Sitzung vom 17. Tat als der gangbarſte, der durchgrei⸗ fendſte und als einzig praktiſcher erwieſen hat. Nun, Sie haben in der Sitzung am 22. Mai dem Magiſtrat einen Korb gegeben, Sie haben den wichtigſten Teil der damaligen Magiſtratsvorlage ausgemerzt und haben bloß einen Rumpf genommen, wie ich es in voriger Sitzung bezeichnete, einen Rumpf, von dem man gewiß ſagen muß, daß er recht wenig bietet und daß man nicht gerade große Hoffnungen auf ſeine Wirkſamkeit ſetzen kann. Aber es wäre doch immer⸗ hin ein Verſuch, ein Anfang. Ich glaube nicht, daß wir die Dinge fördern durch akademiſche Erörterun⸗ gen, z. B. durch die Vorleſung, die uns hier Herr Kollege Hirſch über die Geſchichte der Gewerkſchaften und ihre Bedeutung gehalten hat. Man muß doch, wenn man einen Verſuch machen will, die Dinge nicht durch ſolche Bemerkungen aufhalten, ſondern muß praktiſch an einer Stelle anfaſſen. Die Herren na⸗ mentlich — ich wiederhole das —, die am 22. Mai den Reſt der Vorlage en bloc angenommen hatten, obwohl die wichtigſte Beſtimmung ausgemerzt war — und das war damals die Majorität der Stadt⸗ verordnetenverſammlung —, die Herren mache ich darauf aufmerkſam, daß ſie heute durch den Mund des Herrn Kollegen Stadthagen und durch den Mund des Herrn Kollegen Mosgau, der die Richtung Crüger vertritt, einigermaßen neue Bedenken vorbringen. Herr Kollege Stadthagen freilich hat früher auch ſchon auf dem Stadpunkt geſtanden, unſer ganzes Vorgehen ſei zwecklos, wenn es von einer einzelnen Gemeinde aus geſchehe, wenn ſich nicht ganz Groß⸗ Berlin daran beteilige. Aber, meine Herren, Sie haben das doch nun einmal beſchloſſen, und es iſt kein Zweifel, daß die Nachbarn uns folgen werden, wie das ſchon das Beiſpiel von Schöneberg erweiſt, das ſich während unſerer bekanntlich jahrelang gepflo⸗ genen Verhandlungen zu dem Entſchluß einer Tat aufgerafft hat. Es iſt alſo nicht zu ſagen, daß da⸗ durch nichts getan werden könnte, weil wir bloß als Teil von Groß⸗Berlin die Sache in die Hand nehmen wollen. Faſſen Sie nur die Sache einmal endlich an, verſuchen Sie es, irgend etwas wirkſam zu geſtalten! Dann meinte Herr Kollege Stadthagen, dem es darum zu tun iſt, gerade die Nichtorganiſterten in dieſe Arbeitsloſenverſicherung hineinzubringen, daß bei dieſer Vorlage nicht viel herauskomme. Vielleicht nicht allzuviel, aber wir ſchaffen immerhin die Mög⸗ lichkeit einer Hilfe. Die Arbeitsloſenkaſſe ſoll doch jedem offen ſtehen, natürlich auch den Nichtor⸗ ganiſierten, jedem einzelnen. Wenn ihm vielleicht auch nicht ausreichend geholfen wird, ſo wird doch jedem, der ſich überhaupt auf dieſes Gebiet der Selbſt⸗ hilfe begeben will, durch die Vorlage die Hand ge⸗ boten, für ſeine Zukunft etwas zu tun. Aehnliches möchte ich meinem Freunde Mosgau erwidern. Herr Kollege Crüger, der das vorige Mal den Standpunkt der Herren, die auf dem Boden wie Kollege Mosgau ſtehen, vertreten hat, führte aus, daß er die Geſamtverſicherung nicht billigen könne. Ja, auch die iſt doch durch den Stadtverordnetenbeſchluß vom 22. Mai ohne Widerſpruch durchgegangen. Sie haben damals ſämtliche Beſtimmungen der Geſamt⸗ verſicherung genehmigt, und die Geſamtverſicherung, wie ſie uns heute in den §§ 9 bis 14 entgegentritt, iſt gar nichts anderes, ausgenommen § 12, der eigent⸗ lich bloß, wie ich das vorige Mal ſchon ausführte, einen Frage in der Spezialfall der Geſamtverſicherung darſtellt und bloß denjenigen, der die Geſamtverſicherung Dezember 1912 479 überhaupt nicht einführen will, abſchrecken kann von der Genehmigung. Herr College Crüger hatte das vorige Mal aus⸗ geführt, daß die Verſicherung „zum größten Teile auf den Gewerkſchaften aufgebaut“ ſei. Das kann man wirklich nicht ſagen. Das iſt ſie nicht. Die Ge⸗ werkſchaften ſpielen bloß eine ſo bedeutende Rolle in der ſozialen Verſicherung, daß ſie nicht ignoriert werden können; ſie ſind nur als das nächſtliegende Beiſpiel für die Möglichkeit einer Geſamtwerſicherung angeführt worden. Ich meine alſo, wenn man dem Beſchluß der Stadtverordnetenverſammlung vom 22. Mai entſprechen will, kann man die heute vor⸗ gelegte Magiſtratsvorlage ohne weiteres annehmen. Nun ſagt Herr Kollege Hirſch, der Magiſtrat habe ſich vom Beſchluß der Stadtverordnetenverſamm⸗ lung „abdrängen“ laſſen. Meine Herren, was ſollte der Magiſtrat denn tun? Er hat Ihnen eine Vor⸗ lage gemacht, aus der ſie in namentlicher Abſtimmung mit 33 gegen 20 Stimmen, alſo mit beträchtlicher Majorität, das Weſentliche herausgebrochen haben, und Sie haben dann den Reſt der Vorlage ſtillſchwei⸗ gend, ohne die beſondere Ziffer der Stimmen feſt⸗ zuſtellen, angenommen. Nun tritt der Magiſtrat auf dieſen Boden. Was kann er anderes tun? Er kann Ihnen doch nicht dieſelbe Vorlage noch einmal und immer wieder bringen, um ſie immer wieder ab⸗ gelehnt zu ſehen? — Man ſollte in der Tat, wie auch Herr Kollege Erdmannsdörffer warm befürwortet hat, wenigſtens einen Schritt tun, einen praktiſchen Verſuch machen. Man ſollte die erzieheriſche Bedeu⸗ tung, die die Einrichtung einer ſolchen Arbeitsloſen⸗ koſſe für unſere Arbeiterbevölkerung zweifellos haben wird, nicht als ganz gleichgültig betrachten, ſollte ſie nicht von der Hand weiſen. Man kann die Erwar⸗ tung hegen, daß, wenn eine ſolche Kaſſe erſt begrün⸗ det iſt und beſteht, die Möglichkeit ihres Ausbaues vorliegt und ihre Entwicklung weiterſchreiten wird. Deshalb verhalte ich mich auch zu der Reſolution, die mein Freund, Herr Kollege Wöllmer, eingebracht hat, vollſtändig zuſtimmend; denn er verlangt, daß der Magiſtrat in Erwägung ziehe, wie eine Einzelver⸗ ſicherung derjenigen, die auch an anderen Stellen, z. B. in den freien Gewerkſchaften verſichert ſind, unter ermäßigten Bedingungen zugelaſſen werden könnte. Solcher Reſolution kann man ſich freundlich gegenüberſtellen, ſie liegt im Rahmen der Ausbau⸗ möglichkeit der gegenwärtigen Vorlage. Ebenſo war ſicherlich auch die Aeußerung des Herrn Kollegen Rothholz gemeint, der ſich das vorige Mal, wie man zugeſtehen kann, vielleicht etwas im Ausdrucke vergriffen haben mag, wenn er von einem „Drucke“ ſprach. Er hat, als Widerſpruch in der Verſammlung erfolgte, laut ſtenographiſchem Bericht von ſelbſt hinzugefügt: „zum Vorteile der Arbeiter!“ Er meinte natürlich nur einen wohlwollenden Hin⸗ weis des Magiſtrats darauf, daß dieſe Kaſſe beſteht, wie wir ja auch ſchon früher zum Ausdruck gebracht haben, daß alle Arbeitgeber in gemeſſenen Zwiſchen⸗ räumen auf die Kaſſe aufmerkſam gemacht und ver⸗ anlaßt werden ſollen, von ihr zum Beſten der Ar⸗ beiter Gebrauch zu machen. Ich perſönlich, meine Herren, ſtehe wirklich, wie ich das vorige Mal ſchon ſagte, mit ſehr geringen Hoffnungen dem Reſt unſerer Beſtrebungen, die in der Vorlage verkörpert ſind, gegenüber. Ich erwarte nicht zu viel, namentlich nicht, daß wir eine ſehr große Beteiligung bekommen. Sie wiſſen, daß ich den größten Nachteil der Vorlage darin ſehe, daß ſie