468 Stadtv. Bergmann (zur Geſchäftsordnung): Meine Herren! Der Herr Berichterſtatter zu Nr. 13 der Tagesordnung, Herr Kollege Wagner, und ich haben den dringenden Wunſch, dieſen Gegenſtand auf morgen zu vertagen. Ich würde Sie bitten, dem zuzuſtimmen. (Die Verſammlung beſchließt nach dem Antrage des Stadtv. Bergmann.) Vorſteher Kaufmann: Wir kommen zu Punkt 5 der Tagesordnung: Zweite Beratung der Vorlage betr. Maßregeln zur Bekämpfung der Folgen unfreiwilliger Arbeitsloſig⸗ keit. — Druckſache 304. Hierzu liegt noch aus der letzten Sitzung die Reſolution, die Herr Kollege Wöllmer beantragt hat, vor. Sie lautet: Magiſtrat wird erſucht, zu erwägen, ob nach Artikel 12 auch einzelne Arbeiter und Ange⸗ ſtellte, die als Mitglieder von Berufsvereini⸗ gungen ſatzungsgemäß Tagegelder von minde⸗ ſtens 75 § täglich im Falle der Arbeitsloſig⸗ keit erhalten, ſofern ſie den Forderungen des Artikels 4 entſprechen, eine Zuſatzverſicherung gegen Zahlung von wöchentlich 10 5 nehmen können. Dann ſind hierzu von dem Herrn Kollegen Ahrens und ſeinen Freunden folgende Anträge ein⸗ gegangen: Die Unterzeichneten beantragen, zu be⸗ ſchließen: In Artikel 3 sub. b) wird geſetzt ſtatt „10 000 ℳ.“: „100 000 ℳ!. Artikel 4 ſoll lauten: „Aufnahmeberechtigt iſt jeder Arbeiter oder Angeſtellte, der ſeit mindeſtens 6 Monaten in Charlottenburg wohnhaft iſt.“ Der Reſt des Artikels wird geſtrichen. Artikel 12 wird als Artikel 9 vor den Abſchnitt geſtellt und erhält den Wort⸗ aut: „Angehörige von Berufsvereinigungen, die ihren Mitgliedern auf Grund der Beitrags⸗ zahlung ſatzungsgemäß Tagegelder von minde⸗ ſtens 75 5 täglich im Falle der Arbeitsloſig⸗ keit gewähren, können eine Zuſatzverſicherung gegen Zahlung von 10 5 wöchentlich nehmen.“ In Artikel 9, der nunmehr Artikel 10 wird, werden in Zeile 1 die Worte „oder Arbeitgebern“ geſtrichen. Artikel 15 Abſatz 2 erhält die Faſſung: „Bei den Zuſatzverſicherungen von Mitglie⸗ dern der Berufsvereinigungen (Artikel 9) be⸗ trägt das Tagegeld 75 5.“ Artikel 26 Abſatz 1 erhält die Faſſung: „Ein Verſicherungsverhältnis kann zum Be⸗ ginn jeder Woche eingegangen werden; es gilt bis zum Schluß des laufenden Rechnungs⸗ jahres (31. März).“ Sitzung vom 17. Dezember 1912 Artikel 28 und Artikel 29 werden geſtrichen. Dann iſt ein Antrag von dem Herrn Kollegen an der genügend unterſtützt iſt, eingegangen; er autet: Wir beantragen über die Vorlage betr. Maß⸗ regeln zur Bekämpfung der Folgen unfrei⸗ williger Arbeitsloſigkeit in der Schlußabſtim⸗ mung namentliche Abſtimmung. Wir treten nunmehr in die Beratung ein. Wünſcht der Herr Berichterſtatter das Wort? Berichterſtatter Stadtv. Dr Landsberger: Ich verzichte zunächſt und behalte mir vor, wenn die Be⸗ gründung der eingegangenen Anträge erfolgt ſein wird, in meinem Schlußwort darauf zurückzukommen. Stadtv. Hirſch: Meine Herren! In einer Be⸗ merkung zur Geſchäftsordnung am Schluß der erſten Leſung der Vorlage hat Herr Stadtv. Erdmanns⸗ dörffer ſeinem Bedauern darüber Ausdruck gegeben, daß ihm das Wort abgeſchnitten ſei, da er dadurch verhindert worden wäre, die ablehnende Haltung der Sozialdemokraten als das Wunderbarſte zu charakte⸗ riſieren, „was wir ſeit Jahren von ihr erlebt haben.“ (Stadtv. Erdmannsdörffer: Sehr richtig!) Ich teile das Bedauern des Herrn Stadtv. Erd⸗ mannsdörffer; aber er mag ſich dafür, daß er nicht mehr zum Wort gekommen iſt, mit ſeinen eigenen Freunden auseinanderſetzen. Ich und auch meine Freunde hätten es gern geſehen, wenn Herr Stadtv. Erdmannsdörffer ſeine Ausführungen gemacht hätte, damit er in der Lage geweſen wäre, nachzuweiſen, wieſo denn unſere Haltung ſo wunderbar iſt. Hätte ſich Herr Stadtv. Erdmannsdörffer auch nur einiger⸗ maßen mit der Stellung der Sozialdemokratie in früheren Jahren zur Frage der Arbeitsloſenverſiche⸗ rung nicht nur in Charlottenburg, ſondern auch wo anders beſchäftigt, ſo würde er nicht geſagt haben, unſere Haltung ſei das Wunderbarſte, was ihm bisher vorgekommen iſt, ſondern dann würde er unſere Hal⸗ tung als eine durchaus konſequente bezeichnet haben. Meine Herren, wir haben ſeit ungefähr 10 Jah⸗ ren in Charlottenburg die Einführung einer Abreits⸗ loſenunterſtützung verlangt. Immer und immer wieder ſind wir mit Anträgen hervorgetreten, denen früher die Mehrheit der Verſammlung überhaupt keine Folge leiſtete, bis ſie ſich dann ſchließlich in den letzten Jahren eines Beſſeren beſonnen und unſere Anträge Ausſchüſſen überwieſen hat, auf Grund deren Beratungen dann ſchließlich Vorlagen an die Stadtverordnetenverſammlung gelangt ſind. Wir haben von jeher an der Löſung des Problems der Arbeitsloſenverſicherung, ſoweit man überhaupt von einer Löſung dieſer Frage auf kommunalem Gebiete ſprechen kann, freudig mitgearbeitet. Wir ſind auch heute noch bereit, alle Maßnah⸗ men zu unterſtützen, die wirklich dazu angetan ſind, die Folgen unfreiwil⸗ liger Arbeitsloſigkeit zu bekämpfen, und gerade deshalb, weil wir dazu bereit ſind, ſind wir gezwungen, die uns augenblicklich beſchäftigende Vorlage abzulehnen, da ſie den Weg zu einer wirklich guten kommunalen Arbeitsloſenverſicherung verſperrt. Meine Herren, es iſt, glaube ich, in der Preſſe, vielleicht auch in der Verſammlung als Obſtruktion bezeichnet worden, daß wir eine zweite Leſung ge⸗ fordert haben. Ich muß dieſen Vorwurf zurückweiſen.