Sitzung vom 6. März 1913 milch gegeben werden. Schon allein der Umſtand, daß eine neue Fürſorgeſtelle erforderlich iſt, bedingt einen größeren Bedarf an Milch. Der jetzige Bedarf genügt eben nicht, er muß erhöht werden, aber nicht erniedrigt, wie es hier vorgeſchlagen wird. Ganz dasſelbe iſt der Fall bei der Schwan⸗ gerenernährung und beim Stillen der Mütter. Die Nützlichkeit der Schwangerenernährung, die wir an⸗ geregt haben, liegt doch auf der Hand. Jeder Land⸗ wirt weiß, daß eine trächtige Kuh, wenn ſie nicht gut gepflegt wird, kein geſundes Kalb zur Welt bringen kann. Und wenn die Kuh nachher nach der Geburt nicht gut gepflegt wird, dann kann ſie dem Kalb keine gute Milch geben. Deshalb iſt der Landwirt darauf bedacht, die Kühe in dieſen Zeiten kräftig zu er⸗ nähren. So müſſen wir auch hier unſer Augen⸗ merk darauf richten, daß ſich die ſchwangeren Frauen, die nicht in wohlhabenden Verhältniſſen ſind, kräftig ernähren können, daß ſie auch dazu geeignete Nah⸗ rung bekommen. Ebenſo iſt es mit dem Stillen. Deshalb haben wir auch die Stillprämien eingeführt und ſind mit dem Erfolge zufrieden. Aus allen dieſen Gründen darf man nicht die Sätze herabſetzen, ſondern man muß ſie entſprechend erhöhen, um dem erweiterten Bedürfnis genügen zu können. Jetzt hat ſich gerade die Schwangerenernäh⸗ rung gut eingeführt. In der erſten Zeit hat man mit der Teilnahme daran etwas gezögert. Es iſt ja begreiflich; die Schwangeren ſcheuten ſich erſt, da⸗ hin zu gehen. Die Scheu iſt nun überwunden, und der Beſuch iſt ſehr rege. Ein gut Teil des Erfolges, der hier in Charlottenburg in der Säuglingspflege erzielt wird, iſt der Schwangerenernährung zuzu⸗ ſchreiben. Wir müſſen alſo beſtrebt ſein, die Sätze für Milch ſowohl für die Kinder wie für die ſtillen⸗ den Mütter nicht herabzuſetzen, ſondern im Bedarfs⸗ falle noch zu erhöhen. Stadtv. Wöllmer: Meine Herren! Herr Kollege Dr Borchardt hat ſeine Ausführungen damit begon⸗ nen, daß er behauptete, gerade hier bei dieſem Ka⸗ pitel und dieſer Poſttion zeige es ſich ſo recht, wie ſich die „kompakte Majorität“ des Ausſchuſſes mit aller Gewalt bemühe, möge es biegen oder brechen, auf 100% zu kommen. (Stadtv. Dr Borchardt: Sehr richtig!) Nun, zunächſt handelt es ſich nur um einen Poſten von 7000 ℳ. Wie dieſer Poſten, wenn wir den Ge⸗ ſamtetat überblicken, in unſerm Etat eine Rolle ſpie⸗ len kann, das zu beweiſen, möchte ich dem Herrn Kollegen Ir Borchardt ruhig überlaſſen. Es waren ganz andere Gründe, die die Majorität, allerdings die knappe Majorität, des Etatsausſchuſſes be⸗ ſtimmten, einen ſolchen Abſtrich zu machen. Da man ſich angeſichts des Umſtandes, daß eine gewiſſe Knappheit an Mitteln vorhanden iſt, naturgemäß die Frage vorlegen muß, ob es richtig iſt, auf ſol⸗ chen Gebieten freiwilliger Fürſorge weiter zu ſchrei⸗ ten, oder ob es nicht vielmehr richtig iſt, hier einmal eine kleine Bremſe anzulegen, das verſteht ſich von ſelbſt — gewiß, das iſt unſere Pflicht. Wir haben als gute Hausväter, als Väter der Stadt nicht nur die Verpflichtung, auf dieſem Gebiete zu ſorgen und hierbei finanzielle Erwägungen anzuſtellen, ſondern wir haben die gleiche Verpflichtung allen ſtädtiſchen Einrichtungen gegenüber. Die ſozialen Pflichten ſind nur ein Teil unſerer ſtädtiſchen Pflichten Nun haben wir, ſpeziell meine Fraktion, doch ſtets den Beweis erbracht, daß wir gerade auf dem 139 Gebiete der ſozialen Fürſorge eine offene Hand haben. (Stadtv. Hirſch: Wo haben Sie das bewieſen! — Rufe: Na, nal) — Ich bitte Sie, meine Herren, es gibt keine Stadt, die gerade auf den meiſten Gebieten freiwilliger ſozialer Fürſorge finanziell ſoviel leiſtet und, wenn ich mich ſo ausdrücken darf, auch wiſſenſchaftlich ſo⸗ viel leiſtet, wie gerade Charlottenburg. (Sehr richtig!) Ich meine einen Beweis dafür kaum erbringen zu müſſen. Ich weiſe deshalb, weil der Kollege Hirſch mich unterbricht und das beſtreitet, lediglich auf unſere beiden Nachbarkommunen hin, die ich nicht etwa als nachahmenswertes Muſter in dieſer Bezie⸗ hung hinſtellen möchte; im Gegenteil, Wilmersdorf hat für die ganze Wohlfahrtspflege, die ſoziale Für⸗ ſorge, für die Volksbücherei, die ich noch dazu rechne, Desinfektionsanſtalt, Säuglingsfürſorge, Tuberkuloſe im Jahre 1912 115 000 ℳ ausgegeben, und Schöne⸗ berg gibt für die Wohlfahrtspflege insgeſamt für 1912 270 000 %ℳ aus. Ich hebe nochmals hervor: wir dürfen nicht ein einzelnes Gebiet der ſtädti⸗ ſchen Einrichtungen für ſich betrachten, ſondern wir müſſen dafür ſorgen, daß die Ausgaben auf allen Ge⸗ bieten, auch auf denen der ſozialen Fürſorge, in Ein⸗ klang gebracht werden mit den Geſamtintereſſen der Stadt. Was iſt denn nun hier für eine Sünde von der Majorität des Etatsausſchuſſes begangen worden? Der Herr Berichterſtatter hat erwähnt, daß in dem Kapitel Volksgeſundheitspflege nur eine einzige Aenderung durch die „kompakte Majorität“ des Etatsausſchuſſes vorgenommen worden iſt, nämlich der Abſtrich von 7000 bei Nummer 2a: Unterhal⸗ tungskoſten der Säuglingsfürſorgeſtellen, rohe Kin⸗ dermilch in Flaſchen. Wir haben im Etatsausſchuß eine Generaldebatte über dieſe Frage gehabt und haben zugeben müſſen, daß wir der Verwaltung nicht Vorſchriften über die Organiſation machen können und daß wir nicht an den einzelnen Poſitionen hier und da ändern und auch nicht einen Pauſchalbetrag für die geſamte Säuglingspflege einſetzen können. Wir haben uns auch mit der Errichtung der neuen Säuglingsfürſorgeſtelle einverſtanden erklärt, nach⸗ dem Herr Stadtrat Gottſtein erklärt hat: die neue Stelle iſt erforderlich, um das Syſtem nicht nur auf⸗ recht zu erhalten, ſondern zu entwickeln. Wir haben alſo ohne weiteres dem zugeſtimmt. Aber — und nun komme ich zu dem eigentlichen ſtrittigen Punkt — ß für rohe Kindermilch ſtanden rund 45 000 ℳ in Ausgabe, und davon ſollen nach dem Antrage des Etatsausſchuſſes 7000 ℳ abgeſtrichen werden. Wenn Sie die Randbemerkungen bei dieſer Voſttion leſen, ſo finden Sie, daß wir für das Jahr 1913 ſchätzungs⸗ weiſe 275 000 Liter Milch abgeben, und zwar teil⸗ weiſe gegen Bezahlung an nicht Unbemittelte, teil⸗ weiſe unentgeltlich an Unbemittelte. Für dieſe Milch zahlt die Stadt 32 Pf. Iſt es da wohl richtig, daß man einen großen Teil dieſer Milch an nicht Unbe⸗ mittelte zum Schaden der Stadt abgibt? (Stadtv. Hirſch: Zum Vorteil der Stadt!) Es wird von Fall zu Fall geprüft, wenn Milch un⸗ entgeltlich abgegeben wird. Aber ich erkläre ganz