Sitzung vom 23. April 1913 Fußgängerverkehr auf dem Wittenbergplatz ſo gut wie gar nicht vorhanden iſt. Nun kann es ſich doch, wenn wirklich eine Beſchränkung des Fußgänger⸗ verkehrs ſtattfindet, nur darum handeln, daß ſie für wenige Stunden, während zweier halber Tage in der Woche erfolgt. Das ſollte doch für uns nicht ein aus⸗ ſchlaggebender Grund ſein, um den ſo ſehr begehrten Wochenmarkt einfach aufzuheben. Wenn während des Wochenmarktes, wie Herr Stadtbaurat Bredt⸗ ſchneider ſagt, die Leute nicht mehr über den Platz gehen können, ſo iſt das auch kein allzu großes Opfer für die Fußgänger, wenn ſie an dieſen beiden halben Tagen einmal im rechten Winkel den Platz überſchreiten. Weiter ſagt der Herr Bürgermeiſter, die Auf⸗ hevung des Wochenmarktes wäre im Intereſſe des Verkehrs unbedingt notwendig. Zunächſt ſehe ich die Notwendigkeit nicht ein. Auf einem Platz wird ſich der Verkehr immer anders vollziehen als auf der Straße, er wird nie ſo begangen werden wie die Straße, der Platz wird verhältnismäßig — ausge⸗ nommen während der beiden halben Tage leer bleiben. Ter Herr Bürgermeiſter ſagt dann: wir werden zur Aufhebung des Marktes gezwungen werden. Ich ſollte doch meinen, das können wir ruhig abwarten, ob von ſeiten der Polizei ein Einſpruch erfolgt. Auch da müßten wir im Intereſſe des größten Teils der Hausfrauen, die ſich petitionierend an den Magiſtrat gewandt haben, dagegen Einſpruch erheben und zu⸗ ſehen, daß der Markt auf jeden Fall bleibt. Wenn man die Verlegung des Marktes nach einer Straße, die vom Verkehr vollſtändig abge⸗ ſchnitten iſt, befürwortet, ſo iſt das nach meinem Dafürhalten gleichbedeutend mit einer vollſtändigen Aufhebung. Wenn ſich der Magiſtrat damit einver⸗ ſtanden erklären ſollte, dann können wir ſchon gleich heute den Beſchluß faſſen, den Markt eingehen zu laſſen. In anderen Gemeinden geht man anders vor. Da ſucht man die Wochenmärkte zu erhalten, zu vergrößern und zu vermehren. Letzthin iſt ein Brief von einem Stadtrat in Schöneberg vorgeleſen worden, worin geſagt wurde: in demſelben Augen⸗ blick, wo dort nur ein kleiner Platz für den Wochen⸗ markt eingerichtet worden war, ſind die Lebensmittel⸗ preiſe in der ganzen Gegend ſofort geſunken. Wil⸗ mersdorf richtet einen neuen Marktplatz in Wil⸗ helmsaue ein. Und wir ſollen gegen das Intereſſe von Tauſenden von Hausfrauen, und ohne daß es unbedingt notwendig iſt, heute beſchließen, daß wir den Wochenmarkt aufheben. Meine Herren, ich ſehe wirklich die Notwendigkeit dazu nicht ein. Ich möchte es nicht weiter begründen, weshalb gerade die Lebens⸗ mittel auf dem Wochenmarkt billiger ſind als anders⸗ wo. Wir ſollten uns doch einfach bei der Beurteilung dieſer Frage von dem Gedanken leiten laſſen: wir müſſen alles tun, damit ſich die Ernährung großer Kreiſe der Bevölkerung ſo billig wie möglich voll⸗ ieht. Deshalb müſſen wir danach ſtreben, den ochenmarkt am Wittenbergplatz ſolange wie mög⸗ lich der Bevölkerung zu erhalten. Stadtv. Wöllmer: Meine Herren! Ich möchte den Streit über den Wert der offenen Märkte nicht noch einmal aufrollen. Ich möchte mich da ganz den Aus⸗ führungen des Magiſtratsvertreters anſchließen, daß die Sachlage durch die Petitionen vollſtändig ver⸗ ſchoben iſt und daß es ſich hier nicht darum handelt, 197 offenen Märtte beſtehen bleiben oder abgeſchafft wer⸗ den ſollen. Es ſind lediglich verkehrstechniſche Gründe, die gebieteriſch fordern, daß der Markt auf⸗ gehoben wird. Dieſe beſtimmte Verſicherung haben wir von den beiden Vertretern des Magiſtrates, die gerade im Tiefbauweſen unterrichtet ſind, gehört. Der Herr Bürgermeiſter hat mit Beſtimmtheit er⸗ klärt, daß die Entwicklung der Gegend, der große Verkehr, der ſich bei Eröffnung des Untergrundbahn⸗ hofs dort ergeben wird, die Beſeitigung des Wochen⸗ marktes erheiſcht. In demſelben Sinne waren die Ausführungen des Herrn Stadtbaurats für Tiefbau gehalten. Ich ſchließe mich auch den Ausführungen des Herrn Stadtbaurats Bredtſchneider an, wenn er darauf hinweiſt, daß der Ausſchußantrag ſo gefaßt iſt, daß der Magiſtrat damit nichts anfangen kann; denn dieſer Ausſchußantrag bedeutet nichts mehr und nichts weniger als eine nochmalige Unterſtreichung der Ab⸗ lehnung der Magiſtratsvorlage. Nachdem der Ma⸗ giſtratsantrag im Ausſchuß abgelehnt iſt, wird noch⸗ mals eine Reſolution oder ein Antrag, wie Sie es nennen wollen, vorgelegt, der in ſeinem erſten Teile noch einmal kräftig zum Ausdruck bringt: wir lehnen die Magiſtratsvorlage ab, und wir ſind der Anſicht, daß der Wochenmarkt auf jeden Fall beſtehen bleiben muß —, dann aber hinzufügt: ſolange, bis in der Nähe des Wittenbergplatzes ein anderer geeigneter Platz zur Abhaltung des Wochenmarktes gefunden wird. Der Antrag, den Herr Kollege Wenzke eben geſtellt hat, will dieſen Ausdruck noch etwas be⸗ ſtimmter faſſen, er will den Wochenmarkt ſolange be⸗ ſtehen laſſen, bis ein neuer Platz geſichert iſt. Auch das weiſt darauf hin, daß der Ausſchußantrag weiter nichts bedeutet als eine nochmalige Unter⸗ ſtreichung der Ablehnung der Magiſtratsvorlage. Ich mache Sie auf dieſe Konſequenz aufmerkſam. Wenn der Verkehr ſich derartig entwickelt hat, daß wir, ob wir wollen oder nicht, den Markt beſeitigen müſſen, dann kommt die Stadtverordnetenverſammlung in eine etwas merkwürdige Lage, indem ſie der Beſeiti⸗ gung des Marktes nachher zuſtimmen muß, obgleich ſie ſie vorher abgelehnt hatte. Meine Herren, ich bin der Anſicht, daß der An⸗ trag, den Kollege Dunck und ich im Ausſchuß ge⸗ ſtellt haben, der richtige war, einen Mittelweg dar⸗ ſtellte und doch wenigſtens eine bejahende Tendenz hatte. Der Antrag des Ausſchuſſes hat nur eine ver⸗ neinende Tendenz, während unſer Antraa zum Aus⸗ druck bringt: wir geben zu, verkehrstechniſche Gründe erfordern die Beſeitigung des Marktes. Ich bitte Sie, meine Herren, dem Ausſchußantrag nicht zuzu⸗ ſtimmen, ſondern den von uns im Ausſchuß ge⸗ ſtellten Antrag anzunehmen. Stadtv. Dunck: Meine Herren! Ich ſpreche jetzt nicht als Referent, ſondern nur für meine Perſon. Als die Unterſchriften auf dem Wittenbergmarkt am Dienstag vor 14 Tagen geſammelt wurden, war es den Hausfrauen vollſtändig unbekannt, daß der Markt nur die Hälfte der Ausdehnung wie ſeither haben ſollte; bekannt gegeben wurde das erſt am nächſten Tage durch das Referat in der Stadtverordneten⸗ verſammlung, wo ich ausführte, daß von den 280 Ständen 133 und außerdem noch 25 Sommerſtände verſchwinden müßten. Die Hausfrauen waren gar nicht im Klaren darüber, daß der Markt ſo reduziert ein entſcheidendes Urteil darüber abzugeben, ob die] würde, ſie waren nicht im Klaren darüber, daß der