Sitzung vom 22. Januar 1913 haben Sie immer dem privaten Bodenſpekulantentum das Wort geredet. „(Zuruf des Stadtv. Harniſch. — Herr Kollege Harniſch, es fragt ſich, ob wir mit einer ſtädtiſchen Bodenpolitik hineingefallen wären. ( Erneuter Zuruf des Stadtv. Harniſch.) — Ach, ſagen Sie doch nicht, daß wir hineingefallen ſind. Es entſpricht eben auch wieder einer Ihrer ataviſtiſchen Anwandlungen auf dem Gebiet des Wirtſchaftslebens, (Heiterkeit) daß Sie in Ihre alten Fehler zurückfallen. Ihr Vater, der vielleicht liberal geweſen iſt, hätte mit Schrecken daran gedacht, daß die Gemeinde Gebiete für ſich in Anſpruch nehmen könnte, die der Ausnutzung im Intereſſe des geheiligten Privatprofits vorbehalten ſein ſollten. (Zuruf des Stadtv. Harniſch.) — Vielleicht nicht Ihr Vater, ſondern ein Ihnen in Ihrer Geſinnung Vorhergehender; ich nehme ja nicht ohne weiteres an, daß Ihr Vater den liberalen Ge⸗ danken geſchaffen hat. Jedenfalls iſt der heutige An⸗ trag ein Beweis dafür, daß Sie ſich im Laufe der Zeit in Ihren wirtſchaftlichen Anſchauungen ändern und ſich unſeren Anſchauungen zum großen Teil an⸗ bequemen mußten. (Zuruf des Stadtv. Dr Crüger.) — Bei Ihnen, Herr Kollege, gebe ich alle Hoffnung auf: (Große Heiterkeit) Sie ſcheinen mir unverbeſſerlich zu ſein. — Aber 2s Bodenſpekulantentum ſtützt ſich eben zum Teil auf Ihren Liberalismus, den Sie in den Gemeinden be⸗ tätigt haben. Ich gebe Herrn Kollegen Meyer auch darin nicht Recht, daß die drückenden Steuern dieſe Hypotheken⸗ bedrängnis in dem Maße verurſachen könnten, wie er es dargeſtellt hat. Die Wertzuwachsſteuer, auf die Sie hingewieſen haben, iſt ja viel jüngeren Datums als die Hypothekennot. Man hatte die Schwierig⸗ keiten bei der Beſchaffung zweiter Hypotheken ſchon lange vorher und bereits zu einer Zeit, als an eine Wertzuwachsſteuer noch nicht zu denken war. (Zuruf.) — Sie haben in Charlottenburg die Wertzuwachs⸗ ſteuer noch gar nicht recht in Kraft treten ſehen, als ſchon die Reichswertzuwachsſteuer dazwiſchen kam, die Ihnen das bißchen Fett, das ärmlich auf der Suppe ſchwamm, weggenommen hat. Seit zwei Jahren haben Sie auch erſt die Reichswertzuwachs⸗ ſteuer. Alſo dieſe kann von Ihnen nicht als Sünden⸗ bock für die ſchlechte Lage der Grundbeſitzer in An⸗ ſpruch genommen werden. Und wenn Sie darüber klagen, daß die Umſatz⸗ ſteuer heute trotz der Wertzuwachsſteuer aufrecht⸗ 37 erhalten wird, daß die Verſprechungen der Regierung, die auch in einem der letzten Paragraphen des Wert⸗ zuwachsſteuergeſetzentwurfs enthalten geweſen ſind, nicht eingelöſt worden wären, Herr Kollege Meyer, dann liegt das an unſeren ganzen politiſchen Partei verhältniſſen, die wir in der geſetzgebenden Körper⸗ ſchaft des Reiches haben, dann liegt das zum Teil aber auch an dem ungeheuer energieloſen Widerſtand ge⸗ rade Ihrer Freunde auf dem Gebiet der Steuerpolitik. (Zuruf des Stadtv. Jolenberg.) — Herr Kollege Jolenberg, wer will denn die Tat⸗ ſache ableugnen; das, was Sie andeuten, habe ich ja vorhin zugegeben. Dann kommt noch etwas anderes hinzu; Herr Kollege Meyer hat auch ſchon darauf hingewieſen. In Verbindung mit dem Beſtreben, die flüſſigen Kapi⸗ talien heute mit beſonderer Vorliebe in induſtriellen Werten anzulegen, iſt natürlich auch eine Entziehung der Mittel auf dem Hypotheken⸗ und Pfandbrief⸗ markt zu konſtatieren. Aber Sie wiſſen doch auch, Herr Kollege Meyer, daß Sie nicht mit iraend welchen Preſſionsmitteln eine Bewegung rückgängig machen können, die auch wieder in der ganzen imperialiſtiſchen Anſchauung Ihrer Parteifreunde gleichzeitig mit be⸗ gründet iſt. (Stadtv. Meyer: Darauf kommt es ja gar nicht an!) — Ja, wenn Sie nicht alle dieſe Dinge mitmachen und dazu beitragen würden, das Kapital ins Ausland zu tragen, hätten Sie doch die Notlage auf dem hei⸗ miſchen Hypothekenmarkt nicht. Jedenfalls hängen dieſe ganzen Fragen zu⸗ ſammen, und wir erkennen ohne weiteres die Notlage der Hypothekenſuchenden an. Es fragt ſich nur, auf welche Weiſe der Not zu begegnen ſein wird. Ob es auf dem Wege geſchieht, den Neukölln beſchritten hat, oder auf dem Wege, den Lichtenberg beſchreiten will, oder wie es in Schöneberg verſucht werden ſoll, jeden⸗ falls werden wir ja auf dieſe Frage nachher, wenn uns die Magiſtratsvorlage unterbreitet werden wird, noch eingehender zu ſprechen kommen. Meine Freunde wünſchen, daß die Ma⸗ giſtratsvorlage, wenn eine Erleichterung in der Hypo⸗ thekenerlangung geſchaffen werden ſoll, vor allen Dingen auch mit einer geſunden Wohnungspolitik in Charlottenburg in Verbindung gebracht wird, und wir denken uns, daß in erſter Linie durch eine ſolche ſtädtiſche Hypothekengewährung bebaute Grund⸗ ſtücke berückſichtigt und für unbebaute Grundſtücke nur zum Zwecke der Be bauung des Grund⸗ ſt ücks Gelder gegeben werden ſollen. (Sehr richtig!) Daran liegt uns natürlich ſehr viel, und das würde ja vollſtändig konform ſein mit denjenigen Beſtim⸗ mungen, die heute ſchon in dem Neuköllner Statut enthalten ſind und die zweifellos auch in die Lichten⸗ berger und Schöneberger Vorſchriften mit aufge⸗ nommen monen Dann würden wir natürlich wünſchen und dar⸗ auf dringen, daß bei der Gewährung — ſtädtiſchen Hypothekengeldern in allererſter Linie Beſitzer von Grundſtücken mit kleinen Wohnungen be⸗ rückſichtigt würden. Wir haben ohne Frage nicht nur