36 prüfen, ob dadurch nicht das Riſiko für die Stadt zu groß wird, ob wir noch die Verwaltung im Inter⸗ eſſe der Allgemeinheit ſicher führen können. Das iſt eine ſehr ſchwierige Frage, die zu den ſchwierigen Problemen, die der Herr Antragſteller auch nur ge⸗ ſtreift hat, wie er ſagte, noch gar nicht bis ins Innerſte durchgeſprochen hat, hinzukommen. Aber im allgemeinen, meine Herren, werden Sie ſehen, daß wir uns auf derſelben Linie befinden, die Ihnen der Herr Antragſteller vorgezeichnet hat, und ich hoffe, daß wir zu einem poſttiven Ergebnis kommen werden. (Bravo!) Wie es werden wird, ob es die Herren, die den An⸗ trag ſtellen, befriedigen wird, wird die Zukunft lehren. Was nun die gemiſchte Deputation betrifft, ſo ſtehe ich durchaus auf dem Standpunkt des Antrag⸗ ſtellers. Auch ich möchte Sie vor der gemiſchten De⸗ putation warnen. Wenn Sie die Sache ad calenda⸗ graccas vertagen wollen, ſetzen Sie eine gemiſchte Deputation ein. Wir halten es für das beſte, wenn der Magiſtrat ſich entſcheidet und Ihnen dann eine Vorlage macht, über die Sie ſich dann ſchlüſſig werden. (Sehr richtig!) Wenn wir erſt in langatmigen Verhandlungen über dieſe ſchwierigen Fragen wochenlang in einer ge⸗ miſchten Deputation beraten, ſo fürchte ich, daß wir die Angelegenheit nur verzögern und ſie ſchließlich überhaupt nicht zuſtande bringen. Ich ſchließe damit, daß ich ſage: wir ſind gern bereit, mit Ihnen zuſammen in die Beratung dieſer wichtigen, aber auch ſehr ſchwierigen Angelegenheit einzutreten, und zwar mit der Hoffnung, daß wir zu einem poſitiven Reſultat kommen werden. (Lebhafter Beifall.) Stadtv. Zietſch: Meine Herren! Bei dieſem An⸗ trag zeigt ſich für uns wieder, daß über die von den liberalen Parteien aufgeſtellten wirtſchaftlichen Grundſätze doch die Entwicklung fortgeht. Es zeigt ſich bei dieſem Antrag, der von den liberalen Herren geſtellt worden iſt, daß ſich der Standpunkt des laisser faire, laisser aller, der früher von Ihnen im wirt⸗ ſchaftlichen Leben und insbeſondere bei ſolchen Fragen eingenommen wurde, nicht aufrechterhalten läßt. Die Entwicklung zwingt auch Sie dazu, immer mehr und mehr für einzelne Berufsſtände, Geſellſchaftsklaſſen und Bevölkerungsſchichten das Eingreifen des Reiches, des Staates oder das der Gemeinde in Anſpruch zu nehmen. Dieſe Entwicklung liegt ja auch im ganzen Zuge unſerer Zeit, und Sie kommen, ob Sie wollen oder nicht, immer mehr und mehr von Ihrem frühe⸗ ren, noch viel ausgeprägteren mancheſterlichen Stand⸗ punkt ab. Und ſo ſcheint mir auch der heutige liberale Antrag wieder eine Konzeſſion an das zu ſein, was wir Ihnen als Entwicklungstendenz auf dieſem Ge⸗ biete ſchon immer vorausgeſagt haben. Es iſt aber nicht überraſchend, wie dieſe Frage mit einem Male aufgetaucht iſt. Was Sie hier vor⸗ bringen und anregen, iſt das Echo deſſen, was in Neu⸗ kölln ſchon vor zwei Jahren vor ſich gegangen iſt. Sitzung vom 22. Januar 1913 Dieſelbe Frage ſpielt jetzt in Lichtenberg eine Rolle, ſie iſt auch in Schöneberg angeregt. Und das iſt ganz erklärlich, weil überall dieſelben Vorbedingungen dazu gegeben ſind. Daß auf dem Gebiete der Hypothekenerlangung Mißſtände ernſter Art beſtehen, wird auch von meinen Parteifreunden anerkannt und zugegeben. Und über die Notwendigkeit des Eingreifens der Gemeinden auf dieſem Gebiet geht auch ſchon der Reichstag hin⸗ aus, der in der heutigen Beratung ſeiner Budget⸗ kommiſſion einen Antrag einſtimmig angenommen hat, nach dem der Reichskanzler erſucht werden ſoll, dem Reichstag bei Beginn ſeiner nächſten Tagung im Herbſt 1913 eine Vorlage zu machen, nach welcher das Reich unter gewiſſen Bedingungen die Bürgſchaft über⸗ nehmen wird für die zweiten Hy⸗ potheken der Kleinwohnungs⸗ bauten gemeinnütziger Bauge⸗ ſellſchaften in dem Bereiche von 50 bis 90 Prozent des Geſamt⸗ wertes von Boden und Bauwerk. Sie ſehen alſo, daß unter der Schwierigkeit der Er⸗ langung zweiter Hypotheken nicht nur der einzelne Grundbeſitzer, ſondern auch die gemeinnützigen Bau⸗ und Wohnungsbaugenoſſenſchaften zu leiden haben. Deswegen hängt für meine Freunde die Frage der Errichtung einer ſtädtiſchen Hypothekenbank oder der Uebernahme von Garantien durch die Stadt bei der Erlangung von Hypotheken aufs engſte mit dem Wohnungsweſen überhaupt zuſammen. Und da komme ich auf die Frage, die Herr Kollege Meyer meiner Auffaſſung nach ziemlich erſchöpfend behandelt hat, hier noch einmal ganz kurz zurück. Meine poli⸗ tiſchen Freunde haben, wie ich hervorheben darf, in der Stadtverordnetenverſammlung von Neukölln der Einrichtung einer ſolchen Anſtalt für Neukölln zuge⸗ ſtimmt. Wir erkennen alſo die ſchlechte Lage des Grundbeſitzes bei der Erlangung von zweiten und manchmal auch von erſten Hypotheken vollſtändig an, (Zuruf des Stadtv. Jolenberg.) — Nicht endlich, Herr Kollege Jolenberg —, nur ſind wir mit Ihnen nicht einig über die Urſachen der ſchlechten Lage. Insbeſondere will mir die Dekla⸗ ration, die Herr Kollege Meyer gegeben hat, nicht ganz ausreichend erſcheinen. Die ſchlechte Lage des ſtädtiſchen Grundbeſitzes kann aus dem Komplex der wirtſchaftlichen Fragen gar nicht losgelöſt werden. Sie iſt auch unter anderm eine Folge, wie ich Herrn Kollegen Meyer zugeben will, der Spekulation, auch der ungeſunden Speku⸗ lation. Nur darin bin ich mit dem Kollegen Meyer nicht einverſtanden, Unterſchiede zwiſchen berufenen % enſnefn men und — ſeiner Auffaſſung nach — unberufenen Bodenſpekulanten zu machen. Meiner Anſicht nach müßte dem Bodenſpekulantentum durch⸗ weg der Boden abgegraben werden. Eine Urſache des Bodenſpekulantenweſens und vor allen Dingen auch ein Anlaß der jetzt ſo prekären Lage der einzelnen Grundbeſitzer liegt aber darin, daß dem privaten Bodenſpekulantentum immer genügend Boden zur Spekulation ausgeliefert war, daß man nicht auf unſere Anregungen — daß die Stadt eine geſunde Boden⸗ und Wohnungspolitik treiben ſolle — ein⸗ gegangen iſt. Aber wenn wir eine großſtädtiſche Be⸗ bauungs⸗ und Wohnungspolitik befürwortet haben,