100 Vorſteher Dr Frentzel: Wir kommen nunmehr zu Punkt 8: Vorlage betr. Vorſchulen. — Druckſache 59. Stadtv. Mosgau: Meine Herren! Am 2. Okto⸗ ber 1912 hat der Petitionsausſchuß über eine Peti⸗ tion des Grundbeſitzervereins Neu⸗Weſtend betref⸗ fend Einrichtung von Vorſchulen in der Herderſchule berichtet. Der Petitionsausſchuß empfahl Ihnen, die Petition dem Magiſtrat zur Berückſichtigung zu über⸗ weiſen. Im Namen eines großen Teiles meiner Freunde hatte ich unſere Zuſtimmung zu dieſem Vorſchlage zu erklären. Ich kann nur das damals Geſagte heute wiederholen und noch einmal erklären, daß meine Freunde die Einrichtung dieſer Vorſchule auf Weſtend als eine notwendige, praktiſche, nützliche und gerechte Maßnahme der Stadtverwaltung begrü⸗ ßen, aber daß ſie grundſätzlich dabei ſtehen bleiben, daß ſt eine hochentwickelte Volksſchule das allerbeſte Bil⸗ dungsmittel für alle Kinder desſelben Volkes iſt. (Bravol) Stadtv. Otto: Meine Herren! Ich habe im Namen einer Minderheit meiner Freunde die Er⸗ klärung abzugeben, daß wir gegen die Vorlage des Magiſtrats ſtimmen. Wir halten vor wie nach an dem Gedanken, die allgemeine Volksſchule nach Mög⸗ lichkeit zu verwirklichen, feſt. Wir geben zu, daß für Charlottenburg, indem es ein Glied Groß⸗Berlins bildet, wirtſchaftliche Notwendigkeiten vorliegen und von einzelnen Seiten ſo ſtark unterſtrichen werden können, daß man die Errichtung von Vorſchulen ver⸗ teidigen kann. Wir wollen auch gern anerkennen, daß die Freunde der Vorlage in der Errichtung dieſer Vorſchulen nur einen Ausnahmefall erblicken, von dem ich perſönlich hoffen möchte, daß er ſich in Zu⸗ kunft nicht wiederhole. Aber trotz dieſer Einſchrän⸗ kung können wir von unſerem grundſätzlichen Stand⸗ punkt nicht abgehen, ſondern werden gegen die Vor⸗ lage ſtimmen. Es iſt eine eigentümliche Ironie des Schickſals, daß in dem Augenblick, wo Charlottenburg anfängt, einen alten Beſchluß abzubauen, die Stadt Frank⸗ furt a. M., mit der wir uns doch ſo gern vergleichen, dieſen ſelben Beſchluß in der Stadtverordnetenver⸗ ſammlung mit überwältigender Mehrheit gefaßt hat. / (Zuruf.) — Nein, es iſt noch nicht aller Tage Abend. Ich ſage auch nur: die Stadtverordnetenver⸗ ſammlung hat dieſen Beſchluß gefaßt; ich weiß ſehr wohl, daß der Magiſtrat dieſem Beſchluß noch nicht beigetreten iſt. Ich möchte einer Aeußerung des Herrn Kollegen Rieſenberg gegenüber die Auffaſſung beſeitigen, als ob uns die Vorſchulen Geld einbrächten, nichts koſteten. Herr Kollege Rieſenberg, dann muß ich annehmen, Sie haben die Magiſtratsvorlage gar nicht oder ſehr ſchlecht geleſen; denn in dieſer Magiſtratsvorlage ſtehen 5000 ℳ Koſten für drei Vorſchulklaſſen. Ich möchte bitten, dieſen Grund in Zukunft nicht mehr anzubringen. (Bravol) Stadtv. Stulz: Meine Freunde werden ſelbſt⸗ verſtändlich die Vorlage ablehnen; denn unſere , Sitzung vom 19. Februar 1913 Grundſätze laſſen ſich nicht mit derſelben vereinigen. Wir erſtreben die allgemeine Volksſchule, und dieſe wird niemals zur Wirklichkeit werden, wenn Sie immer wieder neue Vorſchulen errichten. Meiner Meinung nach ſind die Gründe, die der Magiſtrat für die Vorlage vorgebracht hat, nicht ſtich⸗ haltig; denn die Vorlage, die Sie hier ſoeben ange⸗ nommen haben, beweiſt ja ſchlagend, ganz unwider⸗ leglich, daß die Volksſchule ſehr wohl imſtande iſt, allen Anforderungen zu genügen, die man an ſie für die Vorbereitung der höheren Lehr⸗ anſtalten ſtellen kann. Damit fällt das letzte Argument, daß die Befürworter der Vorſchule immer ins Treffen führen, nämlich der Hinweis darauf, daß die Vorſchulen den Schülern ein Jahr bei der Vorbereitung für die Sexrta er⸗ ſparen. Da dieſes Argument hiermit vollſtändig hin⸗ fällig und abgetan wird, iſt es eigentlich nicht ver⸗ tändlich, warum nun der Magiſtrat ſich dennoch ent⸗ ſchloſſen hat, dieſe Vorlage einzubringen und doch wieder neue Vorſchulen zu verlangen. Meine Herren, Sie ſollten Ihren Grund⸗ ſätzen entſprechend dieſe Vorlage auch ablehnen. Zu wiederholten Malen hat ja die Stadtver⸗ ordnetenverſammlung erklärt, daß ſie mit dem Prinzip der Einführung der allgemeinen Volks⸗ ſchule einverſtanden iſt, und wenn Sie dieſem Prin⸗ zip zum Siege verhelfen wollen, müſſen Sie auch immer dafür eintreten, wo es ſich eben darum han⸗ delt, einen Streich dafür zu führen. Meine Herren, das iſt heute der Fall. Wenn Sie alſo wirklich zeigen wollen, daß Sie für die allgemeine Volksſchule Sympathie haben, wenn es Ihnen mit den Liebes⸗ erklärungen, die Sie ihr ſo oft gemacht haben, ernſt iſt, ſo müſſen Sie dieſe Vorlage ablehnen: hic Rhodus, hic salta! (Ein Antrag des Stadtv. Meyer auf Schluß der Debatte wird angenommen. — Stadtv. Schwarz: Zur perſönlichen Bemerkung!) Vorſteher Dr. Frentzel: Herr Kollege Schwarz, Ihr Name iſt in der Debatte gar nicht gefallen. (Heiterkeit) (Stadtv. Schwarz: Ich bin mit genannt worden, wenn auch mein Name nicht genannt worden iſt! — Große Heiterkeit) — Ich weiß nicht, wie das jemand machen ſoll! (Andauernde Heiterkeit.) Stadtv. Schwarz (perſönliche Bemerkung): Der Kollege Mosgau ſagte: im Namen meiner Freunde erkläre ich, daß dieſe Vorſchulen eine nützliche Einrichtung ſind. Ich möchte aus⸗ drücklich erklären, daß ich zu dieſen Freunden, alſo doch allermindeſtens —i nicht gehöre. (Heiterkeit.) Stadtv. Rieſenberg (perſönliche Bemertung): Ich glaube von dem Herrn Kollegen Otto miß⸗ verſtanden zu ſein. Ich habe nicht ſagen wollen: die Vorſchulen koſten uns nichts, ſondern: ſie bringen uns indirekt durch den Zuzug wohlhabender Leute Geld ein. Soweit habe ich die Vorlage auch leſen können. 42