452 Vorſteher Kaufmann: Zur Beruhigung will ich den Herren mitteilen: über die Frage materiell heute abſtimmen zu laſſen, beabſichtige ich nicht und halte ich nicht für zuläſſig. Stadtv. Dr. Stadthagen (zur Geſchäftsordnung): Meine Herren! Ich halte es für ganz ſelbſtverſtänd⸗ lich, daß in der erſten Leſung über einen Geſetzent⸗ wurf abgeſtimmt werden kann. (Widerſpruch.) In ſämtlichen Parlamenten (Zuruf: In welchen?) iſt das üblich; (Muſe: Nein! Niemals!) wenigſtens immer in den Ausſchüſſen. Vor allen Dingen aber iſt es in den Ausſchüſſen all⸗ gemein üblich. — Meine Herren, ich habe mich viel⸗ leicht mit den Parlamenten geirrt; (Heiterkeit.) aber ich irre mich nicht darin, daß wir in ſämtlichen Ausſchüſſen in der erſten Leſung, auch wo zweite Leſungen beantragt ſind, (Zuruf: Ausſchüſſen!) über den vorliegenden Gegenſtand materiell ab⸗ ſtimmen, (Sehr richtigl) und unſere Geſchäftsordnung in den Ausſchüſſen iſt ganz dieſelbe, die hier in der Stadtverordnetenver⸗ ſammlung gilt; das iſt nicht einmal, ſondern ſehr viele Male in den Ausſchüſſen feſtgeſtellt, daß wir uns dort lediglich nach der Geſchäftsordnung der Stadt⸗ verordnetenverſammlung richten. Daraus ergibt ſich für mich: es iſt ſelbſtverſtändlich, daß wir heute nach der langen Debatte in der erſten Leſung über die Materie abſtimmen. (Lebhafter Widerſpruch. — Zuruf: Und wenn wir die Vorlage ablehnen?) — Wenn wir ſie ablehnen, kommt eine zweite Leſung; dann werden wir ſie nochmals ablehnen. (Zuruf: Nein, das geht doch nicht! — Heiterkeit.) Stadtv. Erdmannsdörffer (zur Geſchäftsord⸗ nung): Gegenüber dem Herrn Kollegen Dr Stadt⸗ hagen möchte ich konſtatieren, daß in den Parlamen⸗ ten eine erſte Leſung immer nur mit der Verweiſung oder der Nichtverweiſung an die Kommiſſion ab⸗ ſchließen kann, dagegen nicht mit einer materiellen Abſtimmung. Wenn alſo hier eine zweite Leſung verlangt wird, ſo können wir über die Materie ſelbſt nicht abſtimmen. (Zuſtimmung.) Sitzung vom 4. Dezember 1912 Im übrigen iſt die Auffaſſung des Herrn Vorſtehers die einzig mögliche und auch diejenige, die durchaus der Geſchäftsordnung entſpricht. Wir müſſen heute lediglich abſtimmen über die Frage, ob die Sache in den Ausſchuß kommen ſoll oder nicht. Wird die Ver⸗ weiſung in den Ausſchuß abgelehnt, dann tritt einfach das in Kraft, was Kollege Zietſch und Genoſſen ge⸗ wünſcht haben, nämlich die zweite Leſung in der nächſten Sitzung. Vorſteher Kaufmann: Das Wort zur Geſchäfts⸗ ordnung wird nicht weiter verlangt. (Bravo!) Wir kommen zur Abſtimmung. Herr Kollege Dr. Landsberger wünſcht noch das Wort. (Unruhe.) Stadtv. D. Landsberger (zur Geſchäftsord⸗ nung): Meine Herren! Ich operiere nicht gern mit Worten wie „ſinnwidrig“ oder „gegen den geſunden Menſchenverſtand“, wie ſie namentlich Herr Kollege Borchardt heute wiederholt gebraucht hat; man kann ſich dabei ſelbſt in die Finger ſchneiden. Aber verſtehen könnte ich es perſönlich nicht, wenn Sie, nachdem Sie die zweite Leſung beſchloſſen haben, (Zuruf: Wer hat das beſchloſſen?) nun noch die Abſtimmung über die Möglichkeit eines Ausſchuſſes herbeiführen. Das kann nicht ſein; denn wenn Sie zweite Leſung beſchloſſen haben, (Widerſpruch und Unruhe.) können Sie nicht noch einen Ausſchuß dazwiſchen ſchieben. (Erneuter Widerſpruch.) — Meine Herren, Sie haben die zweite Leſung be⸗ ſchloſſen. (Lebhafte Rufe: Nein!) Vorſteher Kaufmann: Nach meiner Auffaſſung kann und muß die Verſammlung darüber entſcheiden, ob es richtig iſt, darüber abzuſtimmen, ob die Vor⸗ lage, ehe ſie in die zweite Leſung kommt, in einem Ausſchuſſe beraten werden ſoll. Die Zahl iſt mir nicht genannt. (Zuruf: 151) — Alſo in einem Ausſchuß von 15 Mitgliedern. (Die Frage wird nach P robe und Gegenprobe ver⸗ neint.) 7 — Alſo iſt es abgelehnt, heute darüber abzuſtimmen, ob die Sache an einen Ausſchuß gehen ſoll oder nicht. Meine Herren, dann möchte ich, um Ihre Ge⸗ ſchäfte für die nächſte Sitzung zu fördern, doch be⸗ merken, daß die Anträge des Herrn Kollegen Dr Stadthagen für heute ſich ſelbſt erledigen, da ſie bereits als Reſolutionen in der Sitzung vom 22. Mai angenomen worden ſind. Ich weiß alſo nicht, wes⸗