Sitzung vom 19. März 1913 Was die Arbeiter anbetrifft, ſo möchte ich dar⸗ auf aufmerkſam machen, daß ſelbſtverſtändlich die Verwaltung des Arbeitsnachweiſes gar nicht in der Lage iſt, zu erforſchen, ob der Arbeitnehmer orga⸗ niſiert iſt oder nicht; auch glaube ich nicht, daß ein Arbeiter danach gefragt wird. (Stadtv. Hirſch: Das iſt doch geſchehen; wenn Sie nichts davon wiſſen, können wir doch nichts dafür!) Vorſteher Dr Frentzel (unterbrechend): Herr Kollege Hirſch, ich muß bitten, dieſe Zwiſchenrufe doch nicht in ſo lautem Ton zu machen. Stadtv. Dr. Rothholz (fortfahrend): Erregen Sie ſich doch nicht ſo, Sie haben ja das Schlußwort und können mir ja nachher entgegnen. — Die Be⸗ ſtellungen laufen ein, und ſelbſtverſtändlich läßt ſich der Arbeitsnachweis angelegen ſein, die Beſtellungen unter möglichſter Berückſichtigung der Wünſche der Auftraggeber auszuführen. Infolgedeſſen, meine Herren, bitte ich Sie, ebenſo wie der Herr Kollege Stadthagen, den Antrag der Sozialdemokraten ab⸗ zulehnen. (Bravo! bei den Liberalen — Hört, hört! bei den Sozialdemokraten.) Stadtv. Hirſch (Schlußwort): Meine Herren! Der Herr Vertreter des Magiſtrats hat ſeine Aus⸗ führungen damit geſchloſſen, daß kein Anlaß vorliege, einen Antrag zu ſtellen, ſondern daß wir den Weg der Beſchwerde hätten beſchreiten können. Welchen Weg wir wählen, um eine Angelegenheit zu erörtern, das muß uns ſchon der Vertreter des Magiſtrats ſelbſt überlaſſen. Was ſpeziell dieſen Fall betrifft, ſo, glaube ich, kann Herr Stadtrat Spiegel nicht darüber klagen, daß wir irgendwie illoyal verfahren ſind. Als ich zuerſt durch eine Mitteilung, die mir von der Orga⸗ niſation der Maler zugegangen war, davon hörte, habe ich mich ſofort telephoniſch mit Herrn Stadtrat Spiegel in Verbindung geſetzt und ihm geſagt: das und das iſt mir zu Ohren gekommen. Herr Stadtrat Spiegel hat mir verſprochen, ſofort eine Unter⸗ ſuchung zu veranſtalten, und er hat mir dann das Ergebnis ſeiner Unterſuchung mitgeteilt. Ich habe dieſe Mitteilung den Herren, die mich zuerſt infor⸗ miert hatten, überſandt, und dieſe erwiderten mir, daß es ſich nicht ſo verhält. Hiervon habe ich um⸗ gehend wieder Herrn Stadtrat Spiegel in Kenntnis geſetzt und ihm geſchrieben, daß wir heute einen An⸗ ſh2 einbringen werden. Loyaler kann man nicht ver⸗ fahren. (Sehr richtig! bei den Sozialdemokraten.) Uns lag nicht daran, das in der Oeffentlichkeit zu verhandeln, und da möchte ich den unerhörten Zuruf des Herrn Kollegen Crüger feſtnageln. (Zuruf bei den Liberalen.) Bei Ihnen iſt ja nichts unerhört; von Ihnen iſt man ja andere Dinge gewohnt! — Als Herr Stadt⸗ rat Spiegel ſeine Ausführungen ſchloß, ſagte Herr Dr Crüger: Dann erfährt ja die Oeffentlichkeit nichts 173 davon! So, glaube ich, lautete der Zuruf. Sie glau⸗ ben alſo, daß wir die Sache nur deswegen ange⸗ ſchnitten haben, damit die Oeffentlichkeit etwas davon erfährt. Das ſagt ein Mitglied einer Fraktion, die angibt, auch die Intereſſen der Arbeiter zu vertreten, die in den Hirſch⸗Dunckerſchen Vereinen organiſiert ſind. Denn es handelt ſich nicht nur um einen Ver⸗ ſtoß gegen die freiorganiſierten Arbeiter, ſondern auch gegen die Hirſch⸗Dunckerſchen und die Chriſtlichen, kurz gegen alle organiſierten Arbeiter. Ob das eine Vertretung von Arbeiterintereſſen iſt, überlaſſe ich dem Urteil der Oeffentlichkeit. Meine Herren, bevor ich zu den prinzipiellen Ausführungen komme, möchte ich zunächſt auf die Frage eingehen, ob ſolche Fälle, wie ſie mein Freund Lehmann erwähnt hat, vorgekommen ſind oder nicht. Herr Stadtrat Spiegel beſtreitet es. Wir ſind es gewohnt, daß, wenn von unſerer Seite irgend etwas vorgebracht wird, der Magiſtrat ſagt: es iſt uns von den Beamten mitgeteilt worden, daß das nicht der Fall iſt. Die Arbeiter werden als Lügner hingeſtellt, und nur die Beamten ſagen die volle Wahrheit. Hier ſind die ſchriftlichen Ausſagen der Maler, die zurück⸗ gewieſen worden ſind. Ich werde Herrn Stadtrat Spiegel nachher die Namen nennen und möchte ihn bitten, die von mir angegebenen Perſonen mit dem ſtädtiſchen Vermittler zu konfrontieren; dann wird ſich die Wahrheit ermitteln laſſen. Sie werden doch nicht glauben, daß uns die Arbeiter die Mitteilungen zu ihrem Vergnügen zugehen laſſen! Dann wird ſich herausſtellen, wer die Unwahrheit geſagt hat; die Ar⸗ beiter nicht! Es heißt hier in einem Schreiben: Am Donnerſtag, den 6. März 1913 war ich auf dem Arbeitsnachweis der Stadt Charlotten⸗ burg, um Arbeit zu finden. Der Vermittler kam raus und fragte, ob Unorganiſierte an⸗ weſend ſind, da ſolche geſucht werden. (Hört, hört! bei den Sozialdemokraten.) In einem zweiten Schreiben heißt es: Der Arbeitsvermittler hat gefragt, ob ich or⸗ ganiſtert ſei. Darauf habe ich ja geſagt. Da hat der Vermittler geſagt, daß ich keine Arbeit be⸗ kommen kann. Meine Herren, das ſaugen ſich doch die Leute nicht aus den Fingern! (Stadtrat Ir Spiegel: Welchen. Tag war das?) — Ich gebe Ihnen privatim die Namen; ich habe keine Veranlaſſung, ſie hier öffentlich in der Stadt⸗ verordnetenverſammlung zu nennen, namentlich da die Herren rund heraus geſagt haben, daß ſie ſich um ſolche Sachen nicht kümmern. Herr Stadtrat Dr Spiegel ſagte weiter, man hätte den Beſchwerdeweg beſchreiten können. Ein Mitglied des Fachausſchuſſes hat ſich ja an Sie ge⸗ wandt, Herr Stadtrat, und Sie wollten ja auch ver⸗ mitteln. Da iſt ja Ihr Antwortſchreiben. Sie können aus allem erſehen, daß uns nichts ferner gelegen hat, als öffentlich irgend welchen Skandal zu provozieren. Nun zu den prinzipiellen Ausführungen des Herrn Stadtrat Spiegel. Da muß ich ſagen, daß ſie mir im höchſten Grade bedenklich erſcheinen. Herr Stadtrat Spiegel ſtellte es als unerhört hin, daß im Jahre 1902 von einem uns naheſtehenden Mitgliede der Deputation der Antrag geſtellt worden ſei, daß