Sitzung vom 19. Februar 1913 Ausführungen andeutete. Freilich iſt dazu eine Vorausſetzung, daß wir im preußiſchen Landtage eine g andere Politik bekommen. Dazu wiederum iſt ie Vorausſetzung, daß der preußiſche Landtag nicht aus den Dreiklaſſenwahlen hervorgeht, wie es jetzt der Fall iſt. (Sehr richtigl) Nach meiner Auffaſſung und der Auf⸗ faſſung meiner Freunde iſt es gerade auch eine Pflicht der großen Städte, in ihrem eigenen wohlverſtan⸗ denen Finanzintereſſe und in ihrem eigenen wohl⸗ verſtandenen wirtſchaftlichen Intereſſe darauf hin⸗ zuwirken, daß im preußiſchen Landtag eine andere Zuſammenſetzung Platz greift, daß in Preußen eine andere Politik betrieben wird. Aber der Aufruf an die großen Städte, ſich einem ſolchen Kampf gegen das Dreiklaſſenwahlrecht anzuſchließen, verhallt bei Ihnen ungehört. (Widerſpruch.) Denn Sie in den Stadtverwaltungen fühlen ſich ja ſelbſt hier als Vertreter eines Dreiklaſſenwahlrechts und Sie nehmen lieber die ſchlechte Finanzgebarung und alle die Nachteile, die dieſe preußiſche Geſetz⸗ gebung über aufblühende große Gemeinweſen mit ſich bringt, auf ſich, als daß Sie ſich, möchte ich ſagen, in eine Sturmkolonne für die Aufhebung des Dreiklaſſen⸗ wahlrechts einreihen wollten. Dazu liegt Ihnen leider an einer kleinlichen Parteipolitik innerhalb der Ge⸗ meinde viel zu viel. So lange das aber der Fall iſt, werden Sie auch aus den Finanzmiſeren in den Gemeinden nicht herauskommen können. (Lebhafter Beifall bei den Sozialdemokraten.) Stadtv. Dr. Liepmann: Meine Herren! Der Herr Vorredner ſchloß damit, daß wir uns auf Grund des Dreiklaſſenwahlrechts als Vertreter von nur einer Klaſſe fühlten. Das iſt durchaus nicht der Fall. (Stadtv. Hirſch: Nanul) Wir fühlen uns als Vertreterdergeſamten Bürgerſchaft und ſuchen derart ihre Intereſſen nach beſtem Wiſſen und Gewiſſen hier zu vertreten, wogegen der Herr Vorredner mit ſeiner Fraktion ſich hauptſächlich als Vertreter einer Klaſſe, der Arbeiterklaſſe, betrachtet und hier auch ſeine Ausführungen in dieſem Sinne gemacht hat. Ferner hat der Herr Vorredner hinſichtlich des Vorſchlages der 110% und der Bemerkung meines Freundes Dr Stadthagen über Beunruhigung der Bürgerſchaft über die vorzeitige Preßveröffentlichung der Steuererhöhungsvorlage erwidert, er fühle ſich gar nicht beunruhigt. Das trifft aber gar nicht die Bemerkung des Kollegen Stadthagen. Die Bürger⸗ ſchaft, meinte dieſer, fühle ſich beunruhigt, und das, glaube ich, können wir mit Recht behaupten. Führte doch Herr Kollege Dr Borchardt aus, daß ſchon eine gewiſſe Beunruhigung bei Eltern von Schulkindern dadurch hervorgerufen ſei, daß dieſe nicht in den ſchönen neuen öffentlichen Gebäuden untergebrach wurden, ſondern in Mietshäuſern ihrer Schulpflich“ genügen müſſen. Wenn das ſchon Beunruhigung her vorruft, meine Herren, dann müſſen die vorzeitig be kannt gegebenen Pläne einer Heraufſchraubung der Steuerkraft gerade in der jetzigen Zeit erſt rech Beunruhigung erzeugen. 9⁵ Herr Kollege Borchardt meint, daß es für die Bevölkerungszunahme nichts ſchaden würde, wenn eine Heraufſetzung des Steuerſatzes erfolge, da ſich nie⸗ mand dadurch bewegen laſſen würde, hier aus Char⸗ lottenburg fortzuziehen, weil er 10% mehr an Steuern zahlen müſſe. Er verkennt aber dabei, daß die Bevölkerungsbewegung ſich nicht nur in dem Fort⸗ zug und dem Abſterben ausdrückt, ſondern auch von dem Zuzug weſentlich abhängt, was doch wohl nicht beſonders auszuführen iſt. Gerade die beſten und reichen Steuerzahler werden mit Rückſicht darauf, daß ſie, wenn ſie nach dem Grunewald, Dahlem oder anderen niedriger beſteuerten Orten ziehen, durch Er⸗ ſparung an Steuern ſogar leicht die Koſten eines Autos herauszuwirtſchaften vermögen, das wahr⸗ ſcheinlich lieber tun, als ſich hier nach Charlottenburg zu wenden, zumal dieſes in den beſſer gelegenen Stadtgegenden bald voll bebaut iſt. Das, was Auto und ſonſtiges Zubehör koſten, wird am Steuer⸗ zuſchlag erſpart. Schon mit Rückſicht hierauf müſſen wir, glaube ich, den Steuererhöhungsvorſchlag ſehr kritiſch in Erwägung ziehen. Nun, meine Herren, das iſt ja wahr: weder Kollege Stadthagen noch ich, noch wir alle ſind durch dieſen Vorſchlag beunruhigt, denn er iſt ja ein alter Bekannter, er kommt ja ſchon ſeit mehreren Jahren „Sobald die erſten Lerchen ſchwirrten“, wurde ſchon in den Vorjahren verlangt, daß die 110% von uns dem öffentlichen Säckel geopfert werden ſollen. Ich werde mit einem weiteren Zitat in bezug auf den Etat aus dem Mädchen aus der Fremde fort⸗ fahren. Es iſt geſagt worden, der Etat wäre ſo ganz beſonders ärmlich und ſparſam. Ich kann das nicht finden. Ich glaube, auf den Etat paſſen die Worte Schillers: Er teilte jedem eine Gabe, Dem Früchte, jenem Blumen aus, Der Jüngling und der Greis am Stabe, Ein jeder ging beſchenkt nach Haus. Allerdings ſind die Schenkungen nicht ſo reichlich wie in früheren Jahren bemeſſen; aber immerhin iſt noch vieles im Etat, was nach meiner Anſicht nicht als durchaus notwendig bezeichnet zu werden braucht. Vielmehr iſt auch diesmal dem Etat nachzuſagen, daß er durchaus eine offene Hand zeigt. Wenn Sie die großen Rubriken nachſehen, ſo werden Sie finden, daß die Steigerungen beim Armenetat, beim Kranken⸗ hausetat und für den Schuldendienſt am höchſten ſind. Ich möchte Sie zunächſt auf einige Zahlen verweiſen, die ſich aus dem Armenetat ergeben. Zu dieſem wird erläutert, daß die Steigerung nur 152 000 ℳ betrage. Das hören wir jetzt, meine Herren, aber uns fehlt der Glaube; denn es werden Nachträge kommen, die uns noch bedeutend höhere Opfer für den Armenetat auferlegen. Dafür kann ich Ihnen ſchon jetzt einige Zahlen geben, die in der Armendirektion beſprochen worden ſind. Der Etat iſt darauf aufgebaut, daß die baren Unterſtützungen 17,58 ℳ pro Perſon betragen ſollen; es werden aber jetzt ſchon bare Unterſtützungen in durchſchnittlicher Höhe von 18 ℳ. pro Perſon be⸗ zahlt. Wenn das ſo weiter geht, wie es anzunehmen iſt, und dem nicht ein Riegel vorgeſchoben wird, ſo werden wir ſchließlich auf eine bare Unterſtützung von insgeſamt jährlich 200 000 ℳm kommen. Da⸗ wäre eine Steigerung von 10 % gegen das Vor⸗ jahr. Nun wird in den Erläuterungen zum