Sitzung vom 19. März 1913 Alſo die Unparteiiſchen haben im Schiedsſpruch aus⸗ drücklich geſagt, daß die paritätiſchen Arbeitsnachweiſe gefördert werden ſollen. Die Arbeitgeber ſind damit nicht einverſtanden, ſie ſperren die Arbeiter aus und nun kommen ſie und ſagen zu dem ſtädtiſchen Arbeits⸗ vermittler: vermittle uns hübſch unorganiſierte und nicht organiſierte Arbeiter. Wer da noch nicht ein⸗ ſieht, daß das eine Parteilichkeit zugunſten der Unter⸗ nehmer iſt, wer noch nicht einſieht, daß der Arbeits⸗ nachweis direkt den kämpfenden Arbeitern in den Rücken fällt, der iſt ſo verblendet, daß es wirklich keinen Zweck hat, mit ihm darüber zu reden. Daß Sie von vornherein nicht für unſeren An⸗ trag zu haben ſind, iſt ſelbſtverſtändlich. Sie haben ja ſelbſt zugegeben, direkt oder indirekt oder etwas mehr oder weniger verblümt, daß Sie von der Sache nichts verſtehen. Wenn das der Fall iſt, ſollten Sie ſich der Abſtimmung enthalten. (Lachen bei den Liberalen.) Ich würde jedenfalls über einen Antrag, von dem ich nichts verſtehe, nicht abſtimmen. (Lachen bei den Liberalen.) Das werden Sie aber nicht tun; Sie wollen den Ma⸗ giſtrat vor einem Mißtrauensvotum bewahren. Un⸗ ſer Antrag iſt jedoch nicht als Mißtrauensvotum ge⸗ dacht; wir wollen damit nur bezwecken, daß die Maß⸗ nahmen, die zugunſten der Arbeitgeber ergriffen ſind, abgeſchafft werden. Wenn Sie den Antrag ſo auslegen, daß er ein Mißtrauensvotum gegen den Magiſtrat iſt, und ihn deshalb ablehnen, ſo iſt das nichts weiter als eine faule Ausrede. Sie ſtellen ſich auf die Seite der Unternehmer, und das iſt der Grund, aus dem Sie gegen unſeren Antrag ſtimmen werden. Wir können Sie nicht zwingen, unſern Antrag anzunehmen; wir ſind nicht in der Lage, Sie zu be⸗ wegen, für vernünftige, ſozialpolitiſch einſichtige An träge zu ſtimmen. (Lachen bei den Liberalen. Stadtv. Dr Crüger: Patentierter Sozialpolitiker!) — Herr Kollege Crüger, was Sie für vernünftig! halten, das iſt durchaus das Gegenteil davon. (Lachen bei den Liberalen.) — Alſo wir ſind nicht in der Lage, Sie dazu zu be⸗ wegen, daß Sie einem ſo vernünftigen und gerechten Antrag zur Annahme verhelfen. Aber wenn Sie ihn ablehnen, dann können wir wenigſtens ſagen, daß wir unſere Pflicht getan und alles verſucht haben, um einmal dafür zu ſorgen, daß unſer Arbeitsnachweis wirklich paritätiſch ſeines Amtes waltet, und zweitens, um zu verhindern, daß der Ruf unſeres Arbeitsnach⸗ weiſes geſchmälert wird. (Bravo! bei den Sozialdemokraten.) Bürgermeiſter Dr Maier: Bei der Wichtigkeit und Bedeutung der Sache halte ich es doch für not⸗ wendig, hier beſonders folgendes zu erklären. Nach den Grundſätzen, die wir uns anzuwenden bemühen, iſt es unzuläſſig, daß ein Arbeiter im Ar⸗ 175 beitsnachweis gefragt wird, ob er organiſiert iſt oder nicht. Wenn er danach doch gefragt ſein ſollte, was zu unterſuchen bleiben wird, dann, meine Herren, wäre das unzuläſſig. Ich glaube, daß hier keiner im Saal iſt, der einen andern Standpunkt vertritt als den, den ich eben gekennzeichnet habe. (Bravo! und Sehr richtig!) Stadtv. Dr Crüger: Meine Herren! Wenn Herr Kollege Hirſch, der das Wort Vernunft ſo oft im Munde führt, es dementſprechend auch in die Tat überſetzen würde, ſo würden wir, glaube ich, aus der⸗ artigen Anläſſen, wie es hier der Fall geweſen iſt, weniger erregte Debatten haben. Herr Kollege Hirſch mag es mir nicht übel nehmen, aber dieſe Erregung aus dieſen Vorgängen hier hat wirklich etwas Ge⸗ künſteltes an ſich. Wenn wirklich einige Fälle von Ungehörigkeiten ſeitens des Arbeitsvermittlers vor⸗ gekommen ſind, — ſtärker, als es hier durch den Ma⸗ giſtrat, durch Herrn Stadtrat Spiegel und jetzt durch den Herrn Bürgermeiſter, geſchehen iſt, konnte der Arbeitsvermittler nicht zur Ordnung gewieſen wer⸗ den, — für den Fall der Richtigkeit der Behauptung Allerdings fehlt nur noch eine Kleinigkeit: es muß nämlich der Beweis der Richtigkeit für die Be⸗ des Herrn Kollegen Hirſch erbracht werden. (Sehr richtig!) Aber ſo machen es die Herren von der Linken: ſie nehmen es für ſich in Anſpruch, daß ihnen jedes Wort, das ſie hier vorbringen — ſelbſtverſtändlich in gutem Glauben, ſie referieren, was ihnen überbracht iſt —, auch ohne weiteres geglaubt und vorausgeſetzt wird, daß es den Tatſachen entſpricht, zumal wenn ihnen die Dinge aus Arbeiterkreiſen zugebracht ſind. Das, was aus Arbeitgeberkreiſen vorgebracht iſt, iſt natürlich präſumtiv nicht wahr, dem bringen ſie das größte Mißtrauen entgegen. Ich glaube, da iſt unſer Standpunkt der gerechtere; es entſpricht mehr der Billigkeit, wenn wir ſagen: wir prüfen alles, ganz gleichgültig, von welcher Seite es kommt. Nun ſagt Herr Kollege Hirſch, er würde nach⸗ her Herrn Stadtrat Spiegel die Namen der Betref⸗ fenden übermitteln. Was haben wir denn davon! Es muß uns doch der Beweis erbracht werden, daß die Beſchwerden des Herrn Kollegen Hirſch und ſeiner Freunde gerechtfertigt ſind; denn das, was er nachher Herrn Stadtrat Spiegel übermittelt, iſt für uns kein Material — es mag für ihn Material ſein —, und ſolange er nicht vor der Oeffentlichkeit den Beweis der Wahrheit für die Richtigkeit ſeines Antrages an⸗ tritt, können wir ſelbſtverſtändlich den Antrag nicht annehmen. (Sehr richtig!) Nun ſagt Herr Kollege Hirſch, er müſſe mich feſtnageln, weil ich geſagt habe, die Ausführungen ſeien nur für die Oeffentlichkeit beſtimmt. Solange uns nicht derartige Anträge ſubſtanziiert begründet werden, ſo lange bleibt uns nichts anderes übrig als die Annahme, daß ſie Veranlaſſung ſind, um Reden zum Fenſter hinaus zu halten. (Sehr richtig1)