96 Armenetat geſagt, daß die Erhöhungen ſich auf die Bevölkerungsvermehrung und auf die Preis⸗ teurung gründen. Meine Herren, die Bevölke⸗ rungsvermehrung beträgt gegen das Vorjahr noch nicht 2%; wo bleiben da die reſtlichen 6 bis 8%. Dieſe können nicht auf die Preisteurung zurück⸗ geführt werden; denn ſo viel beträgt ſie gegen das Vorjahr nicht; eine Preisteurung iſt gegenüber dem Vorjahr meiner Anſicht nach überhaupt nicht zu kon⸗ ſtatieren. Viele gerade für die Arbeiterbevölkerung notwendige Lebensmittel (Stadtrat und Kämmerer Scholtz: Die Arbeits⸗ loſigkeit!) — Die Arbeitslofigkeit iſt zurzeit nicht groß, Herr Kämmerer, und beſteht jedenfalls nicht für die, welche keine Arbeit ſcheuen — ſind billiger geworden, z. B. die Kartoffeln. (Stadtv. Hirſch: Sie kann doch nicht bloß von Kar⸗ toffeln leben!) Auch das Gemüſe iſt billiger geworden. (Stadw. Hirſch: Wer ſagt das? — Zuruf: Fleiſch⸗ teurung!) — Das Fleiſch iſt teurer geworden gegen den vori⸗ gen Februar? Nein! (Stadtv. Hirſch: Ja freilich!) Jedenfalls aber nicht 8%! Setzen Sie meinetwegen für die Preisſteigerung 3 bis 4% an, was ſicherlich ausreicht, dann fehlt immer noch die Erklärung für weitere 3 bis 4% bei dieſer plötzlichen Steigerung der Armenlaſten. (Stadtv. Zietſch: Und die Wohnungsmieten!) 1 Dieſe plötzliche Steigerung legt mir die Be⸗ fürchtung nahe, daß ſie auf eine andersgeartete Zuſammenſetzung der Bevölkerung, alſo darauf zurückzuführen iſt, da ß der arme Teil der Bevölkerung zuge⸗ nommen, der wohlhabende aber abge⸗ nommen hat, und darauf müſſen wir unſere Steuerpolitik wie überhaupt unſere ganze Kommu⸗ nalpolitik meiner Anſicht nach einrichten. Wenn Sie die Zahlen, die wir in den Armen⸗ etat einſtellen, mit denjenigen Summen vergleichen, die Neukölln und Schöneberg dafür aufwenden, dann kommt man zu ganz überraſchenden Reſultaten. Ich nehme die Zahlen vom vorigen Jahre und möchte Ihnen daraus ſechs oder ſieben vorleſen, indem ich bemerke, daß die Einwohnerzahl am 1. Dezember 1910 bei uns 305 000, in Neukölln 172 000 und in Schöneberg 237 000 betrug. Wir haben an baren Unterſtützungen im Armenetat 820 000 ℳ ausgeſetzt, ſind aber damit lange noch nicht ausgekommen, wäh⸗ rend Neukölln dafür nur 155 000 und Schöneberg 248 000 ℳ berechnet. Unſere Geſamtausgabe be⸗ trägt 2 450 000 ℳ, in Neukölln 761 000 ℳ, in Schöneberg 704 000 ℳ. Für Heilmittel haben wir ausgeſetzt 70 000 ℳ, Neukölln 8500 ℳ, Schöneberg 13 500 ℳ. An Krankenanſtalten wurden nach dem Ausführungen, auf den Schuldendienſt. Beziehung könnte ich ja eine gewiſſe Genugtuung ver⸗ ſpüren, weil die Prophezeiungen, die ich vor 3 und vor 2 Jahren in dieſer Hinſicht gemacht habe, leider einzutreffen drohen. Ich weiſe auf die Darſtellung Sitzung vom 19. Februar 1913 9 Armenetat im vorigen Jahre bezahlt 570 000 ℳ bei uns, in Neukölln 251 000 ℳ, in Schöneberg 165 000 ℳ. Für das Siechenhaus bei uns 241 000, in Neukölln einſchließlich für das Waiſenhaus 104 000, in Schöneberg 72 000 ℳ. Für das Obdach bei uns 42 000, in Neukölln 3500, in Schöneberg 7700 %ℳ. Nun kommen intereſſante Zahlen, meine Herren. An auswärtige Armenverbände mußten von uns 105 000 ℳ erſtattet werden, von Neukölln 71 000, von Schöneberg 80 000. Für Unter⸗ bringung von Geiſteskranken mußten wir bezahlen 132 000, Neukölln 75 000 und Schöneberg 64 000 ℳ. Das ſind zwei Rubriken, meine Herren, bei denen der Einfluß der Gemeindeverwal⸗ tung des Unterſtützungswohnſitzes in bezug auf die Bemeſſung der Unter⸗ ſtützungen und Ausgaben nicht mit⸗ ſprechen kann, ſondern wo entweder die aus⸗ wärtigen Gemeinden die feſt bemeſſenen Unter⸗ ſtützungen geben oder wo wie bei den Geiſteskranken ein beſtimmter Verpflegungsſatz für die in allen drei Kommunen verhältnismäßig gleich verteilte und be⸗ grenzte Zahl zur Verfügung geſtellt werden muß. Bei dieſen ſtehen die Summen für Unterſtützungen bei allen drei Gemeinden im Verhältnis zur Bevölke⸗ rungszahl, unſere überragt die anderen nicht; wohin⸗ gegen Sie bei den anderen Poſitionen ſehen, wie koloſſal viel mehr hier ausgegeben wird als anderswo. Nun will ich nicht etwa, meine Herren, daß wir unſere Armenunterſtützung ſo bemeſſen, daß die arme Bevölkerung Not leidet; ſie ſoll auf Grund der Unter⸗ meengn ein menſchenwürdiges Daſein führen onnen (Stadtv. Zietſch: Für 18 ℳ im Monat!) und bei unverſchuldetem Unglück ſoll warmherzig und mit offener Hand gegeben werden. Aber trotzdem ſprechen die Zahlen, wie der Herr Kämmerer ſagt, Bände; es muß eben mit Auswahl und mit Kritik gegeben werden, und da ſcheint doch manchmal das zu warme Herz unſerer Armenverwaltung etwas zu weit zu gehen. In dieſem Anſchwellen des Armenetats kann ich einen beſonderen Ruhmestitel für Charlottenburg nicht erblicken. Denn die richtige, wahre Wohltätig⸗ keit drückt ſich in dem aus, was man freiwillig gibt, während die Armenverwaltung auf Grund von Steuern, die gezahlt werden müſſen, Wohltätigkeit ausübt. Ein viel erſtrebenswerteres und ſchöneres Ruhmesblatt für Charlottenburg wäre es, wenn es ſich herausſtellt, daß Charlottenburg da in erſter Reihe ſteht, wo es gilt, in fre iwilliger Weiſe Liebeswerke zu fördern und zu unter⸗ halten. Wenn einmal eine Statiſtik herausgegeben würde, aus der ſich ein ſolches Ergebnis herausleſen ließe, dann würde ich ſagen: hierauf kann Charlotten⸗ burg ſtolz ſein. Ueber die Krankenanſtalten hat ſich ja ſchon Herr Kollege Stadthagen verbreitet, ſo daß ich nur ſagen kann, daß ich hinſichtlich ſeiner Beurteilung dieſer Einrichtungen mit ihm durchaus übereinſtimme. Ich komme nun auf den letzten Punkt meiner In dieſer