Sitzung vom 22. Januar 1913 Eine andere Frage, die hier zu erörtern iſt — und dieſe Frage iſt auch in anderen Kommunen aufgeworfen und teilweiſe ſogar verneint worden, iſt die, ob die Stadtverwaltungen über⸗ haupt dafür zuſtändig ſind, derartige Maß⸗ nahmen zu ergreifen. Meine Herren, diejenigen, die das verneinten, ſind davon ausgegangen, daß es ſich um Maßnahmen für einen Teil der Bevölkerung handelt. Ich halte das zunächſt nicht für richtig. Es trifft nicht zu, daß mit ſolchen Maßnahmen nur dem Haus⸗ und Grundbeſitz ſelber geholfen werden ſoll. Wer das meint, der verkennt, wie außerordentlich ſtark die Verbindungen zwiſchen dem Haus⸗ und Grundbeſitz mit vielen anderen Berufen und Gewerben der Bevölkerung ſind; der verkennt, daß unter der Notlage des Haus⸗ und Grundbeſitzes die ganze große Kategorie der Bauhandwerker leidet, das Maklergewerbe und ſo und ſo viele andere Kreiſe der Gewerbetreibenden. Aber vor allen Dingen — und dieſer Geſichtspunkt iſt in dem Jahresbericht der Handelskammer mit Recht hervorgehoben — vor allen Dingen ſoll man doch darauf Gewicht legen, daß ſowohl ein gewiſſes Maß von Umſätzen als auch eine gewiſſe Bautätigkeit durchaus notwendig iſt im Intereſſe der Allgemeinheit. Wenn Umſätze und Bau⸗ tätigkeit ausbleiben, dann muß das mit der Zeit zu einer Wohnungsnot, zu einer Schädigung des geſam⸗ ten Wohnungsweſens führen, und deshalb liegt es im allgemeinen Intereſſe, liegt es im Inter⸗ eſſe des Haus⸗ und Grundbeſitzes, liegt es im Inter⸗ eſſe der damit verbundenen Berufe und Gewerbe⸗ ſtände, liegt es aber auch im Intereſſe der geſamten Bevölkerung und der Mieter zumal, daß wir uns mit jenen Maßnahmen ernſt und energiſchbeſchäftigen. (Sehr richtig!) Meine Herren, wenn wir uns dazu wenden: was könnenwirfürdie Beſſerungtun?, dann bin ich mir darüber klar, daß ein praktiſches Eingreifen für die Kommunen im weſentlichen wohl nur auf dem Wege der Hebung des Marktes für zweite Hypotheken in Betracht kommt. Dem Beſitze muß dazu verholfen werden, daß er zweite Hypotheken zu mäßigen, normalen Bedin⸗ gungen unterzubringen in der Lage iſt. Wie wir auch dieſes Problem nachher zu löſen verſuchen werden, ſo iſt dazu allerdings eine Vorausſetzung erforder⸗ lich, die für alle Eventualitäten gilt, das iſt näm⸗ lich, daß für ſorgfältige und zuverläſſige Taxen geſorgt werden muß. Sie wiſſen, daß zurzeit ſtaat⸗ liche Maßnahmen erwogen werden, um dieſe Frage zu regeln. Natürlich können wir dem heute nicht vor⸗ greifen. Aber das ſcheint mir ſicher, daß, wenn dieſe ſtaatlichen Maßnahmen verſagen und wenn ſtädtiſche Maßnahmen zur Hebung des Realkredits erfolgen ſollen, die Stadt ihre Bemühungen auch auf eine Reform des Taxweſens im Sinne größerer Sorg⸗ fältigkeit und Zuverläſſigkeit wird ausdehnen müſſen. Meine Herren, ich habe vorhin allgemein be⸗ jaht, daß die Städte zuſtändig ſind, Maßnahmen auf dem Gebiete zu treffen. Natürlich würde von dieſer Zuſtändigkeit ein praktiſcher Gebrauch nur dann zu machen ſein, ſobald man zu der Ueberzeugung kommt, daß ſte durch Sel bſthilfe nicht getroffen werden können. Sie wiſſen, daß Genoſſenſchaften ſich mit der Sache beſchäftigen und die Löſung in die Hand 33 zu nehmen beabſichtigen durch Gewährung von Kre⸗ dit oder durch Uebernahme von Bürgſchaften. Ich möchte nicht darüber urteilen, inwieweit dieſer Weg Ausſicht hat, zum Ziele zu führen; aber wir können uns wohl nicht darüber hinwegſetzen, daß der all⸗ gemeine Genoſſenſchaftstag noch im vorigen Jahre auf Grund einer ſehr eingehenden Erörterung ein⸗ ſtimmig erklärt hat, daß die auf dem Geſetze von 1889 beruhenden Genoſſenſchaften nicht geeignet ſind, das Immobiliarkreditbedürfnis zu befriedigen. Neu⸗ erdings iſt die Frage aufgetaucht: ſoll es geſchehen mit Hilfe der Stadt? Auch das muß natürlich ge⸗ prüft werden. Geſchieht es aber mit Hilfe der Stadt, dann iſt es keine reine Selbſthilfe mehr, dann wird die Genoſſenſchaft wieder zum Vermittler kommuna⸗ ler Maßnahmen. Ob ſie dazu nötig und geeignet iſt, iſt eine Zweckmäßigkeitsfrage. Von kommunalen Maßnahmen ſcheiden nach meiner Auffaſſung diejenigen aus, die auf die Ueber⸗ nahme von Garantien hinauslaufen. Herr Kol⸗ lege Dr Crüger hat das vor kurzem im Abgeordneten⸗ hauſe vortrefflich dargelegt, und ich möchte nur wiederholen aus ſeinen Ausführungen, daß die Ueber⸗ nahme von Garantien im großen und ganzen, was das Riſiko anlangt, der Uebernahme feſter Laſten gleichgeſtellt werden muß und daß infolgedeſſen die⸗ ſelbe Vorſicht, die gegen letztere zu üben iſt, auch gegen die Garantien obwalten muß. (Sehr richtig!) Ich habe im Anfange meiner Ausführungen her⸗ vorgehoben, daß im Jahre 1911 durch den Haus⸗ und Grundbeſitzerverein von 1895 darauf hingewieſen worden iſt, ein Pfandbriefinſtitut zu ſchaffen. Die Pfandbriefinſtitute, wie ſie damals gemeint waren, ſind für unſere heutigen Erörterungen von keiner praktiſchen Bedeutung; denn die Pfandbriefinſtitute ſind nur für erſte Hypotheken denkbar. Wenn man Pfandbriefe für zweite Hypotheken ausgeben würde, ſo würden derartige Pfandbriefe keinen Markt haben, und wenn ſie einen hätten, ſo würden ſie dort einen ſo niedrigen Kurs haben, daß der mit dieſen Pfand⸗ briefen Bezahlte noch ſchlechter wegkäme als heute mit dem größten Damno. Aber ganz abgeſehen da⸗ von, kommt die Errichtung des Pfandbriefinſtituts auch aus anderen Gründen gar nicht mehr in Be⸗ tracht. Bei der damaligen Diskuſſion iſt man davon ausgegangen, daß wir uns mit Wilmersdorf und Schöneberg zu einem gemeinſamen Pfandbriefamt vereinigen ſollten. Unterdeſſen iſt das Provinzial⸗ inſtitut für die Mark Brandenburg geſchaffen wor⸗ den, und es iſt völlig ausgeſchloſſen, daß Orte, die zur Provinz Brandenburg gehören, die Erlaubnis bekämen, ein Pfandbriefamt für ſich zu errichten. In der zweiten Diskuſſion im März 1912 iſt angeregt worden, eine Verbindung mit dem Pfandbriefamt von Berlin herzuſtellen. Nach meiner Erkundigung hat ſich Berlin hierzu ablehnend — es kommt wenig⸗ ſtens darauf hinaus— verhalten. Doch davon abge⸗ ſehen, ſind ja die vorgedachten Erwägungen, daß es ſich bei ſolchen Pfandbriefanſtalten nur um erſte Hypotheken handelt, ſchon dafür ausreichend, daß wir dieſe Form der Kreditorganiſation hier ausſchalten können. Dann darf ich an einen Vorgang von Neu⸗ kölln erinnern, der, ich glaube, vor zwei Jahren ſtattgefunden hat in Geſtalt des Beſchluſſes, die Sammelfonds bis zur Höhe von 40% in zweit⸗ ſtelligen Hypotheken anzulegen. Auf Grund dieſes