übrigen, glaube ich, hat ja auch dieſe Ge⸗ ſchäftsordnungsdebatte wiederum gezeigt, wie un⸗ klar die Beſtimmung des § 17 iſt. Vielleicht ziehen wir daraus den Schluß, demnächſt einmal an eine Reform der Geſchäftsordnung heranzugehen. Vorſteher Kaufmann: Meine Herren! Ich darf Ihnen meine Auffaſſung der Geſchäftsordnung noch einmal vortragen. Nach meiner Anſicht iſt es nicht bloß zuläſſig, ſondern unbedingt notwendig, daß wir heute über die Ausſchußberatung abſtimmen. Denn ſonſt würde die Möglichkeit gegeben ſein, daß wir in der nächſten Sitzung, in der die zweite Leſung vor⸗ genommen werden kann, wiederum dieſe neue zweite Leſung durch Annahme eines Antrages auf Ausſchuß⸗ beratung konſtruieren. (Sehr richtig!) Sie ließe ſich nur noch konſtruieren in der Form, die der Herr Kollege Hirſch anfangs wollte, daß für den Fall, daß der Antrag abgelehnt werden ſollte, hier eine zweite Leſung ſtattfinde. Der Antrag auf Aus⸗ ſchußberatung iſt meines Erachtens in erſter Leſung zu erledigen, weil hier dazu Stellung genommen werden kann; er kann allerdings in der zweiten Leſung noch einmal aufgenommen werden. Aber heute kann ſich die Verſammlung nur darüber klar werden: wünſcht ſie eine zweite Leſung, ſo würde ſie überhaupt zu vertagen ſein. Ich faſſe den § 17 ſo auf, daß er die Entſcheidung heute zuläßt. 4 (Sehr richtig!) Stadtv. Zietſch (zur Geſchäftsordnung): Die jetzige Debatte zeigt ja, wie unrecht es war, daß man dem erſten Antrage des Kollegen Hirſch widerſprochen hat. Ich möchte nur mit einem Wort noch auf den zweiten Vorſchlag des Kollegen Wöllmer eingehen, der da meinte, es ſei jetzt, nach Schluß der erſten Leſung, eine Abſtimmung über die Vorlage des Ma⸗ giſtrats möglich. Herr Kollege Wöllmer berief ſich dabei auf den Gebrauch, der in den Ausſchüſſen beliebt wird. Herr Kollege Wöllmer irrt. Meiner Auffaſſung nach iſt eine materielle Abſtimmung über Magiſtratsvorlagen nach Schluß der erſten Leſung im Plenum, wenn eine zweite Leſung ſtattfinden ſoll, nicht möglich. (Zuruf: Warum?) — Das werde ich Ihnen ja ſagen. Aus dem Grunde nicht, weil einmal die Abſtimmung in den Ausſchüſſen nach der erſten Leſung eine ganz andere iſt, als ſie hier ſein würde. Herr Kollege Wöllmer weiß aus ſeiner Praris, daß die erſte Leſung in den Ausſchüſſen leine General⸗, ſondern eine Spezialdebatte iſt Hier haben wir keine Spezialdebatte gehabt; wir können daher hier auch nicht über die einzelnen Teile der Vorlage abſtimmen, ſondern müßten entweder für Annahme oder für Ablehnung der Vorlage ſtimmen. Und dann iſt ja auch die Möglichkeit gegeben, daß 3. B., wenn dem Vorſchlage des Kollegen Wöllmer ſtattgegeben werden würde — was ich für ganz ge⸗ ſchäftsordnungs⸗ und ſinnwidrig halten würde —, die Vorlage heute abgelehnt wird, trotzdem wir ſchon eine zweite Leſung beſchloſſen haben. Auf dieſe Art und Weiſe könnte man das geſchäftsordnungsmäßige Recht eines Mitgliedes der Stadtwerordnetenverſamm⸗ lung, eine zweite Leſung einer Vorlage zu beantragen, 451 jedesmal beugen. durch eine derart willkürliche und ſinnwidrige Auslegung der Geſchäftsordnung. Stadtv. Dr Crüger (zur Geſchäftsordnung): Meine Herren! Wenn die Vorlage jetzt in der erſten Leſung abgelehnt wird, dann bleibt nichts für die zweite Leſung übrig; wir könnten vielleicht die Ueber⸗ ſchrift nach parlamentariſchem Gebrauch annehmen und damit die Vorlage für die nächſte Leſung retten. Im übrigen aber glaube ich, es iſt das allereinfachſte, wenn man die Verſammlung bei der Unklarheit der Geſchäftsordnung darüber entſcheiden läßt, wie ſie es gehalten haben will. Denn das iſt wohl der einzige Punkt, über den wir alle einig ſind: die Geſchäfts⸗ ordnung iſt vollſtändig unklar. Sehr richtig!) Vorſteher Kaufmann: Die Aeußerung des Herrn Kollegen Dr Crüger entſpricht dem Vorhaben, das ich hatte; ich werde in dieſem Falle die Verſammlung befragen. Ich möchte aber noch einmal klarlegen, wie die ganze Sache liegt. Wenn wir heute nicht über die Verweiſung in einen Ausſchuß abſtimmen, dann bleibt dieſe Frage für die nächſte Sitzung offen. Es iſt aber ganz klar: eine zweite Leſung, die ein einzelnes Mitglied beantragen kann, ſoll entweder durch den Ausſchuß oder durch dieſe zweite Leſung vorbereitet werden. Iſt alſo ein Ausſchuß eingeſetzt, ſo müßte er bereits vor der zweiten Leſung beraten haben; ſonſt entſtände eine dritte Leſung, wenn in der zweiten Leſung noch ein Ausſchuß eingeſetzt wird. (Sehr richtig!) Logiſcherweiſe müſſen wir deshalb, glaube ich, heute darüber abſtimmen. Ich werde meine Frage ſo ſtellen: wünſcht die Verſammlung heute noch über 47 24 auf Ausſchußberatung abzuſtimmen oder nicht? (Zuruf: Und über die Vorlage!) — Nein, das iſt ja nicht möglich; über die Vorlage ſelbſt kann nicht abgeſtimmt werden. (Zuſtimmung.) Stadtv. Hirſch (zur Geſchäftsordnung): Wenn der Herr Vorſteher nur darüber abſtimmen laſſen will, ob wir eine Ausſchußberatung wünſchen oder nicht, ſo werde ich mich dem nicht widerſetzen; ich werde dann ſelbſtverſtändlich für Ausſchußberatung ſtimmen. An ſich halte ich das Vorgehen nicht ganz für richtig, aber ich will mich hier einmal fügen. Ganz entſchieden aber muß ich der Anſicht des Herrn Kol⸗ legen Wöllmer und eines Teiles ſeiner Freunde wider⸗ ſprechen, die den Wunſch haben, daß der Herr Vor⸗ ſteher auch über die Vorlage ſelbſt abſtimmen läßt. (Stadtv. Otto: Ganz ausgeſchloſſen!) — Sie halten es für ausgeſchloſſen, Herr Kollege Otto, und auch der Herr Vorſteher iſt dieſer Mei⸗ nung; aber der andere Teil Ihrer Fraktion hält es nicht für ausgeſchloſſen, ſondern wünſcht es ſogar. Meine Herren, dagegen muß ich ganz energiſch pro⸗ teſtieren; denn das würde auf nichts anderes hinaus⸗ heg als auf eine Kürzung der Rechte der Minder⸗ eit.