136 Sitzung vom aufhalten. Daraufhin wurde der Polizeipräſident vom Magiſtrat erſucht, für Abhilfe zu ſorgen. Die Polizei ging ſehr energiſch vor, und es regnete Strafmandate über Strafmandate gegen die Fuhrleute. Aber er⸗ reicht wurde gar nichts. Es konnte nichts erreicht werden, da die meiſten Marktleute eben weit her kommen und nicht in der Lage ſind, ihre Fuhrwerke wieder nach Haus zu bringen. Das iſt auch in einem Schreiben des Vereins der Standinhaber auf den Wochenmärkten an den Magiſtrat ausgeſprochen, worin es heißt: Geeignete Plätze zur Aufſtellung von Fuhr⸗ werken in der Nähe des Wittenbergplatzes gibt es leider nicht. Denn die Standinhaber ſind mur zum kleinſten Teil Charlottenburger. Aus allen Vororten kommen die Händler' auf den Markt. Infolge der immer wachſenden Aus⸗ dehnung Charlottenburgs iſt es ſchon für die Charlottenburger Händler ſchwierig, zeitraubend und koſtſpielig, ihre Fuhrwerke während der Marktzeit wieder nach Haus zu bringen. Allen anderen Händlern aber iſt dies ganz unmöglich. Letzteres bedarf wohl keiner weiteren Darlegung. Es dürfte genügen, auf die gewaltigen Ent⸗ fernungen hinzuweiſen. Dieſer Verein hat nun von dem Magiſtrat be⸗ anſprucht, man möge ihm das Grundſtück in der Nürn⸗ berger Straße zum Aufenthalt der Fuhrwerke über⸗ laſſen. Natürlich konnte der Magiſtrat das Erſuchen nur ablehnen, da er ein Millionengrundſtück nicht für den Markt hergeben kann, der nur wenige tauſend Mark einbringt. Wie Sie aus dem Schreiben des Vereins der Standinhaber gehört haben, ſin d die Händler zumkleinſten Teil Charlottenburger; ſie kommen aus weiter gelegenen Vororten, aus Pan⸗ kow, Neukölln, Potsdam uſw. Sie erſehen daraus, daß der Markt nicht ſo iſt, wie man ſich ihn ſonſt eigentlich vorſtellt. Früher kamen die Bauern mit ihren Erzeugniſſen nach dem Markt; jeder blieb an ſeinem Stand, bis er das letzte Ei verkauft hatte, und das war immer friſch und von ſeinen eigenen Hühnern. Heute iſt die Sache ganz anders. Händler kommen aus den weiteren Vororten und verkaufen ihre Waren auf dem Markt. Sie machen dadurch den Charlotten⸗ burger Gewerbetreibenden das Leben ſchwer und nehmen ihnen das Brot. Darauf iſt es auch zurück⸗ zuführen, daß im Oſten von Charlottenburg in den Seitenſtraßen ſo viele Läden leerſtehen, die zu ſehr billigen Preiſen für Nahrungsmittel⸗Geſchäfte ver⸗ mietbar wären. Wenn von mancher Seite behauptet wird, die Preiſe auf dem Markt ſeien ſo ſehr billig, ſo glaube ich nicht, daß das zutrifft; denn Berlin hat ſeit Jahr⸗ zehnten keine Märkte mehr, es iſt auch ſchon ſeit Jahren damit umgegangen, die Markthallen allmäh⸗ lich eingehen zu laſſen, und trotzdem, meine Herren, ſind in Berlin, wenn wir natürlich vom Ttergarten⸗ viertel abſehen, die Lebensmittelpreiſe durchgängig etwas billiger als in den weſtlichen Vororten, wo noch Wochenmärkte ſtattfinden. Bezüglich des Marktes muß ich auch auf die un⸗ hygieniſche Seite hinweiſen. Denn gerade weil es Händler und nicht Produzenten ſind, die den Markt beſuchen, ſo haben ſie auch die Gewohnheit der Händ⸗ ler, möglichſt viel Ware auszulegen, um den Käufer an ihren Stand heranzulocken. Infolgedeſſen bleiben große Qualitäten von Fleiſch, Geflügel, toten Fiſchen uſw. übrig, und wenn die den ganzen Vormittag in der Sonne und im Staub gelegen haben und dann 9. April 1913 mittags wieder nach Hauſe geſchafft werden, um am nächſten Tage wieder einem anderen Wochenmarkt zu⸗ geführt zu werden, ſo ſind dieſe Zuſtände weit von dem entfernt, wie ſich Herr v. Jagow das Feilhalten von Lebensmitteln vorſtellt. Nun haben ſich die Verhältniſſe inſofern geändert, als mitten auf dem Wittenbergplatz plötzlich ein Mon⸗ ſtrum von Bau errichtet wurde. Dieſe Baulichkeit hat die Form eines Kreuzes, deſſen längere Achſe 50 m lang iſt und ſich zu beiden Seiten weit in die beiden Platzhälften erſtreckt. Uns hat in der Stadtver⸗ ordnetenverſammlung immer nur eine Skizze von den Grundlinien vorgelegen, und es hieß, es komme hier eine Paſſerelle hin; etwas Näheres war uns gar nicht bekannt. In der Vorlage vom 1. November 1909 betreffend die Untergrundbahn heißt es: Am Wittenbergplatz ſoll durch eine ober⸗ irdiſche vom Tageslicht erhellte Anlage das Um⸗ ſteigen auf die einzelnen Bahnſteige durch eine nur 2,80 m über den Bahnſteigen liegende ſoge⸗ nannte Paſſerelle erleichtert werden. Meine Herren, man hat ſich eines franzöſiſchen Wortes bedient. Paſſerelle bedeutet nach dem Wörterbuch von Sachs⸗Villatte in eiſenbahntechniſcher Hinſicht „einen kleinen Viadukt, deſſen Durchgang zur Ver⸗ bindung von durch die Bahn getrennten Grundſtücken dient.“ Klein iſt dieſer Bau nicht, ein Viadukt — eine Ueberbrückung — iſt er auch nicht; es macht den Eindruck, als wenn die Untergrundbahn hier ein Ge⸗ bäude in Form einer rieſigen Markthalle aufführen wollte, um die Erinnerung an den Markt auf dem Wittenbergplatz, wenn er verſchwunden ſein ſollte, auf⸗ recht zu erhalten. Jedenfalls glaube ich, daß hier der Magiſtrat eine Unterlaſſungsſünde begangen hat, wenn er uns von dieſer Größe und namentlich der Höhe des Baues keine Kenntnis gab; die Grundlinien waren wohl durch den Zweck, dem das Gebäude zu dienen hat, den Umſteigeverkehr, gegeben; aber daß man einen großen Mittelbau in der Höhe eines vier⸗ ſtöckigen Hauſes errichtet, das hat wohl niemand von uns erwartet. Ich möchte den Magiſtrat um Aus⸗ kunft bitten, wie ſo etwas möglich war, ohne uns da⸗ von Kenntnis zu geben. Dieſes große Gebäude trennt den großen Witten⸗ bergplatz in zwei kleinere Hälften. Infolgedeſſen iſt es nicht mehr möglich, den Markt aufeiner Seite des Platzes ſtattfinden zu laſſen. Magiſtrat hat ſich deshalb an den Polizeipräſidenten mit der Bitte ge⸗ wendet, zu geſtatten, daß für die Folge der Markt ſa⸗ wohl auf der Nord⸗ wie auf der Südſeite ſtattfinden dürfe. Der Polizeipräſident hat das entſchieden abge⸗ lehnt. Er wies auf die Beläſtigung und Gefährdung der Marktbeſucher und Paſſanten hin, die eintreten würde, wenn der Markt auf beiden Seiten ſtattfinden würde. Er fährt dann fort: Ich ſtelle vielmehr anheim, den Wochenmarkt, für den ein Bedürfnis kaum noch zu erkennen iſt, ganz eingehen zu laſſen oder ihn ſoweit einzuſchränken, daß er auf einem Platzteile des Wittenbergplatzes untergebracht werden kann. Auch der geplanten Unterbringung von Verkaufsſtänden auf den Bürgerſteigen vor den Häuſern kann nicht zugeſtimmt werden. Die Abhaltung des Wochenmarktes auf den Bürger⸗ ſteigen vor den Häuſern verträgt ſich weder mit dem Charakter der Stadtgegend, noch iſt ſie im Verkehrsintereſſe angängig. 6 Nachdem der Magiſtrat dieſen Beſcheid vom Polizeipräſidenten bekommen hat, blieb nun weiter