12 Meine Herren, ich will auch von vornherein dem Einwand begegnen, der von anderer Seite erfah⸗ rungsmäßig gewöhnlich gegen die Arbeiterjugend⸗ heime erhoben wird, nämlich der Behauptung, daß die Arbeiterjugendheime politiſcher Natur ſind. Wenn dieſe Behauptung zu beweiſen wäre, ſo hätte das die Polizei ſchon längſt beſorgt; denn ſie hat es ſicher nicht an Anſtrengungen fehlen laſſen, ſie hat alle Hebel in Bewegung geſetzt. Trotzdem iſt es ihr nicht geglückt, dieſe Behauptung zu beweiſen, aus dem ein⸗ fachen Grunde, weil dieſe Behauptung eben den Tat⸗ ſachen nicht entſpricht. Ich hoffe alſo, daß auch Sie, meine Herren, in Zukunft auf dieſen Einwand nicht mehr eingehen werden, daß Sie im Gegenteil der Forderung der Gerechtigkeit Gehör ſchenken werden, indem Sie von nun an das Arbeiterjugendheim in Charlottenburg mit ebenſoviel Wohlwollen behandeln wie die anderen Inſtitute der Jugendpflege in Char⸗ lottenburg. Stadtv. Dr. Damm: Meine Herren! Aus den Ausführungen des Herrn Vorredners habe ich ent⸗ nommen, daß er von der Mitteilung des Magiſtrats nicht ganz befriedigt iſt. Meine Freunde ſtehen auf einem anderen Standpunkte. Wir haben von der Mitteilung des Magiſtrats mit Befriedigung Kennt⸗ nis genommen, und wir ſind daher auch bereit, das Proviſorium, das gegenwärtig beſteht, vom 1. April 1913 ab in ein Definitivum zu verwandeln. Darin können uns auch die Bedenken, die aus den Aus⸗ führungen des Herrn Vorredners mehr oder weniger deutlich hervorleuchteten — es war da u. a. von Hurrapatriotismus die Rede —, nicht irre machen. Ich habe gerade auf dieſes Bedenken hin, das von ſozialdemokratiſcher Seite der Jugendpflege gegen⸗ über ſchon wiederholt geäußert worden iſt, die Mit⸗ teilung des Magiſtrats recht ſorgfältig durchgeleſen, und ich muß offen geſtehen, daß ich nicht das Geringſte gefunden habe, was das Bedenken rechtfertigen könnte. Meine Freunde ſtehen grundſätzlich auf dem⸗ Standpunkte, daß ſich die Jugendpflege von jeder ein⸗ ſeitigen Tendenz freizuhalten hat. Darum vermögen wir auch eine irgendwie parteipolitiſch gefärbte Jugendpflege nicht zu unterſtützen. Nach unſerer Meinung kann aber von einer tendenziöſen Jugend⸗ pflege in Charlottenburg nicht die Rede ſein. Mit beſonderer Freude haben meine Freunde aus der Mitteilung des Magiſtrats erſehen, daß ſich eine große Au,aahi Charlottenburger Bürger in ſelbſt⸗ loſer Weiſe in den Dienſt der Jugendpflege geſtellt hat. Es handelt ſich dabei um Männer und Frauen aus den verſchiedenſten Ständen und Berufsklaſſen. Dieſen Mitbürgern gebührt unſer beſonderer Dank. Es kann doch wohl kein Zweifel darüber beſtehen, daß die Jugendpflege, deren hohe Bedeutung für die Zu⸗ kunft unſeres Volkes niemand verkennt — die So⸗ zialdemokratie am allerwenigſten —, ſteht oder fällt, je nachdem ſie die opferwillige Mithilfe weiter Volks⸗ kreiſe findet oder nicht. Ich möchte daher mit dem aufrichtigen Wunſche ſchließen, daß es der Charlotten⸗ burger Jugendpflege niemals an der Opferwilligkeit der Bürgerſchaft fehlen möge! Das Ereignis, das wir vor Eintritt in die Tagesordnung erlebt haben, ſcheint mir ein günſtiges Omen für die weitere Ent⸗ wicklung der Charlottenburger Jugendpflege zu ſein. (Bravo!) Sitzung vom 22. Januar 1913 (Die Verſammlung nimmt Kenntnis.) Vorſteher Dr. Frentzel: Meine Herren! Ich möchte Ihnen mitteilen, daß von verſchiedenen Kol⸗ legen der Antrag geſtellt worden iſt, Nr. 20 unſerer Tagesordnung hinter Nr. 8 zu ſtellen, alſo vorzu⸗ nehmen, nachdem Nr. 8 erledigt ſein wird. Wenn ich keinen Widerſpruch höre, nehme ich an, daß die Verſammlung damit einverſtanden iſt. — Es iſt kein Widerſpruch erfolgt; wir werden alſo Punkt 20 nach Punkt 8 verhandeln. Wir kommen jetzt zu Punkt 4 der Tagesordnung: Mitteilung betr. Defektenverfahren gegen den Haupt⸗ rendanten Bartels. — Druckſache 5. Stadtv. Otto: Meine Herren! Die erſte Mit⸗ teilung in dieſer Angelegenheit erhielten wir am 30. Oktober v. J. Ich hatte damals die Ehre, im Namen ſämtlicher Gruppen dieſer Verſammlung die Erklärung abgeben zu dürfen, daß die Stadtverord⸗ netenverſammlung vom Magiſtrat weitere Mit⸗ teilungen erwarte und daß ſie ſich vorbehalte, in dieſer Angelegenheit einen Ausſchuß einzuſetzen. Weitere Mitteilungen in der Angelegenheit liegen uns heute vor. Sie ſind wenig tröſtlicher Natur. Aber wer die Mitteilung aufmerkſam durchlieſt, wird zugeben müſſen, daß man der Auffaſſung, die der Magiſtrat am Schluſſe der Mitteilung ſeinerſeits präziſiert, bei⸗ treten muß. Der Magiſtrat ſtellt in dieſer Mit⸗ teilung weitere Mitteilungen an die Stadtverordneten⸗ verſammlung in Ausſicht. Angelegenheit indirekt berühren, konnte man auch in geſtrigen amtlichen Veröffentlichungen der Gerichte finden. Es iſt begreiflich, daß die ganze Angelegenheit in weiten Kreiſen der Bürgerſchaft Aufſehen hervor⸗ gerufen hat, und es iſt vielleicht auch entſchuldbar, daß die abenteuerlichſten Gerüchte die Bürgerſchaft durchſchwirren. Aus dieſem Grunde ſcheint es gewiß im Intereſſe der Bürgerſchaft liegend, wenn wir heute ſeitens der Stadtverordnetenverſammlung be⸗ ſchließen, die Mitteilung des Magiſtrats einem Aus⸗ ſchuſſe zu überweiſen. Der Ausſchuß wird unter Um⸗ ſtänden ſehr ſubtile Prüfungen vorzunehmen haben; er wird aber in der Lage ſein, auf Grund dieſer Prüfungen auch eine gewiſſe Beruhigung in die Bürgerſchaft zu tragen. Aus dieſen Gründen ſtelle ich den Antrag, die Mitteilung des Magiſtrats einem Ausſchuſſe von 15 Mitgliedern zu überweiſen. Oberbürgermeiſter Schuſtehrus: Ich möchte auf die Anfrage, die an uns gerichtet iſt, bemerken, daß wir alle im Magiſtrat und, ich glaube, auch in der Stadtverordnetenverſammlung das aller⸗ größte Vertrauen dem Manne entgegengebracht haben und wie aus dem Himmel gefallen waren, als wir hörten, daß er Veruntreuungen begangen hat, wie ſie ſich nachher herausgeſtellt haben. Wir haben weder von ſeinen amtlichen Veruntreuungen noch von ſeiner unzuläſſigen Tätigkeit im Privat⸗ verkehr irgendeine Ahnung gehabt; wir ſind voll⸗ ſtändig überraſcht worden. Wir haben an den Mann als an einen tüchtigen, zuverläſſigen Beamten geglaubt und haben ihm alle ohne Ausnahme in der Verwaltung Vertrauen entgegengebracht. Mitteilungen, die dieſe