86 letzten 10 Jahren ſo glücklich geweſen ſind, mit 100% Einkommenſteuer auszukommen. Wir haben in dieſer Zeit — ich glaube, das ausſprechen zu dürfen — ſehr viel geleiſtet; es ſind mit dieſem gleichbleibenden Pro⸗ zentſatz, den wir ja nur deshalb haben halten können, weil wir eine abnorm günſtige Entwicklung zu ver⸗ zeichnen gehabt haben, Leiſtungen aufzuweiſen ge⸗ weſen, wie ſie vielleicht ſelten in einer Stadt vorhan⸗ den waren. Aber, meine Herren, wir haben auch gleichzeitig unſeren Anleihedienſt in ganz immenſer Weiſe anſpannen müſſen. Wir haben das bewußt und vor allen Dingen deshalb tun müſſen, weil, wenn der Zuzug nach Charlottenburg andauern ſollte, dann ſelbſtverſtändlich alle die modernen Einrichtungen vorhanden ſein mußten, die die zuziehenden Leute, die viel Steuern zahlen wollen und zahlen ſollen, ſelbſtverſtändlich auch haben müſſen. Denn wenn Sie z. B. nicht moderne höhere Schulen bauen, wenn Sie nicht hinfichtlich des Straßenpflaſters und auch auf allen möglichen anderen Gebieten wirklich etwas leiſten, ſo können Sie nicht erwarten, daß ein ſteuer⸗ kräftiges Publikum ſich Charlottenburg zum Wohnort auserſieht. Meine Herren, ich glaube, wir ſollen heute, wenn wir uns das alles vorhalten, nun nicht etwa ins Klagen verfallen und ſagen, daß vielleicht dieſer oder jener Bau etwas weniger opulent hätte ausgeführt, daß an dieſer oder jener Stelle etwa 50 000 hätten geſpart werden können. (Stadtv. Dr Liepmann: Viel mehrl) — Sie ſagen: viel mehr; nun, Sie haben es ja mit beſchloſſen. Geweſenes zu ſprechen, ſondern wir ſollen die Dinge ſo nüchtern betrachten, wie ſie nun einmal ſind. Meine Herren, Sie können berückſichtigen, welche Verhält⸗ niſſe im Leben Sie wollen: Beſſerwiſſer und Leute, die vorher gewußt haben, daß alles ſo kommt, (Heiterkeit und Zuſtimmung) Leute, die vorher ſagten, es könnte nicht anders ſein, gibt es im Leben immer, (Sehr richtigl) und zwar nicht bloß beim Etat, (Sehr richtigl) ſondern auch bei anderen Dingen. (Zuſtimmung.) Aber das Unglück iſt eben, daß dieſe Beſſerwiſſer nie⸗ mals da ſind, wenn man ſie im Leben einmal ge⸗ brauchen kann, (Sehr richtigl) wenn ſie nämlich ihre koloſſale Vorweisheit wirklich einmal verzapfen und irgend ein Unheil damit hätten verhüten können. Meine Herren, dieſe Beſſerwiſſer werden auch heute aufſtehen. (Stadtv. Dr Liepmann: Jal — Stadtv. Dr Crüger: Er meldet ſich ſchon! — Große Heiterkeit.) Ich glaube, es hat keinen Zweck, über Sitzung vom 19. Februar 1913 Ich habe keinen beſonderen Herren im Auge gehabt; wenn aber innerhalb dieſes Saales keiner ſein ſollte, ſo werden ſie ſich außerhalb dieſes Saales finden. Ich glaube aber, daß wir uns über die Worte dieſer Leute nicht weiter grämen, ſondern dann nur ſagen ſollen, ſie möchten uns doch für die Zukunft das All⸗ heilmittel verſchreiben, das uns jedenfalls auch auf dem Gebiete der Finangzpolitik jede Enttäuſchung erſpart! Aber eins iſt ſicher: wenn wir das auch alles be⸗ rückſichtigen, und wenn Sie mit uns, was ich hoffe, beſtimmt hoffe und heute auch glaube, die 110% be⸗ ſchließen, (Heiterkeit.) dann werden wir, wenn wir dieſe 110% eine Zeit lang innehalten wollen, uns darüber klar ſein müſſen, daß wir auch bei dem erhöhten Steuerzuſchlage die größte Sparſamkeit weiter walten laſſen müſſen, (Sehr richtig!) die größte Sparſamkeit im Ordinarium, d. h. bei den ordentlichen Ausgaben, die größte Sparſamkeit auch bei den außerordentlichen Ausgaben, Sparſamkeit bei den Bauten und Spar⸗ ſamkeit auch auf Gebieten, auf denen es vielleicht vielen nicht ſo bequem iſt. Ich nenne z. B. noch e in mal wieder das Gebiet der Sozial⸗ politikl! Wir wollen deswegen durchaus nicht eng⸗ herzig werden, wir wollen die Entwicklung um Gottes willen nicht aufhalten, wir wollen durchaus überall einen geſunden Fortſchritt fördern und in aller und jeder Entwicklung vorangehen. Aber auf der anderen Seite werden wir uns jedenfalls ſagen, daß eine weiſe Beſchränkung nottut! Engherzig dür⸗ fen wir ſchon deshalb nicht werden, weil ſonſt der Fall eintreten könnte, den ich vorhin ſchon berührte, daß wir nämlich ſonſt unter Umſtänden ſel b ſt das Hemmnis für einen guten ſteuerkräftigen Zuzug ſein könnten. Denn, meine Herren, darüber ſind wir uns klar — und der Beweis dafür iſt wiederum hier in dieſem Etat erbracht —: unſere geſunde Baſts bildet lediglich ein guter dauernder ſteuerkräftiger Zuzug, und ſobald dieſer ſteuerkräftige Zuzug nachläßt, kom⸗ bunet wir ſelbſtverſtändlich in ſchwere Verhältniſſe inein. Nach dieſer Richtung hin und in dieſem Willen möchte ich Sie heute noch einmal bitten, Finanzpolitik zu treiben. Denn, meine Herren, ſeien Sie ſich über das eine klar: mehr denn je wird gerade in den näch⸗ ſten Jahren die Entwicklung der Stadt von einer zwar weitausſchauenden, aber doch auch geſunden und vorſichtigen Finanzpolitik abhängig ſein! (Lebhafter Beifall.) Stadtv. Wöllmer: Meine Herren! Ich bean⸗ trage zunächſt wie üblich, den Etat einem Ausſchuß von 15 Mitgliedern und 15 Stellvertretern zu über⸗ weiſen. Der Herr Kämmerer hat eine groß angelegte, bedeutende Rede nicht nur über unſern Etat, ſon⸗ dern über unſere geſamten . ja über die. Finanzverhältniſſe und die Finanzgebarung Groß⸗ Berlins gehalten, und wir werden gewiß alle ſeinen Ausführungen mit großer Aufmerkſamkeit und großem Intereſſe gefolgt ſein.