Sitzung vom 19. März 1913 Stadtrat Seydel: Meine Herren! Ich möchte Sie bitten, die Verſicherungsdauer von zehn Jahren beſtehen zu laſſen. Der Grund, den ſchon der Herr Referent für eine kürzere Vertragsdauer an⸗ führte und auf den ich vorhin einzugehen vergeſſen habe, daß wir dann nämlich Gelegenheit hätten, mög⸗ lichſt bald dem Brandenburgiſchen Selbſtverſiche⸗ rungsverbande beizutreten, iſt nicht ſtichhaltig. Erſtens ſteht noch nicht feſt, wann dieſer Verband ins Leben tritt; bisher iſt davon noch nichts zu merken, und es iſt ſehr zweifelhaft, o b es überhaupt geſchieht. Wenn er aber ins Leben tritt, dann muß er zunächſt einmal zeigen, ob ſeine Arbeit für die Städte günſtig iſt, und das ergibt ſich nicht ſchon in zwei oder drei Jahren, die uns bei Abſchluß einer Verſicherung auf nur fünf Jahre dafür zur Ver⸗ fügung ſtehen würden, ſondern erſt in einer längeren Zeit. Gerade bei einer Haftpflichtverſicherung iſt, wie auch Herr Stadtv. Neumann ſagte, ein Ueber⸗ blick über das Riſiko nach zwei oder drei Jahren gar nicht möglich, ſondern da muß eine längere Zeit ver⸗ gehen, ehe man auch nur einigermaßen feſtſtellen kann, was für Riſiken in der Haftpflicht ſtecken. Ich möchte ferner des hal b bitten, die Verſiche⸗ rung auf zehn Jahre abzuſchließen, weil ich das vor⸗ liegende Angebot für ſehr günſtig halte. In der Tat iſt jetzt, nachdem die Beamtenhaftpflicht als ein neuer Verſicherungszweig hinzugekommen iſt, das Riſiko, das die Haftpflichtverſicherungsgeſellſchaft der Stadt abzunehmen hat, ganz erheblich höher geworden als früher. Es ſind hier Riſiken vorhanden, deren Be⸗ deutung man heute noch gar nicht ermeſſen kann, weil das Geſetz über die Beamtenhaftpflicht noch nicht lange genug in Kraft iſt. Es können da Schäden entſtehen, die wir heute noch gar nicht überſehen können. Ich glaube daher annehmen zu dürfen, daß in ſpäteren Jahren bei den Geſellſchaften ſich eher eine Tendenz zur Erhöhung der Prämien gel⸗ tend machen wird als umgekehrt. Die Geſellſchaften werden auf dem neuen Gebiete Erfahrungen ſam⸗ meln, und es iſt nicht ausgeſchloſſen, daß dieſe ihnen zeigen werden, daß ſie ſich zu ihrem Schaden ver⸗ kalkuliert haben, wie das auf neuen Gebieten der Verſicherung, in die man hineinkommen will, im Anfange meiſt zu geſchehen pflegt. Wir werden alſo meiner Meinung nach nach fünf Jahren eine g ün ſt i⸗ gere Verſicherung nicht abſchließen können. Aus dieſem Grunde bitte ich Sie, uns das vorliegende günſtige Angebot auf eine möglichſt lange Zeit zu ſichern. Vorſteher Dr. Frentzel: Wir kommen zur Ab⸗ ſtimmung. Von Herrn Kollegen Neumann iſt der Antrag geſtellt worden, die Magiſtratsvorlage mit der Maßgabe anzunehmen, daß ſtatt zehn Jahre ſien Jahre geſetzt wird. Ich laſſe zunächſt über ieſen Antrag abſtimmen. (Der Antrag wird abgelehnt.) Nunmehr kommen wir zur Abſtimmung über die Magiſtratsvorlage. (Die Verſammlung beſchließt nach dem Antrage des Magiſtrats, wie folgt: Der Magiſtrat wird ermächtigt, den mit der Frankfurter Allgemeinen Verſicherungs⸗ KAktiengeſellſchaft für die Zeit vom 1. April 1903 bis 31. März 1913 geſchloſſenen Haft⸗ 169 pflichtverſicherungsvertrag nach Maßgabe der „Allgemeinen Bedingungen“ Bl. 84 a und b und der Abänderungsbedingungen Bl. 32(3, 37)8, 526, 840, 85(6 (zuſammengeſtellt Bl. 84e bis f der Hauptakten) auf weitere 10 Jahre zu erneuern, und zwar unter Vor⸗ auszahlung der Prämie auf dieſe 10 Jahre mit insgeſamt 63 750 ℳ. Die auf das erſte Jahr entfallende Prämie iſt aus Ordinarium Kapitel XIV Abſchnitt 15 Nr. 6 des Haupt⸗ etats für 1913 zu decken, der Betrag der übrigen Prämien aus den laufenden Vor⸗ ſchüſſen zu entnehmen.) Meine Herren, ich möchte Ihnen noch mitteilen, daß das Protokoll heute vollziehen die Herren Kol⸗ legen Dr. Mommſen, Gersdorff und Dr Genzmer. Ferner möchte ich mitteilen, daß ein Wider⸗ ſpruch gegen die Beſchlüſſe des Wahlausſchuſſes zu 9 f von dem Kollegen Panſchow eingelaufen iſt. Wir werden über dieſen Punkt in der geheimen Sitzung zu verhandeln haben. Jetzt kommen wir zu dem Dringlichen Antrag der Stadtv. Ahrens und Gen. betr. den ſtädtiſchen Arbeitsnachweis. Antragſteller Stadtv. Lehmann: Meine Herren! Der Antrag, der von meinen Freunden eingebracht worden iſt, lautet: Der ſtädtiſche Arbeitsnachweis hat ſich während der gegenwärtigen Ausſperrung im Malergewerbe jeder Art der Arbeitsvermitt⸗ lung zu enthalten, die als Parteinahme zu⸗ gunſten einer Partei erſcheint. Aus dem Wortlaut dieſes Antrags läßt ſich ent⸗ nehmen, daß bei der Vermittlung von Arbeitskräften im Arbeitsnachweis etwas vorgekommen ſein muß, was unſerem Antrage diametral gegenüberſteht. Und das iſt ſo! Denn der Grund, der uns veran⸗ laßt hat, dieſen Antrag einzubringen, beſteht darin, daß Malergehilfen bei der Vermittlung vom Arbeits⸗ nachweis deswegen ausgeſchloſſen worden ſind, weil ſie organiſiert ſind, dem Verband der Maler ange⸗ hören. Als Herr Kollege Hirſch von der Sache Kenntnis erhielt, hat er ſofort den Magiſtrat inter⸗ pelliert. Darauf hat er die Mitteilung erhalten, daß bei der Vermittlung von Arbeitskräften im Arbeits⸗ nachweis nach Möglichkeit darauf geſehen wird, daß beiderſeitige Wünſche Berückſichtigung finden. Weiter iſt geſagt worden, daß von Unternehmern überhaupt nicht Aufträge eingegangen ſind, die darauf hin⸗ zielen, daß nur unorganiſierte Arbeiter geſchickt wer⸗ den ſollen. Nach dem uns vorliegenden Material beſteht aber ein Widerſpruch in der Mitteilung des Magiſtrats mit den Tatſachen. Ich kann durch Zeugen nachweiſen, daß vom Arbeitsnachweis nur unorganiſierte Maler verlangt worden ſind und daß Leute, die organiſiert ſind und ſich zur Organiſation bekannt haben, zurückgewieſen worden ſind. Das wird aber in dem Schreiben, das dem Herrn Kollegen Hirſch zugegangen iſt, beſtritten, ſo daß Meinung gegen Meinung ſteht. Nun habe ich keine Urſache, an dem, was uns von den Malergehilfen unterbreitet worden iſt, zu zweifeln; im Gegenteil: da die Leute mit ihrer Perſon, mit ihrem Namen dafür einſtehen, nehme ich an, daß ſie uns die Wahrheit geſagt haben und