474 Sitzung vom 17. Punkten dem Kollegen Hirſch gerade in dieſer Frage entgegengetreten iſt und nachgewieſen hat, daß das Leben der freien Gewerkſchaften zum mindeſten in einem innigen Zuſammenhange mit dem ſozialdemo⸗ kratiſchen Parteileben ſteht. (Stadtv. Hirſch: Das iſt etwas ganz anderes!) — Es iſt, glaube ich, keinem eingefallen, weder Herrn Profeſſor Erüger noch viel weniger mir, zu behaupten, daß die Gewerkſchaften und die Sozialdemokratie ein Gebilde ſeien. (Stadtv. Hirſch: Im Dienſte ſtehen!) — Das iſt etwas ganz anderes, ob ich geſagt hätte: ſie ſind eins — während Herr Kollege Hirſch meint: ſie ſind nicht eins — oder ob ich ſage: eine Organi⸗ ſation ſteht im Dienſte einer beſtimmten Partei. Das heißt, dieſe beſtimmte Partei übt einen maß⸗ gebenden Einfluß innerhalb dieſer wirtſchaftlichen Organiſation aus. Herr Kollege Hirſch hat vollkom⸗ men recht, wenn er darauf hinweiſt, daß die freien Gewerkſchaften wie alle Gewerkſchaften als Berufs⸗ vereinigungen lediglich wirtſchaftliche Aufgaben zu löſen haben. Sie ſind in der Tat auch urſprünglich in dieſem Sinne gegründet worden und haben ihre Ziele in den erſten Jahrzehnten in dieſer Weiſe ver⸗ folgt. Aber im Laufe der letzten Jahrzehnte hat es eben der Sozialismus verſtanden, ſich Eintritt in die wirtſchaftlichen Organiſationen der freien Gewerk⸗ ſchaften zu verſchafſer, er hat ſie ſich immer mehr aſſimiliert; er hat es zweifellos verſtanden, wie ich nochmals betone, das Leben der freien Gewerkſchaften in ſeinen Dienſt zu ſtellen; die Mitglieder der Ge⸗ werkſchaften ſollen eben auch den Sozialismus pro⸗ pagieren. Herr Kollege Hirſch hat in ſeinem Vortrage ſpe⸗ ziell auf Profeſſor Jaſtrow hingewieſen. Nun, auch Profeſſor Jaſtrow weiſt in der Denkſchrift, die Ihnen allen bekannt iſt, darauf hin, daß die Gewerkſchaften in einem gewiſſen engen politiſchen Zuſammenhange mit der Sozialdemokratie ſtehen. (Stadtv. Hirſch: Enger Zuſammenhang iſt ganz etwas anderes!) Auch er ſagt, als er von den vielen Bedenken ſpricht, die man gegen die Zuſchüſſe an die Gewerkſchaften erheben könnte: „das Bedenken wird geltend gemacht: daß in Deutſchland die Arbeiterorganiſationen einen engen Zuſammenhang mit dem politiſchen Partei⸗ leben haben —“, und er fährt dann fort: „Wir be⸗ dauern dieſen Zuſammenhang, wir bedauernihn namentlich im Intereſſe der Arbeiter.“ (Stadtv. Hirſch: Das ſagt er nicht von den freien Ge⸗ werkſchaften, ſondern von den chriſtlichen!) — Er ſagt es von allen Gewerkſchaften, beſon⸗ ders von den freien Gewerkſchaften. (Stadtv. Hirſch: Den Hirſch⸗Dunckerſchen und den chriſtlichen!) — Er meint doch die freien Gewerkſchaften, denn er ſpricht ja von den Bedenken, die erhoben worden ſind. Dezember 1912 Unter dieſen Bedenken führt er an, daß die Gewerk⸗ ſchaften — damit ſind die freien gemeint — (Stadtv. Zietſch: Er meint auch die criſtlichen und Hirſch⸗Dunckerſchen!) im Dienſte des Sozialismus ſtehen, und daran knüpft er die Bemerkung, die ich eben vorgeleſen habe. Gewiß, meine Herren, ich bin ganz der Anſicht des Kollegen Hirſch: auch ich bedaure es, wenn die Gewerkſchaften das Ziel, das ſie eigentlich haben ſollten, verlaſſen, nämlich lediglich die wirtſchaftlichen Intereſſen ihrer Mitglieder zu verfolgen. Aber das weiß doch jeder, wie das Kind das ABC, und ich verſtehe nicht, wie Herr Kollege Hirſch mit ſolchem Bruſttone der Ueberzeugung hier auftreten und be⸗ ſtreiten kann, daß die freien Gewerkſchaften in einer gewiſſen Abhängigkeit von der Sozialdemokratie ſtehen und von ihr beeinflußt werden, auch von der ſozialdemokratiſchen Parteileitung. (Widerſpruch bei den Sozialdemokraten.) Wenn, wie mir mitgeteilt wird, in den freien Gewerk⸗ ſchaften vielfach eine Gruppe vorhanden iſt, die da⸗ gegen auftritt, die man eine neutrale Gruppe nennen könnte, ſo iſt das gewiß zu begrüßen. Es wäre wünſchenswert, wenn das politiſche Moment, das in den Gewerkſchaften vorhanden iſt, immer mehr ver⸗ ſchwände. Leider ſind wir von dieſem Ziele noch ſehr weit entfernt. Herr Kollege Hirſch hat ſelbſt als ſeinen Herzenswunſch ausgeſprochen, daß jedes Mit⸗ glied der Gewerkſchaft auch Angehöriger der ſozial⸗ demokratiſchen Partei ſei. Mit dieſen Bemerkungen muß ich mich jetzt be⸗ gnügen, da ich nur noch etwas zu den Amendements zu ſagen hätte. Ich kann allerdings auch im ganzen ſchon meine Anſicht zu den uns vorgelegten Amende⸗ ments dahin ausſprechen, wenn es mir der Herr Vorſteher geſtattet Vorſteher Kaufmann: Wenn Sie nachher in der Spezialberatung noch einmal darauf zurückkommen wollten, würde es ja doppelt ſein, wenn Sie es jetzt auch ſchon täten. Wollen Sie ſich jetzt generell aus⸗ ſprechen, ſo daß Sie vielleicht nachher darauf ver⸗ zichten können, ſo wäre es dasſelbe. Ich verſchränke Ihnen das Wort nicht. Stadtv. Wöllmer (fortfahrend): Dann möchte ich mir nur noch folgende Bemerkung geſtatten, die gewiß generell iſt. Was nutzt es, wenn von den Herren einige Amendements vorgebracht werden? Sie wiſſen ganz genau, daß ein Teil unſerer Fraktion und ein großer Teil, vielleicht die geſamte Fraktion auf der rechten Seite dieſes Hauſes die Magiſtrats⸗ vorlage nicht annehmen, wenn die Momente ver⸗ ſchärft werden. Sie werden durch dieſe Amende⸗ ments — falls ſie angenommen werden ſollten — dazu beitragen, die Vorlage zum Scheitern zu brin⸗ gen. Ich apelliere gerade an Herrn Kollegen Hirſch und ſeine Freunde, weil ſie doch immer behaupten, die Arbeiterſchichten zu vertreten: begnügen Sie ſich doch damit, was der Magiſtrat bzw. die gemiſchte Deputation Ihnen vorſchlägt. (Stadtv. Hirſch: Das iſt ja nichts!) Die Faſſung der Magiſtratsvorlage entſpricht keines⸗ wegs auch meinen Wünſchen in vielen Dingen, keines⸗