32 Hier kann unzweifelhaft feſtgeſtellt werden, daß der Markt für zweite §y⸗ potheken im Laufe der Zeit nahezu gan z geſchwunden iſt. (Sehr richtig!) Die Gründe, die vorangeführt ſind, gelten natürlich auch hierfür. Bei den zweiten Hypotheken kommt jedoch noch etwas ſehr Weſentliches hinzu, was erſt in den letzten Jahren mehr und mehr bemerkt und dadurch fühlbar geworden iſt. Das ſind die Lücken des deutſchen Hypothekenrechtes. Es ſind in unſerm Hypothekenrecht namentlich drei Män⸗ gel, die zu einer ſchweren Verletzung des Gläubigers zweiter Hypotheken führen. Ich werde ſie wenigſtens kurz hier anführen; ich werde auch nachher ſagen, weshalb ich es tue, obwohl ich ja weiß, daß ſie allen Anweſenden wahrſcheinlich bekannt ſind. Meine Herren, das Eine, was unſere Hypo⸗ thekengeſetzgebung verſäumt hat, iſt, daß ſie das für den Hypothekengläubiger ſichergeſtellt hat, was eigent⸗ lich und hauptſächlich die Sicherheit für die Verzin⸗ ſung der Hypothek bietet, nämlich die Miete und die Pacht. Die Haftbarkeit von Miete und Pacht iſt zwar theoretiſch vorhanden, aber ſie iſt völlig dadurch durchlöchert, daß der Beſitzer nicht nur darüber verfügen kann, ſondern daß auch Dritte auf dem Wege der Pfändung darüber ver⸗ fügen können ſolange, bis der Gläubiger in der Lage iſt, auf Grund ſeiner rechtlichen Befugniſſe eine Be⸗ ſchlagnahme auszubringen und dieſe Beſchlagnahme auch wirklich ausbringt. Das Zweite, was hier zu erwähnen iſt, iſt die Möglichkeit der 3inszeſſionen, die Möglich⸗ keit, daß der erſte Hypothekengläubiger einem Dritten, der die Zinſen der erſten Hypothek bezahlt, die Zin⸗ ſenforderung zediert und daß nachher dieſe Zinſen⸗ forderung, ohne daß der zweite Gläubiger eine Ahnung hat, ſich zwiſchen die erſte und zweite Hypo⸗ thek ſchiebt und gewöhnlich oder wenigſtens in vielen e. zu einer Entwertung der zweiten Hypothek führt. 7 Das Dritte, was vielleicht das Schlimmſte iſt, das iſt die ungeheure Ueberlaſt ung des Er⸗ ſtehers in der Z3wangsverſteigerung; das iſt, daß bei der Zwangsverſteigerung außer durch die Fälligkeit der erſten Hypothek, auch durch die außerordentlich hohe Summe von Stempel und Koſten — bekanntlich wird der Berechnung hierfür nicht der tatſächlich bei der Zwangsverſteigerung er⸗ zielte Preis zugrunde gelegt, ſondern der gemeine Wert, der auf Grund einer Schätzung ermittelt wird —, daß durch alle dieſe Maßnahmen ſchließlich eine Laſt herauskommt, die der zweite Hypotheken⸗ gläubiger — und hier darf man getroſt ſagen: im Regelfalle — zu tragen nicht imſtande iſt. Meine Herren, ich habe dieſe Mängel der Hypo⸗ thekengeſetzgebung angeführt, obwohl ich wiederum weiß, daß wir unmittelbar nichts daran ändern kön⸗ nen; denn es iſt Sache der Geſetzgebung. Aber ich meine, daß gerade hier ſich ein e Aufgabe zur Befruchtung der Geſetzgebung für die Städtetage böte, für die deutſchen Städtetage, für die preußiſchen und für die brandenburgiſchen Städtetage, die ſehr oft viel weniger wichtige Dinge auf ihren Tagungen verhandeln. (Bravol) Sitzung vom 22. Januar 1913 Die Städtetage hier ſind die Verhältniſſe in großen Städten und kleinen Städten ganz gleich, hier iſt ein harmoniſches Intereſſe von allen Städten des Deutſchen Reiches vorhanden ſollten ihren Ein⸗ fluß auf die Geſetzgebung durch Reſolutionen und durch immer wiederholte Faſſung von Reſolutionen aufbieten, damit die Hypothekengeſetzgebung eine ent⸗ ſprechende Reform erfährt. Ich glaube auch, daß es möglich wäre, die Reform herbeizuführen; denn be⸗ rechtigte Intereſſen werden dadurch nicht gefährdet, und ſo gut man das Bürgerliche Geſetzbuch wenige Jahre nach ſeinem Inkrafttreten der Haftung des Tierhalters wegen geändert hat, ebenſo gut und noch leichter wird man ſich dazu entſchließen können, aus derartigen ſchwerwiegenden Gründen an eine Reform der Hypothekengeſetzgebung heranzugehen. Alle dieſe Momente, die ich kurz zuſammengefaßt habe, haben nun dazu geführt, daß heute die Gläubi⸗ ger der zweiten Hypotheken, ſoweit ſolche notabene überhaupt noch gefunden werden, in überaus häufigen Fällen und namentlich in ſolchen, wo ihnen nicht ſtarke Kontrahenten gegenüberſtehen, die Lage zu privaten Verträgen ausnutzen, die äußerſt bedenklicher Art ſind. Sie wiſſen, daß von denjenigen, denen man Geld für eine zweite Hypothek gibt, nicht nur ein hoher Zinsfuß gefordert, ſondern außerdem eine Abſchlußproviſion verlangt wird — nicht für die Vermittlung, ſondern dafür, daß man das Geld gibt, wofür man doch ſchon die Zinſen erhält; und Sie wiſſen, daß ein „Damno“ berechnet wird, der beſonders hoch iſt, wenn ſich der Gläubiger dazu verſteht, von ſeinem Kündigungs⸗ recht einige Jahre keinen Gebrauch zu machen. Kurz und gut, es herrſcht hier eine unzweifelhafte Notlage, eine Notlage, unter der nicht nur die ſchwachen Ele⸗ mente des Haus⸗ und Grundbeſitzes leiden, ſondern auch die ſoliden, der geſamte Mittelſtand der Haus⸗ und Grundbeſitzerklaſſe. Meine Herren, es fragt ſich nun zunächſt, ob dieſe allgemeinen Betrachtungen auf Charlotten⸗ burg in vollem Umfange zutreffen. Ich glaube, ſagen zu dürfen und im Intereſſe unſeres Grund⸗ beſitzes ſagen zu müſſen, daß hier die Lage nicht ſchlimmer iſt als anderswo, daß ſie vielleicht teilweiſe nicht ſo ſchlimm iſt. Zum mindeſten im letzten Jahre hat ſich in Charlottenburg das Ergebnis ſowohl der freiwilligen Verkäufe als der Zwangsverſteigerungen günſtiger geſtaltet als im Durchſchnitt von Berlin, wobei allerdings mit in Betracht kommt, daß gewiſſe beſondere Umſtände mitwirkten, auf der einen Seite zur Steigerung der freiwilligen Verkäufe der Verkauf der Häuſer am Kurfürſtendamm, auf der andern Seite zur Verringerung der Zwangsverſteigerungen der Mangel an Bautätigkeit. Aber trotzdem können wir doch davon ausgehen, daß bei uns keines⸗ wegs abnorm ungünſtige Zuſtände o bwalten, und ich lege gerade im Intereſſe der Kreditfähigkeit des Charlottenburger Grundbeſitzes auf dieſe Tatſache einen ganz beſondern Ton. Ich werde damit auch um ſo weniger einem Widerſpruche begegnen, als es keineswegs dazu führt, etwa Maß⸗ nahmen, wie ſin in dem Antrage gefordert ſind, für überflüſſig zu erachten. Dieſe Maßnahmen werden gerade um ſo wertvoller ſein, je mehr ſie ſich von vornherein nicht darſtellen als den Verſuch, einen Brunnen zuzudecken, nachdem das Kind ins Waſſer gefallen iſt, ſondern je mehr ſie ſich darſtellen als Vorbeugungsmaßnahmen, mit denen noch Erfolge praktiſcher Art erzielt werden können.