Sitzung vom 19. Februar 1913 Wir erkennen ohne weiteres an, daß die Sauber⸗ keit in den Straßen und auf den öffentlichen Plätzen Charlottenburgs im allgemeinen ſogar ein ſehr gute iſt. Wir wollen auch keine Kritik daran üben, daß etwa beſonders der Magiſtrat die unbebauten Ter⸗ rains in einem wenig ſchönen Zuſtande hält, ſondern es iſt uns mehr aufgefallen, daß nicht nur die ſtäd⸗ tiſchen, ſondern alle unbebauten Terrains überhaupt in einem Zuſtande ſind, der eigentlich jedem äſtheti⸗ ſchen Gefühle Hohn ſpricht. Da liegen altes Papier, Lumpen, Scherben, alte Hüte auf eingefriedigten und nicht eingefriedigten Terrains herum, und zwar nicht nur draußen in den Außenteilen der Stadt, ſon⸗ dern auch mitten drin in den beſten Teilen der Stadt. Meine Herren, ſehen Sie ſich einmal z. B. den Zu⸗ ſtand des Grundſtückes Ecke Ahorn⸗Allee und Span⸗ dauer Berg an, das an unſer ſtädtiſches Grundſtück anſchließt. Unſer ſtädtiſches Grundſtück iſt auch nicht in ſehr ſchönem Zuſtande; aber das Eckgrundſtück ſehen Sie ſich einmal an! Welchen Eindruck macht es auf den, der dort auf Weſtend eine Villa bauen oder kaufen will, wenn er dieſe Terrains ſieht! Sehen Sie ſich die Terrains am Kaiſerdamm, wo die ſchönſten und teuerſten Wohnungen ſind, an (Zuruf: Wallſtraße!) — Auch an der Wallſtraße! — Auf dieſen Terrains iſt ein Zuſtand, der jeder Beſchreibung ſpottet! Nun werden Sie ſagen, es ſei nicht Sache der Stadt, dafür zu ſorgen; wenn die Stadt das rein machen ſoll, koſtet es erſtens einmal viel Geld, und zweitens iſt die Stadt nicht Herr über die Terrains; ſie darf da nicht hinein. Nun liegt die Sache ſo, daß die Polizei auf Grund des Allgemeinen Landrechts bzw. des Polizeigeſetzes von 1850 an ſich die Mög⸗ lichkeit hat, die Beſiger dieſer Terrains anzuhalten, ihre Grundſtücke in einem ordnungsmäßigen Zuſtand zu ſetzen. So viel mir bekannt iſt, beſchreitet die Poli⸗ zei auch dieſen Weg, ſobald ihr Mitteilung von der⸗ artigen Zuſtänden gemacht wird. Nun, meine Herren, will ich durchaus nicht die Polizei mobil machen, ſondern meine Ideen gehen nach einer ganz anderen Richtung. Ich meine, daß zunächſt einmal die Stadt ſich natürlich derjenigen ſtädtiſchen Terrains vielleicht etwas mehr noch als bisher annehmen ſoll, die innerhalb des bebauten Stadtgebietes liegen. Das wird vorausſichtlich nicht viel mehr koſten, da es ſich mit den jetzigen Kräften recht wohl machen läßt. Dann aber wird ſie ſich auch den privaten Terrains in der Folge in gewiſſer Weiſe zuwenden können. Sie wird beides tun können, in⸗ dem ſie Arbeitskräfte heranzieht, die meines Erach⸗ tens einmal herangezogen werden müſſen. Ich komme hier auf die Armenlaſten, von denen heute ſchon ſo viel die Rede war. Meine Herren, wir unterſtützen eine große Reihe unſerer Bürger in ausgiebigem Maße, wenn ſie in einer Lage ſind, wo ſie nicht mehr viel leiſten können, oder wenn ſie keine Arbeit haben. Das iſt an ſich auch richtig. Ich meine aber, daß dieſe Bürger und Bürgerinnen doch wohl imſtande ſind, dann ein kleines Entgelt dafür zu leiſten — und hier liegt eine ſolche kleine und leichte Arbeit vor —, indem die⸗ jenigen von ihnen, die recht wohl arbeitsfähig ſind und durch die Vermittlung der Armenvorſteher von uns unterſtützt werden, alle paar Tage einmal einige Stunden tätig ſind, um irgend ein Grundſtück zu ſäubern. 105 Meine Herren, das braucht nichts zu koſten; es gibt zwei Wege, die man hierbei einſchlagen kann. Man kann entweder den Leuten ſagen: gut, ihr ſeid in einer Notlage, ihr bekommt etwas, aber dann ſeid erkenntlich und tut für die Allgemeinheit auch etwas; wie die vielen Ehrenbeamten im Intereſſe der Stadt arbeiten, ſo könnt auch ihr — und ich glaube, manch einer wird es gern tun für die Geldunterſtützung, die euch die Stadt gewährt, etwas tun. Manche von den Frauen und Männern werden eine Freude daran finden, daß ſie für das Geld, das ſie in der Notlage von der Stadt nehmen müſſen, auch eine kleine Arbeit leiſten können. Inſofern wird die Armen⸗ unterſtützung einen moraliſchen Einfluß auf die Leute ausüben. Aber wir haben auch noch einen anderen Weg. Wenn Sie den von mir geſchilderten Weg nicht be⸗ ſchreiten wollen, ſagen wir: ihr bekommt nichts, ihr bekommt Arbeit; bitte, macht das oder das Terrain ſauber und wir haben ein ſehr umfangreiches Rei⸗ nigungskorps, das den Leuten die nötige Anleitung geben könnte —,arbeitet dort zwei bis drei Stunden, dann bekommt ihr ſo und ſo viel. Dann gibt man ihnen eben ſo viel dafür, wie ſie ohne Arbeitsleiſtung bekommen würden, wie wir das ſchon bei den minder⸗ wertigen Kräften machen, die in unſeren öffentlichen Anlagen tätig ſind. Es iſt das alſo eine Ausdehnung des Prinzips, leichte Arbeit denen zu geben, die nicht in der Lage ſind, ſich voll und ganz zu betätigen. Auf dieſe Weiſe würde es ſich auch ermöglichen laſſen, die Privatterrains in einen beſſeren Zuſtand zu bringen. Ich glaube, daß kaum ein Grundbeſitzer in der in⸗ neren Stadt ſein würde, der ſich nicht ganz gern einem derartigen Vorſchlag fügte und verſchiedene Zeiten an⸗ gäbe, wo er bereit wäre, ſein Grundſtück betreten zu laſſen, um dort die nötigen Reinigungsarbeiten aus⸗ zuführen. Wenn doch der eine oder andere darunter ſein ſollte, der ſich weigerte, ſo werden wir uns eben damit abfinden müſſen. Im übrigen werden es aber die Beſitzer gern tun, denn es iſt zu ihrem und der übrigen Grund⸗ und Hausbeſitzer Beſten. — Ich bitte Sie, den Antrag anzunehmen. Stadtrat Boll: Meine Herren! Der Antrag Stadthagen und Gen. verlangt, daß wir ſämtliche eingezäunten und nicht eingezäunten Grundſtücke in Charlottenburg reinmachen und rein halten ſollen. An unbebauten Grundſtücken gibt es in Charlotten⸗ burg — ich habe dieſe Zahl aus dem Verwaltungs⸗ bericht für das Jahr 1911 herausgezogen — 56 160 Ar. 2 (Stadtv. Dr Stadthagen: Die Außenbezirke habe ich ja ausgenommen!) — Alſo 41 000 Ar rund unbebautes Land liegen an bebauungsfähigen Straßen; das andere, was in der aat⸗ liegt, wollen Sie doch wahrſcheinlich auch rein⸗ alten. Nun reinigt bei uns ein Straßenarbeiter 30 000 qm pro Tag, und die Leute klagen darüber, daß ſie ſich dabei dranhalten müſſen, um das zu er⸗ reichen. In anderen Vororten haben ſie weniger zu reinigen. Nun liegen aber auch die Grundſtücke nicht hintereinander wie in einer Straße, ſondern es iſt hier ein Grundſtück und da ein Grundſtück, ſo daß die Reinigung nicht ſo glatt wie in den bebauten