Sitzung vom 19. Februar 1913 Von unſerem Standpunkt, beſondere Vorſchulen für die Schüler der höheren Lehranſtalten zu ſchaffen, ſehen wir trotzdem aus verſchiedenen Gründen nicht ab, die ich wohl ganz kurz anführen darf. Der erſte und wichtigſte Grund iſt der, den der Magiſtrat ſelber in der Vorlage anführt: Die Volksſchule kann unmöglich ihre Schülermgſſen in derſelben Zeit ſoweit fördern, denn die Vorſchüler bringen ſchon vielmehr Vorſtellungen und Kenntniſſe mit zur Schule als die meiſten Volksſchüler, und die Vorſchul⸗ lehrer werden durch das Elternhaus zumeiſt ganz anders unterſtützt als ihre Kollegen an der Volksſchule. Es iſt eine bekannte Tatſache, daß die Schüler der Vorſchule meiſtens ſchon richtig deutſch ſprechen, und daß ſie ſo viele Vorſtellungen und Anſchauun⸗ gen in die Schule mitbringen, daß ſie die Schüler aus einfachen Häuſern weit, weit überflügeln, ſo daß den Lehrern durch die letzteren der gemeinſame Un⸗ terricht ſehr erſchwert wird. Das iſt der eine Grund. Der andere iſt der, daß durch Errichtung beſonderer Vorſchulen eminent praktiſche und wirtſchaftliche Vorteile der Stadt er⸗ wachſen; denn reiche Leute mit ſchulpflichtigen Kin⸗ dern, die Wohnung ſuchen, wählen nur ſolche Ge⸗ meinden aus, in denen ſich Vorſchulen befinden. Und ſo lange Berlin und alle umliegenden Vororte neue Vorſchulen einrichten und die vorhandenen Vorſchulen erhalten, ſo lange wird auch Charlottenburg genötigt ſein, nach wie vor neue Vorſchulen zu errichten. Drittens — ſo möchte ich (Zuruf: Das gehört ja nicht hierzu, ſondern zum nächſten Punkt der Tagesordnung!) die Stellungnahme meiner Freunde ſkizzieren ſind ſie nicht der Meinung, daß durch den Begfall der Vorſchulen die ſozialen Gegenſätze überbrückt wer⸗ den, und viertens machen ſie geltend, daß ſie uns verhältnismäßig wenig koſten, und fünftens, daß auch die erſten drei Klaſſen in den höheren Mädchen⸗ ſchulen in Wegfall kommen müßten, wenn keine Vor⸗ ſchulen mehr errichtet würden. 14 Trotz aller dieſer Gründe begrüßen meine Freunde die Vorlage des Magiſtrats und ſind be⸗ reit, ihr zuzuſtimmen. — Stadtv. Dr Borchardt: Ich hatte mich bloß zum Worte gemeldet, um meiner Freude darüber Aus⸗ druck zu geben, daß auch Herr Kollege Rieſenberg namens ſeiner Freunde die einſtimmige Erklärung abgeben konnte, der Magiſtratsvorlage zuzuſtimmen. Meine Freude wurde aber ſehr gedämpft, als ich merkte, daß Herr Kollege Rieſenberg ſeine zuſtim⸗ mende Erklärung eigentlich zu der nächſten Vorlage abgab. (Sehr richtig! und Heiterkeit.) Stadtv. Schwarz: Es iſt ſehr erfreulich, daß ſich der Herr Kollege Rieſenberg namens ſeiner Fraktion auf denſelben Standpunkt ſtellt wie meine Freunde. Er führte aber an, daß die Vorlage klar bewieſen habe, daß die Schüler in drei Jahren den Anſchluß an die höhere Schule nicht erreichten; er ſagte aber nicht, daß das, was wir heute bewilligen wollen, den Weg eben dazu bieten ſolle, d aß ſie ſie nach drei Fahren erreichen. 99 Ich begrüße dieſe Vorlage mit Freuden, denn einſetzend am erſten Sitzungstage der Deputation zur Hebung der Volksſchulen, deren Mitglied ich immer geweſen bin, habe ich die Schaf⸗ fung eines zeitverluſtloſen Ueberganges von der Volksſchule zur höheren Schule immer wieder als unſere Aufgabe bezeichnet. Wenn auch dieſe Vorlage wieder nur als ein Verſuch dazu angeſehen werden muß, ſo ſtellt ſie doch eben den Verſuch der Löſung einer ſozialen Aufgabe dar, die eben darin beſteht, daß ge⸗ eignete Schüler der unteren Klaſſen der Volksſchule ohne Zeitverluſt auf die höheren Schulen übergehen können. Ich komme alſo zu demſelben Reſultat wie die Herren Vorredner, nämlich der Vorlage zuzuſtim⸗ men, wenn ich auch nicht verkenne, daß der Fall ein⸗ treten kann, daß wir infolge von Ueberfüllung ſol⸗ cher Vorbereitungs⸗Klaſſen unter Umſtänden beſon⸗ dere Sexten werden ſchaffen müſſen, wenn nämlich die Sexten unſerer höheren Schulen gleichfalls ſo überfüllt ſind, daß die Aufnahme weiterer Schüler in ſie ausgeſchloſſen erſcheint. Trotz dieſer Möglichteit erſcheint aber die Sache ſo bedeutungsvoll, daß wir der Vorlage unſere Zuſtimmung nicht verſagen dürften. Stadtſchulrat Dr Neufert: Meine Herren! Ich kann nur meiner Freude darüber Ausdruck geben, daß die Magiſtratsvorlage ſo allſeitige Zuſtimmung fin⸗ det. Es iſt wohl möglich, daß, wenn einmal eine ſehr große Anzahl von beſonders begabten und wür⸗ digen Schülern aus der Volksſchule in ſolche Vorbe⸗ reitungsklaſſen kommt, die vorhandenen Plätze dann nicht ausreichen könnten. Gewiß würden in dieſem Falle etwas mehr Koſten entſtehen. Auch das, was Herr Stadtv. Otto über die Mehrkoſten ſagte, ſtimmt. Aber wer will jetzt beim erſten Verſuch ſchon irgend etwas darüber vor⸗ ausſagen können? Wir haben ja auch in der Magi⸗ ſtratsvorlage die Möglichkeit, daß gewiſſe Mehrkoſten entſtehen, zugegeben. Vielleicht findet ſich auch noch irgendein anderer Grund im Laufe der Zeit, aus dem gewiſſe Mehrkoſten entſtehen können; aber beträcht⸗ lich werden ſie nicht werden. Denn wenn eine größere Anzahl von Schülern aus den Normalklaſſen in dieſe A-⸗Klaſſen und aus den A⸗Klaſſen nachher auf die höheren Schulen übergeht, ſo iſt es ganz ausge⸗ ſchloſſen, daß die dadurch frei gewordenen Plätze dau⸗ ernd freibleiben; bei der nächſten Gelegenheit, ſei es durch Zugang von außen, ſei es bei der Verſetzung, werden die entſtandenen Lücken wieder ausgefüllt werden. Was wir mit dem Ausdruck A⸗Prinzip verſtan⸗ den haben, iſt doch nicht das, was der Herr Stadtv. Otto vorhin ſagte. Uns kommt es vornehm⸗ lich darauf an, daß für den Uebergang in die Vorbe⸗ reitungsklaſſen genau dieſelbe Auswahl getroffen wird wie für die A⸗Klaſſen der letzten 4 Jahrgänge. Das, meine Herren, iſt meines Erachtens das Charakte⸗ riſtiſche der A⸗Klaſſen, daß nicht jeder hineinkommt, der will oder für den der Vater bezahlt, ſondern nur diejenigen, die nach dem pädagogiſchen Urteil als be⸗ ſonders befähigt und würdig erachtet werden. (Die Verſammlung beſchließt nach dem Antrage des Magiſtrats, wie folgt: Der Einrichtung von Vorbereitungsklaſ⸗ ſen für die Sexten der höheren Lehranſtalten wird zugeſtimmt.)