102 kaſſe. Wenn wir denjenigen, die bei uns ſparen, eventuell zu günſtigen Bedingungen ein Darlehn geben, dann werden wir uns die Sparer auf die Dauer in anderer Weiſe erhalten wie bisher. Ferner kann vor allen Dingen die Stadt auch bei ihren ſtädtiſchen Angeſtellten unter Umſtänden ſehr ſegensreich wirken, wenn ſie ſich dieſes Problems weiter annimmt. Eine der ſchlimmſten Er⸗ ſcheinungen der heutigen Zeit auf ſozialem Gebiet iſt vielleicht die, daß die jugendlichen Arbeiter, ſagen wir mal, von 15 bis 20, 21, 22 Jahren relativ hohe Ein⸗ nahmen haben, die ihren normalen Ausgaben gar nicht entſprechen, und daß ſie dieſe Einnahmen zweck⸗ los verpulvern. Meine Herren, eine Sperrung des] Lohnes können wir nicht einführen, wohl aber iſt es ſehr erwägenswert, ob man nicht Ein⸗ richtungen treffen kann, um immer⸗ hin einen gelinden 3wang auf dieſe jungen Arbeiter auszuüben, nament⸗ lich ſoweit ſie ſtädtiſche Angeſtellte ſind, damit ſie ſich einen Teil des Lohnes für die Zeit ſparen, wo ſie ſich verheiraten oder ſelbſtändig machen wollen, — vorausgeſetzt natürlich, daß ſie nicht verpflichtet ſind, Familienangehörige zu unterſtützen. Ich habe ſchon von vornherein geſagt, daß ein abſoluter Zwang nicht ausgeübt werden kann; ich er⸗ innere aber z. B. daran, daß bei der Reichsbank in Berlin ähnliche Einrichtungen beſtehen. Ich glaube, wir werden vielleicht dieſem Vorbilde folgen und etwas Dementſprechendes einrichten können. Ande⸗ rerſeits erinnere ich auch an die außerordentlich ſegensreichen Wirkungen, die, wie mir wenigſtens ge⸗ ſagt worden iſt, die polniſchen Darlehnsbanken, die ja mehr privater Natur ſind, aber durch den ganzen Zu⸗ ſammenhang des Polentums gewiſſermaßen einen öffentlich rechtlichen Charakter gewonnen haben, auf dem Gebiete des Sparkaſſenweſens und der Unter⸗ ſtützung des Mittelſtandes durch Darlehne zur Be⸗ ſchaffung von Gegenſtänden für den Haushalt und die Werkſtätten ausüben ſollen. Zum Schluß halte ich für die wichtigſte Aufgabe dieſer Erwägungen, einen Weg zu finden, um den Kampfgegen die Abzahlungsgeſchäfte aufzunehmen. Meine Herren, der Kampf gegen die Abzahlungsgeſchäfte iſt eine der wichtigſten Aufgaben, die wir haben, und da kann die Kommune zum beſten der Handwerker, mit denen ſie Verträge ſchließt, ein⸗ treten, damit ſie ihnen gegen gewiſſe Sicherheiten, die ſie leiſten müſſen, die Möbel und die anderen Gegen⸗ ſtände liefert. Auch da ſind, glaube ich, gewiſſe Vor⸗ gänge vorhanden. Ich hoffe, daß es unſerer bewährten Verwaltung gelingen wird, geeignete Wege nach der Richtung hin zu finden, um den tatſächlich vorhandenen Uebelſtän⸗ den hinſichtlich der Verſchuldung für den Arbeiter⸗ und Mittelſtand abzuhelfen. (Bravol) Vorſteher Dr Frentzel: Ehe ich den weiter Ge⸗ meldeten das Wort gebe, möchte ich mitteilen, daß die Herren Kollegen Dr Bauer, Gredy und Kern gebeten werden, das heutige Protokoll zu vollziehen. Stadtv. Mosgau: Als in unſerer vorvorigen Fraktionsſitzung die Tagesordnung der vorigen Sitzung vorlag und dabei der Antrag Stadthagen und Sitzung vom 19. Februar 1913 Genoſſen, den Herr Kollege Stadthagen ſoeben be⸗ gründet hat, erwähnt wurde, befanden wir uns in einer gewiſſen Verlegenheit, da wir uns wirklich nicht denken konnten, welche Vorſchläge wohl unſer verehrter Kollege Stadthagen machen würde, um dieſes große, gewaltige Problem, die Menſchheit vor Verſchuldung zu ſchützen, der Löſung näher zu bringen. Es wurde daher von unſerer Seite auch kein Fraktionsredner be⸗ ſtimmt, ſondern mir überlaſſen, das im Namen mei⸗ ner Perſon — damit ich nicht wieder nachher viel⸗ leicht für andere Erklärungen abgebe (Heiterkeit.) zu ſagen, was uns von unſerem allgemeinen Stand⸗ punkte aus — nur auf Allgemeinheiten können wir uns in dieſem Stadium der Verhandlungen einlaſſen — bei den Ausführungen des Herrn Kollegen Stadt⸗ hagen zunächſt auffällt. Daß das Streben des Herrn Kollegen Stadt⸗ hagen und ſeiner Freunde ein ſehr ſchönes und edles iſt, ſteht feſt. Wir alle wollen, daß die Sozialpolitik nicht auf den reinen Induſtriearbeiterſtand beſchränkt bleibt; wir alle wollen möglichſt weiten Kreiſen un⸗ ſerer Bevölkerung alle diejenigen Wohltaten zuteil werden laſſen, die der moderne Gemeindebetrieb er⸗ möglicht. Aber ob die Vorſchläge, die Herr Kollege Stadthagen hier angeführt hat, geeignet ſind, der Verſchuldung vorzubeugen, kurz und gut, anzufangen, die Armut aus der Welt zu ſchaffen, das ſcheint uns —. das kann ich wohl, glaube ich, ohne mit meinen Freunden Rückſprache genommen zu haben, erklären — zum mindeſten ſehr zweifelhaft. Vielleicht wird von dem Herrn Magiſtratsvertreter in dieſer Be⸗ ziehung eine beruhigende Erklärung abgegeben; (Heiterkeit.) vielleicht ſind die Anregungen, die Herr Kollege Stadthagen gab — meiner Beurteilung entzieht ſich das, ich bin nicht genügend Fachmann „ ſo richtig, daß ſich auf ſie aufbauen läßt. Eins muß ich aber gleich erklären. Die Stadtgemeinde ſoll bei denjenigen Gebieten der Geſetzgebung bleiben, die ihr zugewieſen ſind; der Kampf gegen die Abzahlungsgeſchäfte aber, Herr Kol⸗ lege Stadthagen, iſt meiner Anſicht nach eine Materie, die uns nicht unterſteht. Mag man darüber denken, wie man will, ob eine derartige Erleichterung des Warenumſatzes zu wünſchen iſt oder nicht; aber meine Freunde haben im allgemeinen den Grundſatz, daß eine Behörde nicht Vorſehung ſpielen ſoll, daß es dem Einzelnen ſchließlich noch immer ſelbſt überlaſſen blei⸗ ben muß, wie er in dem Kampf ums Daſein ſeinen Mann ſteht. Es wird ſich ja fragen, welche Stellung der Magiſtrat zu Ihren Anregungen einnimmt. Sie können verſichert ſein, daß meine Fraktion gern mit⸗ arbeitet. Sie möchte ſich aber nicht auf ein Gebiet begeben, wo ſie die Empfindung hat, daß das Reful⸗ tat der Verſprechungen nur gering iſt. Der Liberalis⸗ mus hat vielleicht den Fehler gemacht, daß er immer nur das verſprochen hat, was er glaubte halten zu können. Aber auf dieſen Fehler iſt er bis zu einem gewiſſen Grade ſtolz. (Bravo!)