Sitzung vom 6. März 1913 Stadtſchulrat Dr. Neufert: Meine Herren! Ich bitte Sie, dieſem Antrage nicht ſtattzugeben. Der Nachhilfeunterricht iſt ein ganz weſentlicher Teil der Reformen, die an unſeren Volksſchulen vorge⸗ nommen worden ſind, und ich erlaube mir zu be⸗ haupten, daß es eine der ſegensreichſten Einrich⸗ tungen iſt, die hier getroffen worden ſind. Viele Hunderte von Kindern ſind dadurch davor gerettet worden, daß ſie unnötigerweiſe ſitzen bleiben und es ihnen inſolge deſſen unmöglich gemacht wird, das Ziel unſerer Volksſchule zu erreichen. Man hat dieſen Nachhilfeunterricht jetzt auch in einer ganzen Anzahl von Städten eingeführt, und ich höre nur Günſtiges von den Beobachtern. Unſere Königliche Regierung hat ebenfalls den Nachhilfeunterricht in jeder Beziehung anerkannt, und der Miniſter hat ihn anderen Gemeinden im Zentralblatt zur Ein⸗ richtung empfohlen. Das iſt der Grund, weshalb ich dringend bitte, hier bei dieſem wichtigen Teil nicht eine Sparſamkeit zu üben, die für Hunderte von Schülern üble Folgen haben kann. Meine Herren, wir haben für das neue Jahr berechnet, wie groß die Koſten des Nachhilfeunter⸗ richts ſind, und es iſt das von Klaſſe zu Klaſſe feſt⸗ geſtellt worden. Infolgedeſſen können wir nicht zugeben, daß bei dieſer Etatspoſition ein ſo großer Abſtrich ohne weiteres erfolgen kann; vielmehr würde dabei der Nachhilfeunterricht eingeſchränkt werden müſſen, ſo daß er in ſeiner Wirkung ganz erheblich beeinträchtigt würde. Die Poſition für den Nachhilfeunterricht iſt allerdings im Jahre 1911 in ihrer vollen Höhe nicht verbraucht worden; es ſind 9% der bewilligten Mittel nicht verbraucht worden. Von dieſem Jahre aber können wir wirk⸗ lich noch nicht ſagen, wieviel erſpart werden wird, da die Rechnungen noch nicht alle eingegangen ſind. Deshalb erlaube ich mir nur auf die Erfahrungen vom Jahre 1911 zu verweiſen. Die Erſparnis von 9% iſt damals weſentlich mit dadurch ermöglicht worden, daß in dem ganz enorm heißen Jahre ſehr häufig der Nachmittags⸗ unterricht und damit auch manche Nachhilfeſtunde ausgefallen iſt. Weiter hat dabei maßgebend mit⸗ gewirkt, daß ganz abweichend die großen Ferien eine Woche länger dauerten. Infolge dieſes einen Be⸗ ſchluſſes fällt alſo gleich ein Vierzigſtel des geſamten Geldes fort. Ich möchte Sie dringend bitten, meine Herren, die Schulverwaltung in den Stand zu ſetzen, den Nachhilfeunterricht in dem bisherigen Umfange fort⸗ zuführen. Das, glaube ich, iſt nur möglich, wenn Sie die hier bewilligte Summe einſetzen. Das, was der Magiſtrat fordert, iſt wahrlich nicht viel: es ſind nur 700 ℳ mehr als im vorigen Jahre, und dabei ſoll der Nachhilfeunterricht auf weitere Klaſſen aus⸗ gedehnt werden, und zwar auf die Klaſſe 2 des Oſtens von Charlottenburg und die Klaſſe 4 unſerer katholiſchen Schulen. Eine ſo mäßige Erhöhung dieſer Poſition iſt natürlich nur dadurch möglich ge⸗ weſen, daß wir dem Umſtand Rechnung getragen haben, daß in letzter Zeit gelegentlich einige Er⸗ ſparniſſe gemacht worden ſind; ſonſt müßten wir natürlich viel mehr anfordern. Wir müßten ſonſt eine Erhöhung von 4280 ℳ eingeſetzt haben. Der Magiſtrat hat alſo ſchon geſpart, er hat ganz weſent⸗ lich geſpart. Daß hier noch mehr erſpart werden kann, halte ich nicht für möglich. 121 Stadtv. Dr. Stadthagen: Meine Herren! Ich möchte bei der ganzen Sachlage wenig auf die Frage ſelber eingehen; denn wir haben uns ja vor einigen Wochen eingehend darüber unterhalten, nachdem wir in einem Ausſchuß die Frage genau geprüft hatten. Die Stimmung in dem damaligen Ausſchuß ging doch dahin, daß augenblicklich vielleicht etwas zu viel des Guten im Nachhilfeunterricht geſchieht, und dementſprechend wurde auch im Etatsausſchuß beantragt, dieſe Poſition von rund 82 000 ℳ auf 77 000 ℳ herabzuſetzen, alſo eine Erniedrigung um 5000 ℳ eintreten zu laſſen, d. h. um 6 bis 7 %. Der Herr Stadtſchulrat hat ja hauptſächlich da⸗ gegen geſprochen, eine ſo ſtarke Erniedrigung, wie die beantragte in Höhe von 10 000 ℳ, eintreten zu laſſen. Meine Freunde beantragen, den Poſten nur um 5000 ℳ zu erniedrigen, und ich hoffe, daß ſich dafür auch eine Majorität finden wird. Der Er⸗ folg wird dann der, wie ich glaube, von der Mehr⸗ heit der Stadtverordnetenverſammlung gewünſchte ſein, nämlich der einer gewiſſen Ein⸗ ſchränkung des Nachhilfeunterrichts nach der Richtung hin, daß die Kinder, die für die betreffende Klaſſe nicht gerade beſonders befähigt ſind, nicht künſtlich durch den Nachhilfeunter⸗ richt auf dieſer Höhe erhalten wer⸗ de n. Solche Kinder ſollten beſſer in eine ihrer geiſtigen Begabung ent⸗ ſprechende Klaſſe geſetzt werden. — Ich bitte Sie, unſerem Antrage zuzuſtimmen. Stadtv. Otto: Die Poſition Nachhilfeunterricht hat den Etatsausſchuß ſehr eingehend beſchäftigt. Wie Herr Kollege Dr Stadthagen ſchon andeutete, iſt auch im Etatsausſchuß ein Antrag geſtellt worden, die Poſition herabzuſetzen. Die Mehrheit des Etatsaus⸗ ſchuſſes hat dieſen Antrag abgelehnt und empfiehlt Ihnen, den Poſten — (Stadtv. Dr Stadthagen: Mit 8 zu 7 Stimmen!) — Ja, das iſt die Mehrheit, Herr Kollege Dr Stadt⸗ hagen! — alſo der vollbeſetzte Ausſchuß hat den An⸗ trag mit Mehrheit abgelehnt — ich wiederhole das, Herr Kollege Stadthagen! — und empfiehlt Ihnen, den Poſten ſo einzuſetzen, wie er im Etat ſteht. Meine Herren, wir haben uns dabei in der Mehr⸗ heit — ich gehöre der Mehrheit auch an — von fol⸗ genden Gründen leiten laſſen. Einmal hat die Stadtverordnetenverſammlung, wie Herr Kollege Dr Stadthagen ebenfalls ſchon an⸗ deutete, ſich erſt am 4. Dezember mit der Angelegen⸗ heit eingehend beſchäftigt. Herr Kollege Dr Stadt⸗ hagen meinte, die Stimmung in dem Ausſchuß, den damals die Stadtverordnetenverſammlung eingeſetzt hatte, wäre dahin gegangen, den Nachhilfeunterricht einzuſchränken. Ich bin nicht ſo lyriſch, mich mit Stimmungen zu befaſſen, ſondern ich ſtelle einfach die Tatſache feſt, daß die Mehrheit auch dieſes Aus⸗ ſchuſſes den Beſchluß gefaßt hat, die Mitteilung des Magiſtrats unverändert zur Kenntnis zu nehmen. Ich ſtelle weiter feſt, daß das Plenum der Stadt⸗ verordnetenverſammlung dieſem Beſchluß ſeines Ausſchuſſes am 4. Dezember ohne irgend welche De⸗ batte beigetreten iſt. Sie würden ſich alſo in einen gewiſſen Widerſpruch ſetzen, wenn Sie damals ohne jede Debatte die Mitteilung des Magiſtrats zur