174 bei Streiks und Ausſperrungen der Arbeitsnachweis ſeine Tätigkeit einſtellen ſolle. Meine Herren, das iſt der Standpunkt, den ich auch einnehme und den auch alle meine Freunde vertreten. Das iſt aber nicht etwa bloß der Standpunkt, auf dem wir ſtehen, ſon⸗ dern dieſe Auffaſſung vertreten auch Sozialpolitiker aus dem bürgerlichen Lager. — Herr Stadtrat Spiegel, es gibt ja außer Ihnen noch andere Sozial⸗ politiker! (Rufe: Lauter!) — Bitte, kommen Sie doch her! (Große Heiterkeit.) Dieſer Standpunkt iſt auch bereits in verſchiedenen ſtädtiſchen Arbeitsnachweiſen zum Ausdruck gekom⸗ men. Alſo ſo ganz unerhört iſt das nicht. Wir haben uns aber ſchließlich damit begnügt — wir haben die Frage ja nicht nur in der Deputation für den Arbeits⸗ nachweis, ſondern auch hier im Plenum erörtert —, daß bei Ausbruch von Streiks oder bei Sperren durch ein Plakat bekannt gemacht wird, daß in dem und dem Betrieb ein Streik ausgebrochen oder über den und den Betrieb die Sperre verhängt iſt. Nur iſt leider dieſer Grundſatz hier nicht befolgt worden. Herr Stadtrat Dr. Spiegel meinte, die Arbeit⸗ geber könnten den Arbeitsnachweis nur benutzen, wenn er ihnen Arbeitskräfte zuweiſt, wie ſie ſie ver⸗ langen. Ja, in dieſer Allgemeinheit iſt der Grundſatz zweifellos richtig, aber hier handelt es ſich doch um etwas ganz anderes! Hier handelt es ſich um eine Ausſperrung, die von den Arbeitgebern, von den or⸗ ganiſierten Arbeitgebern frivol inſzeniert iſt, um eine ganz planmäßige Ausſperrung zum Zweck der Ver⸗ nichtung der Arbeiterorganiſationen. Wenn da nun die Arbeitgeber unter ſich ausgemacht haben: wir ſtellen mmchen Arbeiter nicht ein, wenn ſie ſich an die ſtädtiſchen Arbeitsnachweiſe wenden und ſagen: wir verlangen nur unorganiſierte Arbeiter, und wenn dann die ſtädtiſchen Arbeitsnachweiſe kommen und ſagen: wir fragen die Arbeiter, ob ſie organiſiert ſind oder nicht und vermitteln nur unorganſierte, dann iſt das kein Arbeitsnachweis mehr, ſondern ein Streikbrechervermittlungsbureau, (Sehr richtig! bei den Sozialdemokraten.) und ich möchte nicht, daß unſer Arbeitsnachweis ſo tief herabſinkt. Meine Herren, dann hat Herr Stadtrat Spiegel mal irgend etwas von einem Arbeitsnachweis in Hannover läuten hören. Die Frage iſt ja doch über⸗ all, möchte ich ſagen, beſprochen worden und auch ſchon überall richtig geſtellt worden. Herr Stadtrat Spiegel ſagte: die Sozialdemokraten in Hannover verlanaen, daß im Malergewerbe ſozialdemokratiſch organiſterte Arbeiter bevorzugt werden. Das verhält ſich ja weſentlich anders. Zwiſchen den Organiſationen der Arbeitgeber und Arbeitnehmer, und zwar allen Arbeitnehmeror⸗ ganiſationen im Malergewerbe, war ein Tarif abge⸗ ſchloſſen worden, der drei Jahre beſtand. In dieſem Tarif hieß es in bezug auf den Arbeitsnachweis: Zum Zwecke der Durchführung der im Tarif⸗ vertrag vereinbarten Bedingungen iſt es Auf⸗ gabe der Organiſationen, in allen Orten, wo Sitzung vom 19. März 1913 die örtlichen Verhältniſſe es geſtatten, die Er⸗ richtung von auf paritätiſcher Grundlage be⸗ ruhenden Arbeitsnachweiſen anzuſtreben und ihre Arbeitsnachweiſe an paritätiſche Arbeits⸗ nachweiſe anzugliedern. Die Benutzung ſoll für die Vertragsteile obligatoriſch ſein. Das war ein Vertrag, der drei Jahre beſtand. Da⸗ nach ſind die Vertragsteile, d. h. Arbeitgeber und Arbeitnehmer, verpflichtet geweſen, ſich gegenſeitig zu unterſtützen. Die organiſterten Arbeitgeber ſollten nur organiſterte Arbeitnehmer einſtellen, und umge⸗ kehrt ſollten die organiſierten Arbeitnehmer die Ar⸗ beit bei organiſierten Arbeitgebern bevorzugen. Das iſt der berühmte Fall in Hannover, wo angeblich die ſozialdemokratiſch organiſierten Arbeitnehmer ver⸗ langten, daß nur ihnen Arbeit nachgewieſen werde. Es handelt ſich überhaupt um organiſierte Arbeitnehmer, auch um Hirſch⸗Dunckerſche und chriſtlich organiſterte. Herr Stadtrat Spiegel meinte, die Wünſche der Arbeitgeber werden berückſichtigt. Ja, aber werden auch die Wünſche der Arbeitnehmer berückſichtigt? Glauben Sie wirklich, daß, wenn heute Arbeiter auf den ſtädtiſchen Arbeitsnachweis kommen und ſagen: wir wollen Arbeit nachgewieſen haben, aber nur bei Arbeitgebern, von denen feſtſteht, daß ſie auch an⸗ ſtändige Löhne zahlen, daß ſie anſtändige Arbeits⸗ bedingungen einhalten, — glauben Sie, daß dann der ſtädtiſche Arbeitsvermittler jeden Arbeitgeber, der ſich meldet, fragt: zahlſt du auch anſtändige Lö⸗ hne, hältſt du auch anſtändige Arbeitsbedingungen ein? Das würde der Vermittler nicht wagen. Denn er weiß, daß das parteiiſch wäre, und die Arbeitgeber würden ihm das ſehr übel nehmen. Aber den Arbei⸗ tern gegenüber glaubt man ſich alles erlauben zu können. Meine Herren, ich glaube, daß durch dieſe Tat⸗ ſachen, die ich hier angeführt habe und die nicht be⸗ ſtritten werden können — die Unterſuchung wird er⸗ geben, daß das, was wir geſagt haben, richtig iſt —, bewieſen iſt, daß der Arbeitsnachweis während der Ausſperrung der Maler nicht die Unparteilichkeit an den Tag gelegt hat, die man von einem paritätiſchen Arbeitsnachweis verlangen muß. Ich bitte nicht zu vergeſſen, daß ſich der ganze Kampf im Malerge⸗ werbe um die Frage des Arbeitsnachweiſes dreht. Ich mache Sie da auf den Artikel aufmerkſam, den die 3 Unparteiiſchen, die Schiedsrichter im Malerge⸗ werbe, die Herren Dr Prenner, Rath und v. Schulz im „Einigungsamt“ veröffentlicht haben, in dem aus⸗ drücklich darauf hingewieſen wird, eine wie große Rolle die Frage des Arbeitsnachweiſes in dem Kampf ſpielt. Es heißt dort: als hauptſächlichſter Grund für die Ausſperrung werden die Beſtimmungen über den Arbeitsnachweis angegeben. Dieſe Beſtimmungen lauten: Zum Zwecke der Durchführung der im Tarif⸗ vertrag vereinbarten Bedingungen iſt es Auf⸗ gabe der Organiſationen, in allen Orten, wo die örtlichen Verhältniſſe es geſtatten, die Er⸗ richtung von auf paritätiſcher Grundlage be⸗ ruhenden Arbeitsnachweiſen anzuſtreben und ihre Arbeitsnachweiſe an paritätiſche Arbeits⸗ nachweiſe anzugliedern. An einer anderen Stelle heißt es im Schiedsſpruch: Mit der neuen Faſſung des Vertragsſchemas über Arbeitsnachweiſe bezweckten die Unpartei⸗ iſchen eine weitere Förderung der paritätiſchen Arbeitsnachweiſe.