88 Meine Herren, wir haben im Jahre 1912 nur das getan, was der Magiſtrat im Jahre 1910 ſelbſt getan hat, und ich möchte mir geſtatten, weil gerade dieſer Teil der Rede des Herrn Kämmerers aus dem Jahre 1910 ſo recht illuſtriert, in welcher Weiſe ſich die Anſichten des Magiſtrats über die Finanzgebarung geändert haben, dieſen Teil aus der Rede des Herrn Kämmerers vorzuleſen. Der Herr Kämmerer ſagte — es war alſo beim Etat 1910 und angeſichts eines Fehlbetrages von 826 000 ℳ —: Und ſo ſehr man ſich den Kopf zerbrach: es konnte uns nichts anderes übrig bleiben, als dieſe fehlenden Mittel aus unſeren Fonds be⸗ reit zu ſtellen. Wir haben deshalb die Kapital⸗ anſammlung, die beſtimmungsgemäß dem Er⸗ werbe von Grundſtücken dienen ſoll, in erſter Linie mit 300 000 %ed herangezogen, d. h. mit derjenigen Summe, die erforderlich iſt, um das Schulgrundſtück an der Kaiſerin⸗Auguſta⸗Allee zu bezahlen. Meine Herren, das iſt dem Maai⸗ ſtrat und — ich kann es ganz offen aus⸗ ſprechen — auch mir, der ſonſt gern auf den Fonds ſitzen bleibt, nicht ſchwer geworden; denn dieſer Fonds iſt dazu beſtimmt, auszuhelfen, und infolge davon war er ohne weiteres dazu geſchaffen, in dem Jahre, wo es nicht anders ging, ein Grundſtück einmal ſelbſt zu bezahlen. Der Fonds kann es ſich auch leiſten; denn er hat eine Höhe von 1 650 000 ℳ. Dagegen iſt es dem Magiſtrat ſehr ſchwer geworden, den Ausgleichsfonds weiter heranzunehmen. Es fehlten uns weitere 526 000 ℳ, und die ſchlagen wir Ihnen vor aus dem Ausgleichs⸗ fonds zu nehmen. Der Ausgleichsfonds hatte damals infolge dieſer Finanzgebarung bekanntlich nur noch einen Beſtand von rund 200 000 tℳ. Meine Herren, wenn man den Etat aufſtellt, ſo kann man von peſſimiſtiſchen oder von optimiſti⸗ ſchen Anſchauungen über die Zukunft getragen ſein. Seit drei Jahren iſt der Magiſtrat von peſſimiſtiſchen Anſchauungen erfüllt, da er immer wieder mit dieſem Antrag kommt. Die Stadwerordnetenverſammlung hat mehr eine optimiſtiſche Auffaſſung von den Ver⸗ hältniſſen Charlottenburgs gehabt. Wenn wir die Entwicklung der drei Etatsjahre betrachten, ſo kam es immer darauf hinaus, daß der Magiſtrat den Wunſch gehabt hat, mehr Fonds anzuſammeln. Ich würde es aus allgemeinen kommunalpolitiſchen Gründen nicht für richtig halten, daß der Verwal⸗ tung ein allzu großes Quantum von Fonds zur Ver⸗ fügung geſtellt wird. Die Anſammlung von vielen Fonds bedeutet zweifellos eine Stärkung des Magi⸗ ſtrats und eine gewiſſe Schwächung der Stadtver⸗ ordnetenverſammlung bei Aufſtellung des Etats. Der Herr Kämmerer hat geſagt, es ſei ſchlecht zu prophezeien. Das iſt wahr. Wir können natür⸗ lich nicht wiſſen, wie die Verhältniſſe ſich entwickeln werden; bis jetzt aber ſind alle böſen Prophezeiungen, die der Magiſtrat ſeit zwei Jahren uns gegenüber ausgeſprochen hat, nicht in Erfüllung gegangen. Ich fürchte jedenfalls, daß die Erhöhung der Steuern eher die Tendenz in ſichträgt, die Ausgaben zu erhöhen, als daß ſie den Erfolg haben wird, die Sparſam⸗ keit mehr zur Geltung kommen zu Kaff en. „ 0 (Stadtv. Dr Liepmann: Sehr richtigl) Sitzung vom 19. Februar 1913 So meine ich, meine Herren, daß, wenn wir uns nun dem Etat für 1913 zuwenden und wenn wir auch den heutigen Ausführungen des Herrn Käm⸗ merers die ſchuldige Ehrfurcht und Aufmerkſamkeit ſchenken, es doch unſere Pflicht iſt, ſorgfältig im Ausſchuß zu prüfen, ob es ſich nicht ermöglichen läßt, auch diesmal das Schickſal abzuwenden und den Zu⸗ ſchlag von 110% zur Einkommenſteuer zu vermeiden. Der Herr Kämmerer hat darauf hingewieſen, daß der Etat für das Jahr 1913 beſonders dadurch größer wird, daß wir eine Million mehr für den Anleihedienſt zu bezahlen haben. Wir haben aller⸗ dings für das Jahr 1913 ungefähr 5 330 000 ℳ Zinſen und Amortiſation für Anleihen und Sammel⸗ fonds bei der allgemeinen Verwaltung zu rechnen, abgeſehen von denjenigen Zinſen und Amortiſationen, die uns unſere Werke wieder zurückerſtatten, wäh⸗ rend im Jahre 1912 eine Million Mark weniger, alſo ungefähr 4 300 000 ℳ in dem Kapitel Anleihe⸗ dienſt erforderlich waren. Wenn ich die Ziffer von 5 330 000 ℳ zerlege, ſo finde ich, daß ungefähr 2 380 000 ℳ an Zinſen, ungefähr 2 300 000 ℳ für Amortiſationen und außerdem 650 000 ℳ zur Schaffung des Sammelfonds zu bezahlen ſind. Ich kann nicht zugeben, daß man der Finanzgebarung Charlottenburgs einen Vorwurf machen könnte, wenn wir ungefähr ebenſo viel amortiſieren, wie wir Zinſen bezahlen. Meine Herren, ich will dem Ausſchuß ſelbſtver⸗ ſtändlich nicht vorgreifen, es iſt Pflicht des Aus⸗ ſchuſſes, dieſe Frage gründlich zu prüfen: es gibt ver⸗ ſchiedene Wege, eine Erhöhung der Einkommen⸗ ſteuer zu vermeiden. Der Herr Kämmerer hat darauf hingewieſen, daß ein naheliegendes Mittel, die Einnahme zu erhöhen, die Erhebung neuer Steuern ſei. Ich teile da im großen und ganzen ſeine Anſicht, daß wir jedenfalls für den vor⸗ liegenden Etat die Erträgniſſe aus etwaigen neuen Steuern kaum in Betracht ziehen ſollten. Es kann keine Rede davon ſein — ich ſchließe mich ſeiner Auffaſſung vollkommen an —, daß wir etwa die Gewerbeſteuer erhöhen. Was die Kino⸗ und Luſt⸗ barkeitsſteuer anlangt, ſo kann man darüber ja ver⸗ ſchiedener Anſicht ſein. Es würde wohl zu weit führen, wenn ich darauf eingehen wollte. Ich möchte dies um ſo weniger tun, weil ich, wie geſagt, der Anſicht bin, daß eine derartige der Stadtgemeinde zufließende Summe für das nächſte Jahr kaum eine Rolle ſpielen kann, zumal die Erträgniſſe höchſt un⸗ gewiß ſind. Nun, meine Herren, es gibt verſchiedene Wege: erſtens kann man die Einnahmen höher einſetzen. Es liegt mir aber ſelbſtverſtändlich fern, zu emp⸗ fehlen, Einnahmen höher einzuſtellen, die lediglich auf Schätzungen beruhen. Es kann ſich nur darum handeln, Einnahmen höher einzuſetzen, wenn wir uns davon überzeugt haben, daß tatſächlich dieſe Ein⸗ nahmen in höheren Beträgen dem Etat für das Jahr 1913 zufließen werden. Man kann ferner Streichun⸗ gen von Ausgaben vornehmen, die man nicht für notwendig hält; die Anſichten über das, was not⸗ wendig iſt, gehen ſelbſtverſtändlich auseinander. Wenn uns die Notwendigkeit im Ausſchuß nachgewieſen werden wird, ſo wird es keinem einfallen, die be⸗ treffende Poſttion zu ſtreichen. Man kann ferner Ausgaben verſchieben mit der Begründung, daß ſte für das Jahr 1913 noch nicht erforderlich ſind. Schließlich aber, meine Herren — und darin gebe ich dem Herrn Kämmerer vollkommen Recht, — läuft