90 Bebauungsplan des Exerzierplatzes eine glücklichere Hand haben möchte, als er bei der Exploitierung von Neu⸗Weſtend gehabt hat. Beſonders hat dann noch der Herr Kämmerer hervorgehoben, daß wir in den letzten Jahren auf den verſchiedenſten Gebieten der Gemeindeeinrich⸗ tungen erheblich ſteigende laufende Ausgaben gehabt haben, und daß auch die Ausgaben für ſo⸗ ziale 3wecke ganz beſonders gewachſen ſind; der Herr Kämmerer hat in ſeinen Etatsreden wiederholt hierauf aufmerkſam gemacht. Meine Herren, uns liegt die Pflege der ſozialen Fürſorge gewiß am Herzen, aber ich gebe zu, daß es trotzdem angebracht iſt, wenn der Herr Kämmerer immer wieder auf dieſe wachſenden Ausgaben hinweiſt, da ſie mit den Geſamtausgaben und dem Ge⸗ ſamtintereſſe der Stadt ſelbſtver⸗ ſt än dlich in Einklang gebracht werden müſſe n. Es iſt auch wiederholt darauf hinge⸗ wieſen worden, daß, trotzdem die Ausgaben für ſo⸗ ziale Zwecke ſteigen, doch auch wiederum der Armen⸗ etat wächſt. (Zuruf) — Sehr richtig, die Armenpflege gilt nicht als ſo⸗ ziale Fürſorge, aber wenn man immer ſagt: je mehr freiwillige ſoziale Fürſorge, eine deſto größere Ent⸗ laſtung des Armenetats tritt ein, ſo ſehen wir, daß das bei uns nicht der Fall iſt. Das iſt alſo ſcheinbar ein Widerſpruch; aber ich glaube, hier liegt ein Trug⸗ ſchluß vor: wir finden in allen Städten und in allen Ländern auf grund von forgfältigen ſtatiſtiſchen Erhebungen die Erſcheinung, daß, je höher die Aus⸗ gaben des Armenetats ſind, die Bevölkerung deſto wohlhabender iſt. Die Ausgaben des Armenetats ſtehen in einem ſtetigen Verhältnis zu der Wohl⸗ habenheit der Bevölkerung; alſo je geringer die Aus⸗ gaben für den Armenetat ſind, deſto weniger wohl⸗ habend iſt die Bevölkerung, und ebenſo findet man umgekehrt, daß die Ausgaben für den Armenetat mit der Wohlhabenheit der Bevölkerung wachſen. So iſt es auch bei uns hier in Charlottenburg ge⸗ weſen. Mit Recht hat Charlottenburg, da der Stadt in dem letzten Jahrzehnt dank der rapiden Zunahme der Bevölkerung und des wirtſchaftlichen Aufſchwungs erhebliche Steuereinnahmen zugefloſſen ſind, ſtets eine offene Hand für die Armen gehabt, wie über⸗ haupt auf allen Gebieten der ſozialen Fürſorge. Ich meine, das gleiche gilt auch für die ſozialen Zwecke. Nun hat der Herr Kämmerer am Schluß ſeiner Rede darauf hingewieſen, daß unſere Bevölkerung in dem letzten Jahre leider nicht mehr ſo zunimmt, wie in früheren Jahren. In der Tat, ſo iſt es. Ich ziehe aber aus dieſer Tatſache eine andere Folge⸗ rung als der Herr Kämmerer. Es iſt möglich, daß die geringere Bevölkerungszunahme auf den Mangel an Wohnungen zurückzuführen iſt; es iſt aber auch möglich, daß dies mit der wirtſchaftlichen Konjunk⸗ tur zuſammenhängt. Die Zuwanderung läßt be⸗ kanntlich nach, ſobald die Arbeitsgelegenheit geringer wird, und da höchſtwahrſcheinlich die zweite Hälfte des Jahres 1912 einen Höhepunkt in der wirtſchaft⸗ lichen Entwicklung bedeutet, ſo daß die Kurve der wirtſchaftlichen Entwicklung wieder eine Zeit lang nicht mehr aufwärts geht, ſo wird ſich auf dieſen Um⸗ ſtand auch die geringere Bevölkerungszunahme zu⸗ rückführen laſſen. Deshalb ſollten wir dieſer Er⸗ ſcheinung ganz beſondere Aufmerkſamkeit ſchenken. Sitzung vom 19. Februar 1913 Das iſt aber gerade mit ein Grund für uns, nach Möglichkeit die Erhöhung des Einkommenſteuer⸗ zuſchlags zu vermeiden. Denn das, meine Herren, brauche ich doch wohl nicht beſonders zu unterſtreichen, daß die Erhöhung der Gemeindeeinkommenſteuer keine ermunternde Wirkung auf den Zuzug wohl⸗ habender Steuerzahler ausüben wird. (Sehr richtig! —Zuruf: Das iſt eine alte liberale Furcht, weiter nichts!) Meine Herren, die Mitglieder meiner Fraktion haben ohne Ausnahme den ernſten Willen, im Aus⸗ ſchuß zu prüfen, ob die Erhöhung der Gemeindeein⸗ kommenſteuer vermieden werden kann, und wir haben den lebhaften Wunſch, daß dies im Ausſchuß auch gelingen möge. (Bravo!) Stadtv. Dr. Stadthagen: Meine Herren! In dieſem wie im vorigen Jahre hat der Magiſtrat be⸗ dauerlicherweiſe eine Beunruhigung in unſere Bevölkerung gebracht, nicht nur in die Bevölkerung von Charlottenburg, ſondern auch in die Herzen der⸗ jenigen Leute, die vielleicht gewillt waren, nach Charlottenburg zu ziehen, oder die es ſich jetzt über⸗ legen, ob ſie am 1. April d. I. nach Charlottenburg ziehen ſollen. (Sehr richtig!) Ich bedaure ganz beſonders, daß der Magiſtrat noch vor der Beſchlußfaſſung über die Höhe des vor⸗ zuſchlagenden Steuerſatzes eine Notiz in die Zei⸗ tungen hineingebracht hat — oder daß eine Notiz hineingebracht wurde, von welcher Seite weiß ich ja nicht —, daß 110% Gemeindeeinkommenſteuer in Charlottenburg erhoben werden würden. (Sehr richtig!) Das geſchah zu einer Zeit, wo ſich ſo und ſo viele Leute überlegten, wo ſie zum 1. April hinziehen würden. Ich meine, der Magiſtrat hätte alle Ver⸗ anlaſſung, in Zukunft alles zu vermeiden, daß der⸗ artige Nachrichten vorzeitig in die Preſſe gelangen. Ich glaube auch, ſchon nach dem bisherigen Laufe der Debatte hier konſtatieren zu können, daß wir wohl einen anderen Weg gehen werden. Ich bedaure aber dieſen Vorſchlag des Ma⸗ giſtrats, 110% zu erheben, auch deswegen, weil ſich unſere ganzen Etatsberatungen in den letzten Jahren eigentlich immer nur um die Frage dieſer 10% drehen, während eigentlich viel wichtigere Fragen bei der Etatsberatung zu löſen wären. Ich will nun kurz auf die Punkte eingehen, die auf den geſamten Etat einwirken. Wir müſſen dem Herrn Kämmerer ohne weite⸗ res zugeben, daß die dauernden Ausgaben der Kom⸗ mune Charlottenburg ſich in einer ſtändig aufſteigen⸗ den Bewegung befinden. Das iſt eine natürliche Folge der Ausdehnung unſerer öffentlichen Einrich⸗ tungen, eine natürliche Folge der Steigerung der⸗ jenigen Verpflichtungen, die wir im Laufe der Jahre übernommen haben, und zwar aus ſozialen, hygie⸗ niſchen Gründen des öffentlichen Wohles, aus Gründen der Erziehung unſerer jugendlichen Bevöl⸗ kerung uſw. 8 46