28 die Entſtehung I. . in vollſtem Sinne des Wortes bieten können. Andererſeits kann ich einige Bedenken nicht zurückhalten, namentlich dann, wenn ich mir das uns letzthin zugegangene ſtatiſtiſche Jahrbuch inbezug auf die berufliche Zuſammenſetzung der Bevölkerung Charlottenburgs näher anſehe. Ich kann um ſo mehr meine Bedenken nicht zurückhalten, wenn ich an den kleinen Sprachſchnitzer denke, der dem Herrn Referenten immerfort paſſierte, als er von der Ba u gewerksſchule ſprach. Meiner Meinung nach iſt unſere Bevölkerung beruflich nicht ſo zuſammen⸗ geſetzt, daß wir die Kunſtgewerbeſchule in dem Um⸗ fange errichten und erhalten können, wie das hier in der Vorlage zum Ausdruck gekommen iſt. Ich habe hier den Bericht unſerer ſtädtiſchen Kunſtgewerbeſchule vom letzten Jahre zur Hand ge⸗ nommen und daraus feſtſtellen können, daß die reinen Kunſtgewerbe im Sommer nur 169, im Winter 362 Schüler und Schülerinnen zählten. Hierbei ſind außerdem noch unter den Malern nicht nur die Gehilfen, ſondern auch die Lehrlinge mit eingerechnet. Wenn wir nun die Lehrlinge abziehen — und das ſoll in Zukunft geſchehen —, dann bleiben tatſäch⸗ lich nur 86 reſp. 192 Schüler übrig, und mit einer ſo kleinen Zahl kann man meiner Meinung nach keine reine Kunſtgewerbeſchule begründen und auf⸗ rechterhalten. Es könnte uns dann leicht ſo ergehen, wie es Magdeburg ergangen iſt. Dort befand ſich eine kleine Kunſtgewerbeſchule, die von der Stadt unterhalten wurde und nur mühſam ihr Daſein friſtete. Sie koſtete ſo viel Geld, daß die Stadt ſchließ⸗ lich bat: lieber Staat, übernimm du die Anſtalt. Sie iſt jetzt tatſächlich eine königliche Anſtalt ge⸗ worden. Wenn wir die Zahlen, die für Charlottenburg in Frage kommen, überblicken, ſo ergibt ſich folgendes Bild. Charlottenburg hat Berufszugehörige: 10 827 als Metallarbeiter, 16 000 als Arbeiter für Ma⸗ ſchinen, Inſtrumente und Apparate, 28 000 als Ar⸗ beiter im Baugewerbe, aber nur, ſage und ſchreibe, 1571 in künſtleriſchen Gewerben ſtehende Perſonen, die ſich um 5162 ſteigern würden, wenn wir die dem Holzgewerbe zugehörigen Arbeiter dazu rechnen; es kommen nur 29 reſp. 80 Lehrlinge in den beiden letzten Kategorien in Betracht. Noch trauriger ſehen die Verhältniſſe mit Rück⸗ ſicht auf die Errichtung der reinen Kunſtgewerbe⸗ ſchule aus, wenn wir nach unſerem ſtatiſtiſchen Jahr⸗ buch einmal die Zahl unſerer Innungslehrlinge feſt⸗ ſtellen. Da kommen wir zu ganz eigenartigen Ziffern. Es weiſen unſere Innungen auf: die Glaſer 40 Lehrlinge, die Tiſchler 62, Maler 92, Gas⸗ und Waſſerleitung 28, Klempner 36, Schmiede 17, Maurer 28, Schloſſer 160, Stell⸗ und Rademacher 3. Außerhalb der Zwangsinnungen — und das iſt das Entſcheidende — finden wir dagegen ganz erheblich größere Zahlen: 295 Lehrlinge als Metallarbeiter, 347 für Maſchinenbau und 357 für das Baugewerbe. Dagegen kommen für die rein künſtleriſchen Gewerbe nur 29 in Betracht. Dieſe Zahlen weiſen mit Notwendigkeit darauf hin, daß Charlottenburg eigentlich nicht der Ort iſt, um hier mit enormen Koſten eine Kunſtgewerbeſchule zu erhalten, ſondern daß unſere Stadt viel mehr ge⸗ eignet iſt, eine Baugewerkſchule oder eine Maſchinen⸗ bauſchule zu begründen. In dieſer Beziehung iſt uns, wie den Herren Kollegen bekannt ſein dürfte, Neukölln zuvorgekommen. Dort wird eine in größe⸗ Sitzung vom 22. Januar 1913 rem Maßſtabe zugeſchnittene Baugewerkſchule errich⸗ tet. Der Miniſter des Innern und auch der Handels⸗ miniſter haben wiederholt betont, was uns in der näheren Umgebung von Berlin not tut, und das ſind nicht Kunſtgewerbeſchulen, ſondern Baugewerkſchulen. Wir haben in Berlin eine Baugewerkſchule, die aber überfüllt iſt. Sonſt iſt in der Nähe von Charlotten⸗ burg keine derartige Einrichtung. Wenn der Sohn eines Charlottenburger Bürgers eine Baugewerk⸗ oder eine Maſchinenbauſchule beſuchen will, muß ihn der Vater unter ſchweren Opfern entweder nach Gör⸗ litz, Frankfurt a. O., Stettin oder ſonſt wohin ſchicken; in Charlottenburg iſt für die große Anzahl junger Leute, die hier in Frage kommen, keine Ge⸗ legenheit geboten. Auch Berlin hat keine reine Kunſt⸗ gewerbeſchule; es beſteht eine ähnliche Einrichtung nur in dem Kunſtgewerbemuſeum. Berlin ſelber hat in weiſer Vorausſicht nicht eine Kunſtgewerbeſchule, ſondern eine techniſche Mittelſchule errichtet, eine Schule in dem Sinne, wie ich ſie hier auch empfehlen möchte. Zu einer reinen Kunſtgewerbeſchule gehört ein umfaſſendes Muſeum, wie es die königliche Anſtalt in Berlin aufzuweiſen hat:; es genügen nicht kleine Sammlungen, wie wir ſie vielleicht in Charlotten⸗ burg zuſammentragen könnten. Eine reine Kunſt⸗ gewerbeſchule erfordert einen großen Koſtenaufwand, und die Unkoſten, die unſere jetzige Kunſtgewerbe⸗ ſchule verurſacht, ſind ſehr bedeutend. Wir arbeiten mit einem Etat von 198 380 ℳ. Wenn wir auch einen Staatszuſchuß von 50 000 ℳ erhalten und auch über 13 000 ℳ Einnahmen aus dem Schulgeld beziehen, ſo muß man doch bedenken, daß die koloſſale Summe von 135 357 ℳ ſich nur auf eine beſchränkte Anzahl von Schülern verteilt. Ich vermeide es aus⸗ zurechnen, wieviel ein Schüler der reinen Kunſt⸗ gewerbeſchule der Stadt Charlottenburg koſten würde. Aus allen dieſen Gründen glaube ich, daß es ſich empfehlen wird, die Vorlage einem Ausſchuß zu überweiſen, und ich bitte Sie, namens meiner Frak⸗ tion dieſem Antrage zu entſprechen. Stadtrat Dr Schmitt: Meine Herren! Es ſind hier von dem Herrn Stadtverordneten Rieſenberg ganz neue Geſichtspunkte entwickelt worden, zu denen ich doch Stellung nehmen muß; es könnte ſonſt den Anſchein erwecken und das iſt ja auch tatſächlich ausgeführt worden , als wenn die Kunſtgewerbe⸗ ſchule nach den in Ausſicht genommenen Reorgani⸗ ſationsplänen in ihrer Schülerzahl vollſtändig her⸗ nfergehen würde, ſo daß ſchließlich nur 80 bis 90 Schüler übrigbleiben, für die wir dann dieſe unge⸗ heuren Aufwendungen machen müßten. Meine Herren, Sie können mir zutrauen, daß ich vorſichtig und umſichtig genug bin, um mich nach allen dieſen Seiten hin ſehr genau zu informieren und zu ſichern, um auch tatſächlich zu wiſſen, wohin wir eigentlich ſteuern. Danach zeigt ſich ein ganz anderes Bild, als es uns eben vorgeführt worden iſt. Es verbleiben, wenn Sie dieſe Reorganiſationsvorſchläge annehmen und eine ſaubere Scheidung der Hand⸗ werke und Kunſthandwerke durchführen und alle Handwerkerklaſſen zur Gewerbeſchule hinüberſchieben, wohin ſie gehören, bei uns zunächſt an Tagesſchülern bis zu 150 und an Abend⸗ und Sonntagsſchülern bis 450, alſo eine Anzahl von ungefähr 600 Schülern. Es iſt ganz natürlich, daß jetzt eine Verminderung der Schülerzahl eintreten wird und eintreten muß. Ein Unalück iſt es aber, wenn eine Schule auf große Schülerzahlen hinarbeitet, und das iſt zum Nachteile