Sitzung vom 23. April 1913 platz auch war. Früher war dies ein ruhiger Platz, ein großes Wohnzentrum, wo es keine Geſchäfte gab, wo es für den Bauunternehmer noch ein Riſtko war, in der Tauentzienſtraße Läden zu errichten, wo man lieber ſelbſt im Parterre Wohnungen baute. Das ſind eben noch in Schöneberg und Wilmersdorf die heutigen Verhältniſſe, es ſind abgelegene Gegen⸗ den. Warum ſoll nicht dort ein Markt errichtet wer⸗ den? Genau ſo wie früher auf dem Wittenbergplatz! Der Markt hatte damals ſein Gutes. Und dann, wie iſt es in Berlin? Berlin ſchafft die Märkte ab, ſchafft die Markthallen ab, und die Folge iſt — die Lebensmittel ſind in Berlin billiger als in Char⸗ lottenburg trotz des Marktes. Das iſt Tarſache. Meine Herren, ich möchte Sie bitten, entziehen Sie dem Wittenbergplatz nicht die großſtädtiſche Ent⸗ wicklung, zu der er heute berufen iſt. Es liegt auch im allgemeinen Intereſſe der Stadt, daß der Markt beſeitigt wird. Ich ſtimme für die Annahme der Magiſtratsvorlage. Stadtv. Jaſtrow: Meine Herren! Der Herr Bürgermeiſter ſagt, daß allgemeine Betrachtungen über die Zweckmaßigkeit der Märkte hier nicht am Platze ſeien, es handle ſich nur um die Verkehrsver⸗ hältniſſe. Ich gebe das zu. Dann ſollten wir aber nicht polizeilicher ſein als das Polizeipräſidium ſelbſt. In der Vorlage heißt es, das Polizeipräſidium werde den Markt jetzt auf die Nordhälfte des Wittenberg⸗ platzes beſchränken; alſo gegen die Verwendung der Nordhälfte des Platzes hat die Polizei nichts einzu⸗ wenden. Damit werden wir uns freilich zufrieden geben müſſen. Der Platz wird jetzt in einer Weiſe umgeſtaltet, daß der Markt wohl verkleinert werden muß und ſich auf dieſen Teil zu beſchränken hat. Ich möchte Sie nun aber dringend bitten, den Markt ſolange in dieſen Verhältniſſen weiter beſtehen zu laſſen, bis ein anderer Platz gefunden iſt Die Aufhebung des Marktes würde eine richtige Beſteuerung ganzer Bevölkerungsklaſſen von Char⸗ lottenburg bedeuten. Wir würden dadurch die Lebens⸗ haltung großer Schichten der Charlottenburger Be⸗ völkerung ganz bedeutend erhöhen. Ich glaube, wir können dafür die Verantwortung nicht tragen. Ich habe mich eingehend danach erkundigt und habe ge⸗ hört, daß eine ganze Reihe von Lebensmitteln, wie Gemüſe, Kartoffeln, alſo gerade die Grundbedingungen für die Ernährung eines Teiles der Bevölkerung, auf dieſem Markt entſchieden viel billiger zu haben ſind als in den Geſchäften. Wir können es der Bür⸗ gerſchaft nicht antun, daß wir durch die Aufhebung des Marktes einfach dieſe Vorteile aufheben. Nun ſagt der Herr Kollege Dunck: auf dieſem Platz werden auch die teuerſten Lebensmittel für das wohlhabendere bei doch ganz nebenſächlich; es wird doch wohl nur in ſo geringem Umfange vorkommen, daß es kaum ins Gewicht fällt. Aber wenn es auch der Fall wäre, wenn auch für die begüterte Bevölkerung dort ein Markt wäre, wo ſie die beſſeren und feinſten Lebens⸗ mittel billig bekommt, ſo ſollte man dieſen Leuten das auch nicht nehmen. Ich glaube übrigens, daß durch die Verkleinerung des Platzes dieſes Geſchäft an ſich ſchon wegfallen wird. Meine Herren, ich bin dafür, daß wir dem An⸗ trage des Kollegen Wenzke zuſtimmen, den Markt alſo ſolange beibehalten, bis ein anderer Platz da⸗ für geſichert iſt. Ich bitte Sie daher, den Antrag ace. verkauft. Das iſt da⸗ 199 des Ausſchuſſes mit der Abänderung des Kollegen Wenzke anzunehmen. Stadtv. Scheel: Meine Herren! Wenn wir zu dem erſten Punkt des Magiſtratsantrags, der Auf⸗ hebung des Wochenmarktes auf dem Wittenbergplatz, Stellung nehmen ſollen, ſo müſſen wir ſagen, daß es unmöglich iſt, den hier in Frage kommenden An⸗ wohnern das Opfer zu bringen, indem wir einem großen Teil der Bevölkerung des Bezirks den Markt entziehen. Es iſt ganz unmöglich, daß der Markt des⸗ halb aufgehoben werden ſoll, um die Anwohner, die Hauseigentümer uſw. des Wittenbergplatzes dadurch zu bevorzugen, daß ſie ſteuerkräftigere Mieter erhal⸗ ten, wie der Magiſtrat das ſagt. Das Wohl und Wehe eines großen Teiles der Bevölkerung des Be⸗ zirks muß uns mehr am Herzen liegen als die paar Leute, die hierbei in Betracht kommen könnten. Der Magiſtrat erwähnt von dieſem Punkte der Vorlage heute kein Wort, er ſtellt ſich jetzt nur auf den Standpunkt der Verkehrsintereſſen, als wenn das der ſpringende Punkt wäre, weshalb die Vorlage eingebracht worden iſt. Wenn wir die Verkehrsfrage in Betracht ziehen wollen, ſo muß natürlich jeder, der die Gegend kennt, zugeben, daß in den Zeiten, in denen der Markt abgehalten wird, teilweiſe Ver⸗ kehrsſtörungen ſtattfinden. Die Verkehrsſtörungen ſind aber nur dann vorhanden, wenn der Markt an⸗ fängt und wenn er endet. Als die Arbeiten für die Untergrundbahn vorgenommen wurden, die ſoge⸗ nannte Buddelei fortwährend ſtattfand, da war der Verkehr wirklich behindert, nicht durch den Markt, ſondern durch dieſe Arbeiten. Ich kann nicht begrei⸗ fen, wie man jetzt mit einem Mal dazu kommt, zu ſagen: der Markt muß aufgehoben werden. Wenn wir aber auch davon nicht ſprechen wollen, ſo ſtehen meine Freunde doch auf dem Standpunkt, daß der Markt ſtets preisregulierend wirken wird, (Sehr richtig!) daß ein großer Teil der dort Wohnenden ſonſt ge⸗ zwungen ſein würde, höhere Preiſe für Eßwaren zu gahlen, als es jetzt der Fall iſt. Man hat das Kauf⸗ haus des Weſtens angeführt, wo ſämtliche Waren zu denſelben Preiſen zu haben wären. Meine Herren, o iſt es doch nicht ganz. Ich kann Ihnen verſichern, aß viele Frauen, die heute ihre Einkäufe auf dem Wittenbergplatz machen, im Kaufhaus des Weſtens nicht einmal gern geſehen werden. Ich habe die Er⸗ fahrung gemacht, daß, wenn Frauen dorthin kamen, die nicht ſo angezogen waren, wie es dem Weſten dort entſpricht, ſie von der Seite angeſehen wurden. Meine Freunde ſind daher der Anſicht, daß der Markt bleiben muß. Was nun die Verkehrsverhältniſſe betrifft, wo⸗ rauf Bezug genommen wurde — der Markt ſoll ja die Hauptſchuld an dem Verkehr tragen —, ſo iſt das gerade der ſpringende Punkt, der uns veranlaßt, den Markt nicht aufzuheben. Aus dem großen Beſuch des Marktes geht eben die Notwendigkeit, ihn beizu⸗ behalten, hervor. Herr Kollege Bergmann hat mit Recht ſchon erwähnt, daß an den Tagen, an welchen Wochenmarkt nicht ſtattfindet, der Platz ſo wenig be⸗ laufen wird, daß es beinahe nicht der Rede wert iſt. Bei den wenigen Perſonen, die den Platz benutzen, kann man nicht davon ſprechen, daß das überhaupt ein Verkehr iſt.