198 ſo weſentlich reduzierte Markt ihnen nur wenig nutzen könnte; denn daß bei der gleichen Nachfrage und dem halben Angebot die Preiſe nicht billig bleiben werden, iſt doch wohl klar. Nun hat ſich die Agitation für die Folge ſo gebildet, daß der Verein der Standinhaber mit dem Kommunalen Frauen⸗ verein eine Verſammlung am vorigen Freitag ab⸗ gehalten hat. Was eigentlich aus dieſer Verſammlung herausgekommen iſt, können Sie ſehen, wenn ich Ihnen die Wünſche der Standinhaber und die Wünſche mitteile, die der Kommunale Frauenverein geäußert hat. Die Standinhaber ſchrieben in ihrer Petition an den Magiſtrat: Der Markt iſt heute ſeiner Lage nach auch derjenige Markt, auf dem das zahlungsfähigſte Publikum ſeine Einkäufe macht. Dieſem Um⸗ ſtand entſprechend hat ſich gerade der Markr Wittenbergplatz zu einer hohen Kulturſtufe ent⸗ wickelt. Die Händler ſind in der Lage, hier Waren zu führen, die an anderer Stelle mit Rückſicht auf die Preiſe und das anders geartete Publikum anzuſchaffen es ſich nicht lohnen würde. Es werden z. B. von den Gemüſe⸗ händlern auf dem Wittenbergplatz die feinſten Delikateßgemüſe gehandelt, früher noch, als ſie in den Geſchäften zu haben ſind. Aehnlich ver⸗ hält es ſich auch in den anderen Branchen. Die Fiſcher handeln z. B. auf dem Wittenbergplatz mit den feinſten Süßwaſſer⸗ und Seefiſchen wie z. B. Rheinlachs, einer Ware, die auf einem Markt wie dem Friedrich⸗Karl⸗Platz kaum ab⸗ zuſetzen wäre Ebenſo ſtark oder noch ſtärker iſt der Unterſchied dieſes Marktes im Vergleich zu den anderen Märkten in der Wild⸗ und Geflügelbranche ſowie bei den Fleiſchern. Man kann ſagen, daß der Markt Wittenbergplatz in dieſer Beziehung mit den erſtklaſſigſten Ge⸗ ſchäften konkurrenzfähig iſt. Aus dem Vorſtehenden folgt alſo: das ver⸗ wöhnte Publikum findet auf dieſem Markt alles beiſammen, was ſeinen Anſprüchen und Wün⸗ ſchen in bezug auf Führung feinſter Küche und ſchnelle und einfache Erlangung jeglicher dies⸗ bezüglicher Delikateſſen entſpricht. Das ſagt der Verein der Standinhaber. Und was ſagt der Kommunale Frauenverein? „Die Volks⸗ ernährung in den weiteſten Schichten wird furchtbar notleiden, wenn der Markt auf dem Wittenbergplatz aufgehoben wird!“ Das iſt ein ganz entgegengeſetzter Standpunkt. Der Kommunale Frauenverein war in dieſer Verſammlung wohl etwas betroffen, denn in dieſer Verſammlung waren 90% Standinhaber und 10 % Frauenrechtlerinnen und Hausfrauen. Die Vorſitzende hat gleich im Anfang erklärt, es ſei eigent⸗ lich nicht das Ziel und der Zweck des Kommunalen Frauenvereins, ſich um Märkte zu bekümmern, da aber doch die Volksernährung in den weiteſten Schichten ſo furchtbar gefährdet wäre, habe ſich dies⸗ mal der Verein auch mit der Marktfrage beſchäftigt. Sie ſehen, meine Herren, was aus dieſer Mesalliance zwiſchen Kommunalem Frauenverein und dem Verein der Standinhaber herausgekommen iſt! Nun wohne ich bekanntlich ſeit 15 Jahren am Wittenbergplatz, habe alſo ganz genau beobachten können, wie der Verkehr hat, der allgemeine Verkehr und der Verkehr auf dem Markt. Ich war früher, als die Gegend noch ruhig war, als noch keine Untergrundbahn beſtand, auch ſich in dieſer Zeit geſtaltet] ha Sitzung vom 23. April 1913 Anhänger des Marktes. Bei den Beobachtungen, die ich jede Woche zweimal machen konnte, mußte ſich aber meine Anſicht ganz in ihr Gegenteil umdrehen. Wie kommen die ortsfremden Standinhaber dazu, ſich fortwährend über die Polizeivorſchriften und die Wochenmarktsordnung hinwegzuſetzen! Jeder Char⸗ lottenburger Ladeninhaber, der ſein Gemüſe auch nur 2 em weiter auf den Bürgerſteig ſtellt, als er es nach der Polizeiordnung darf, wird ſofort beſtraft und wird veranlaßt, daß er es unterläßt. Die Stand⸗ inhaber aber laſſen ihre Wagen in der ganzen Um⸗ gebung des Wittenbergplatzes zu Hunderten herum⸗ ſtehen, alle Geſchäfte ſind dadurch behindert, ebenſo alle Paſſanten. Die Polizei kann auf die Dauer nicht dulden, daß ihre Geſetze und die Wochenmarkts⸗ ordnung fortwährend übertreten werden. Die Poli⸗ zei iſt genötigt, dieſen Markt zu ſchließen, wenn wir es nicht tun, und ich möchte bitten, daß wir es dann lieber tun. Denn laſſen wir ihn durch die Polizei ſchließen — wohin kommt es dann? Wir müſſen jetzt den Platz herrichten für Zwecke des Marktes und müſſen ihn noch einmal herrichten für die Zwecke, denen der Wittenbergplatz eigentlich dienen ſoll, indem er die gärtneriſchen Anlagen be⸗ kommt, die er früher bereits gehabt hat. Früher, als er dieſe gärtneriſchen Anlagen hatte, war der Markt dazwiſchen gar nicht übel. Aber wie wird er ſich jetzt auf dem verkleinerten Platz ausnehmen! Ich erinnere daran, daß, als wir die Untergrundbahn bewilligt hatten, vom Magiſtrat die bündigſte Er⸗ klärung abgegeben wurde: jawohl, die Anlagen kommen genau ſo wieder nach der Kleiſt⸗ und Tauentzienſtraße und Wittenbergplatz, wie ſie ge⸗ weſen ſind. Jetzt liegt uns nur die Skizze vor, wo⸗ nach ein paar Bäumchen auf den Platz hingeſetzt wer⸗ den ſollen. Das ſollen die alten Anlagen ſein! Früher hatten wir ſchöne Raſenflächen, Flieder⸗ ſträucher, Schneeballſträucher, die in ihrer wunder⸗ ſchönen Blütenpracht das Auge erfreuten. So dürfen wir den Wittenbergplatz nicht umgeſtalten, daß wir keine Anlagen mehr auf ihm anbringen können. Gehen Sie heute nach den prachtvollen Plätzen in Schöneberg, nach dem Baueriſchen Platz, nach dem Stadtpark, gehen Sie nach Wilmersdorf! Der ſteuer⸗ kräftige Einwohner, der in der Nähe des Wittenberg⸗ platzes für die Wohnung 3 bis 4000 ℳ zahlt, wird nach den ſchönen Plätzen anderer Gemeinden ziehen und ſich bedanken, am Wittenbergplatz zu wohnen, wenn ſolche Zuſtände dort bleiben. Nun möchte ich noch dem Herrn Kollegen Berg⸗ mann erwidern. Er hat darauf hingewieſen, daß die Fußgänger eigentlich nicht über den Marktplatz zu gehen brauchten. Im letzten Jahre war es nicht anders möglich, und ſolange der Bau währt, wird es nicht anders werden: wer von der Untergrund⸗ bahn kommt und nach der Bayreuther Straße will, der muß über den Markt. Es ſind Klagen vorge⸗ kommen, daß den Leuten, wenn die Schlächter ihre Haken nach den Wagen bringen, die Kleider zer⸗ riſſen wurden; Herren wurden die Ueberzieher einge⸗ riſſen, Damen bekamen Löcher in die Kleider. Fort⸗ während kommen Klagen, daß Paſſanten auf den ſchlüpfrigen Gemüſe⸗ und Obſtreſten ausgeglitten, ſind und ſich Arme und Beine verſtaucht n. Dann ſagt Herr Kollege Bergmann: Schöneberg und Wilmersdorf richten Märkte ein. Ja, das ſind heute ſolche Gegenden, wie es früher der Wittenberg⸗