Sitzung vom 17. Dezember 1912 auszuſetzen, bis die Spezialdiskuſſion vorbei iſt. Denn viele der Herren Kollegen werden ja ihre Abſtim⸗ mung über Artikel 1 von der Ausgeſtaltung der Sache abhängig machen. Vorſteher Kaufmann: Ich glaube, das iſt ein durchaus berechtigter Wunſch, auf den wir eingehen können. Ich bitte nun diejenigen Herren, ſich zu melden, die im Anſchluß an Artikel 1 zur Generaldiskuſſion das Wort wünſchen. Stadtv. Wöllmer: Meine Herren! Ich glaube, es hieße, den an und für ſich glänzenden Gedanken einer Arbeitsloſenverſicherung zu Tode hetzen, wenn wir heute noch in eine allgemeine Debatte eintreten und ausführlich auf die Ausführungen des Herrn Kollegen Hirſch über die Zweckmäßigkeit der Arbeits⸗ loſenverſicherung eingehen wollten, im beſonderen darüber, ob das Genter Syſtem das einzig richtige iſt. Herr Kollege Hirſch weiß aus den Verhandlungen der Deputation, daß ich perſönlich ein Freund des Genter Syſtems bin und daß ich und eine große Reihe meiner Freunde durchaus auf dem gleichen Boden in dieſer Beziehung ſtehen wie er. Wenn trotzdem dieſer von Ihnen und uns gemeinſchaftlich gefaßte und propagierte Gedanke keinen Erfolg ge⸗ habt hat, ſo ſind die Gründe dafür wiederholt auch in dieſer Verſammlung zum Ausdruck gebracht wor⸗ den. Man muß nun einmal damit rechnen, daß auf dieſem neuen Gebiet ſelbſt innerhalb einer Partei verſchiedene Anſichten und Meinungen beſtehen, daß auch in unſerer liberalen Fraktion, wie überhaupt in den liberalen Parteien, verſchiedene Auffaſſungen über die Zweckmäßigkeit der Löſung dieſes Problems herrſchen. Ich begnüge mich daher, nur auf einige Ausführungen des Herrn Kollegen Hirſch einzugehen. Herr Kollege Hirſch verurteilt die vorliegende Magiſtratsvorlage beſonders aus zwei Gründen. Erſtens ſagt er, es fehlt dieſer Vorlage vollkommen die verſicherungstechniſche Grundlage, ſie ſei nicht lebensfähig. Nun, wenn die Vorlage nicht lebens⸗ fähig iſt, dann hat dies nach Anſicht des Kollegen Hirſch wohl darin ſeinen Grund, daß nicht genug Angeſtellte oder Arbeiter ſich der Kaſſe anſchließen werden. Dann frage ich ihn, warum er den Betrag von 10 000 ℳ auf 100 000 erhöhen will. Darin liegt doch ein großer Widerſpruch. Wenn er die Kaſſe nicht für lebensfähig hält, weil nicht genug Ver⸗ ſicherte ihr zuſtrömen werden, dann iſt es gar nicht nötig, den Betrag, den die Magiſtratsvorlage vor⸗ ſieht, um das Zehnfache zu erhöhen. Ich mache nur auf dieſen Widerſpruch aufmerkſam. (Stadtv. Hirſch: Iſt gar kein Widerſpruch!) Herr Kollege Hirſch zitiert meinen Freund Profeſſor Crüger, der geſagt habe, dieſer Vorlage fehle allerdings die verſicherungstechniſche Grundlage. Profeſſor Crüger hat das aber in dem Sinne geſagt, daß dieſe Vorlage nicht juriſtiſch den Charakter einer Verſicherung habe, ſondern daß ſie im großen und ganzen nur als eine Unterſtützungskaſſe aufzufaſſen ſei, die die beſtehenden Verſicherungseinrichtungen unterſtützt oder die mit Hilfe von öffentlichen Mit⸗ teln das Problem zu löſen ſucht. In dieſer Be⸗ ziehung habe ich meinem Freunde Profeſſor Crüger in der vorigen Sitzung durchaus recht gegeben. Auch ich bin der Anſicht, daß wir es hier nicht mit einer reinen Verſicherungskaſſe zu tun haben, auch nach 473 Lage der Dinge nicht zu tun haben können. Wir werden ein ſolches Problem immer nur dann löſen können, wenn wir die Hilfe der Allgemeinheit in Anſpruch nehmen. Der zweite Grund, den der Herr Kollege Hirſch als einen ſolchen hervorhob, der die Magiſtratsvor⸗ lage unannehmbar mache, war der, daß in der Ma⸗ giſtratsvorlage die Unterſtützung der Gewerkſchaften fehle. Meine Herren, ſie fehlt keineswegs, ſie beruht in dem Artikel 12. (Stadtv. Hirſch: Ach!) Es fehlt nur die Unterſtützung der Gewerkſchaften ohne Gegenleiſt ung. In der alten Magi⸗ ſtratsvorlage war allerdings eine Unterſtützung ohne Gegenleiſtung vorhanden, indem man den Gewerk⸗ ſchaften Zuſchüſſe zu den Leiſtungen, die ſie ſelbſt aufbrachten, zuführen wollte. Es iſt nun jetzt in der Magiſtratsvorlage enthalten, auf Wunſch einer großen Gruppe dieſer Verſammlung, daß eine Gegenleiſtung von den Gewerkſchaften gefordert werden ſoll durch Zahlung einer Verſicherungsprämie, ebenſo wie jeder einzelne ſich verſichern kann. Man kann alſo doch nicht behaupten, daß hier eine Unterſtützung der Ge⸗ werkſchaften abſolut fehlt. Freilich die Unterſtützun wird nur gewährt, wenn die Gewerkſchaften au eine Gegenleiſtung bieten. Ich möchte nicht zu ſehr auf dieſe Dinge ein⸗ gehen, denn ich bin der Meinung, daß wir ins Ufer⸗ loſe kommen, wenn wir immer wieder dieſen Ge⸗ danken erörtern. Ich möchte mir nur noch geſtatten, auf die Aeußerung des Kollegen Hirſch einzugehen, worin er meinem Fraktionskollegen Rothholz vor⸗ warf, er hätte in der vorigen Verſammlung den Ma⸗ giſtrat gleichſam aufgefordert, einen Druck auf die Arbeiter und Angeſtellten auszuüben, daß ſie der Verſicherungskaſſe beitreten mögen. Stadtv. Hirſch: Steht im ſtenographiſchen Bericht!) — Es mag ja ſein, daß Herr Kollege Rothholz das etwas ſchärfer pointiert hat, als er es gemeint hat. In dem Sinne hat es Kollege Rothholz aber jedenfalls nicht ſagen wollen. Er iſt ja leider heute nicht hier und kann das nicht ſelbſt darlegen. Er hat vielleicht zum Ausdruck bringen wollen, daß der Magiſtrat in Verbindung mit den Lohn⸗ oder Arbeitsbedingungen die Arbeiter anregen möchte, der Verſicherungskaſſe beizutreten. (Stadtv. Hirſch: Gewiſſer Druck!) — Zum Vorteile der Arbeiter. Daß ein Zwang aus⸗ geübt werden ſollte, das, glaube ich, hat Kollege Roth⸗ holz nicht ohne weiteres angenommen. (Stadtv. Hirſch: Hat er aber geſagt!) Dann hat Herr Kollege Hirſch im beſonderen meinen Freund Profeſſor Crüger und auch den Kol⸗ legen Rothholz und mich angegriffen, weil wir in der vergangenen Sitzung behauptet haben, die freien Ge⸗ werkſchaften ſtänden im Dienſte der ſozialdemokrati⸗ ſchen Partei, und er hat beſonders dem Kollegen Rothholz und mir vorgeworfen, daß wir es verab⸗ ſäumt hätten, den Beweis dafür anzutreten; Profeſſor Crüger habe ja den ſchwachen Verſuch einer Beweis⸗ führung gemacht. Meine Herren, ich bedaure, daß Profeſſor Crüger nicht hier iſt, der ja in verſchiedenen