Sitzung vom 23. April 1913 den Hypothekenmarkt zu erleichtern. Auch Lichten⸗ berg iſt nach dieſer Richtung hin vorgegangen, und gerade Charlottenburg ſteht an letzter Stelle. Wir Jahen jetzt die Ausſicht, daß die Angelegenheit, wenn ſie gründlich behandelt wird, noch eine ganze Spanne Zeit in Anſpruch nehmen wird. Meine Herren, vergeſſen Sie aber doch bei dieſer Gelegenheit nicht, wie ſchlecht es mit den Hypotheken beſtellt iſt, daß z. B. die Pfandbriefe zurzeit auf 96 ſtehen. Ich erkenne an, daß dadurch die Haltung des Magiſtrats nicht unbeeinflußt iſt; aber auf der andern Seite iſt es gerade die Notlage der Hausbe⸗ ſitzer, die uns zu der Erwartung berechtigt, daß ſchnell vom Magiſtrat in dieſer Sache etwas geſchieht. Wenn wir jetzt in aller Ruhe den richtigen Weg zu finden ſuchen, ſo könnte es ſchließlich dahin kom⸗ men, daß die Einrichtung einer Hypothekenanſtalt dann erfolgt, wenn die Not des Haus⸗ und Grund⸗ beſitzes einigermaßen behoben iſt, wenn der Krieg zu Ende iſt, die Pfandbriefe wieder ſteigen und das Geld auf den Markt zurückſtrömt. Dann iſt aber vielleicht von einer Not auf dem Hypothekenmarkt im Vergleich zu den augenblicklichen Verhältniſſen auch nicht mehr die Rede. Deshalb muß das, was geſchehen ſoll, jedenfalls ſchnell geſchehen. Ich nehme daher von der Erklärung des Herrn Bürgermeiſters Notiz, ſpreche aber die Erwartung aus, daß die Er⸗ wägungen innerhalb des Magiſtrats zu einem bal⸗ digen Abſchluß kommen, ſo daß die Erledigung dieſer Angelegenheit nicht weiter verzögert wird. Vorſteher Dr Frentzel: Damit iſt dieſe Ange⸗ legenheit erledigt. Wir kommen zu Punkt 11: Antrag der Stadtv. Zietſch und Gen. betr. Tarif⸗ vertrag. — Druckſache 168. Der Antrag lautet: Der Magiſtrat wird erſucht, erneut mit den in Betracht kommenden Arbeiterverbänden über den Abſchluß eines kollektiven Arbeits⸗ vertrages (Tarifvertrag) für die ſtädtiſchen Arbeiter und Angeſtellten in Verhandlung zu treten. Antragſteller Stadtv. Gebert: Meine Herren! Wir haben dieſen Antrag nicht deswegen geſtellt, um hier überhaupt nur Anträge zu ſtellen, ſondern wir wollen dadurch erreichen, daß ſich die Stadt Charlottenburg nicht länger der Zeitſtrömung wider⸗ ſetzt, die ſich auf dieſem Gebiete allenthalben be⸗ merkbar macht. Es iſt noch gar nicht allzu lange her, daß ſich eine anerkante Organiſation der Arbeitnehmer wegen Abſchluß eines Tarifvertrages an den Magiſtrat ge⸗ wandt hat. Der Magiſtrat hat dabei eine ablehnende Haltung eingenommen, und wegen dieſes ablehnenden Standpunktes des Magiſtrats ſehen wir uns nunmehr veranlaßt, die Stadtverordnetenverſammlung zu er⸗ ſuchen, den Magiſtrat zu beauftragen, endlich einmal mit den in Betracht kommenden Organiſationen der Arbeitnehmer Tarifabſchlüſſe herbeizuführen. Ver⸗ ſchiedene Kommunen ſind in letzter Zeit dazu ge⸗ kommen, derartige Tarifabſchlüſſe zu vollziehen. Aus einzelnen Orten iſt mir die Mitteilung zugegangen, daß dieſe Tarifabſchlüſſe außerordentlich ſegensreich für beide Kontrahenten gewirkt haben. Vom Stand⸗ punkt der Gerechtigkeit aus iſt eine Kommune ja di⸗ 207 rekt gezwungen, Tarifverträge abzuſchließen, weil ſie ja ſelbſt eine Organiſation iſt, die durch den Zu⸗ ſammenſchluß der einzelnen Glieder der Gemeinde entſtanden iſt und ohne weiteres das für ſich in An⸗ ſpruch nimmt, was die in Betracht kommenden Ar⸗ beiterorganiſationen auch nur für ſich verlangen. Auf der andern Seite kann man aber wohl be⸗ haupten, daß das Vertragsverhältnis, wie es heute zwiſchen der Kommune und ihren Arbeitern beſteht, als gut nicht zu bezeichnen iſt, und zwar deswegen nicht, weil den Arbeitern gar nicht die Möglichkeit gegeben iſt, z. B. in bezug auf die Regelung der Ar⸗ beitszeiten, in Lohnfragen uſw., irgendwie mitzu⸗ ſprechen. Alles das ſind Fragen, die meines Er⸗ achtens notwendigerweiſe tariflich geregelt werden müſſen. Durch die Tarifverträge wird den Arbeitern Gelegenheit geboten, beſſer für die Zukunft diſponie⸗ ren zu können, und genau ſo geht es auch dem Ma⸗ giſtrat. Im Laufe der Jahre hat ſich bei großen Privat⸗ betrieben immer mehr die Erkenntnis Bahn ge⸗ brochen, daß Tarifabſchlüſſe ſegensreich für den ge⸗ ſamten Betrieb wirken, und wir ſehen ja auch, daß in bürgerlichen Kreiſen die Auffaſſung immer mehr durchdringt, daß durch den Abſchluß von Tarifver⸗ trägen das Arbeitsverhältnis geſichert und in ruhige und vernünftige Bahnen gelenkt wird. Wir wollen alſo, wie geſagt, der neuen Entwickelung Rechnung tragen und den Magiſtrat beauftragen, die in Be⸗ tracht kommenden Arbeiterverbände als berechtigte Organiſationen anzuerkennen und das Arbeitsver⸗ hältnis mit ihnen tariflich zu regeln. Wir bitten Sie, dieſen Antrag anzunehmen. Ich will nebenbei bemerken, daß ſich hervor⸗ ragende Sozialpolitiker ſehr eingehend mit dieſen Fragen beſchäftigt haben. So hat unter anderem Herr Profeſſor Dr. Brentano ausdrücklich erklärt, daß es wohl möglich und ſogar ſehr notwendig iſt, daß die in Betracht kommenden Kommunen Tarif⸗ verträge abſchließen. In ähnlichem Sinne äußert ſich Herr Profeſſor Dr. E. Francke und Herr Pro⸗ feſſor Dr Wilbrandt. Alle dieſe Herren ſprechen ſich dahin aus, daß dieſe Tarifverträge nur von Vorteil für beide Teile ſein können. Sehr intereſſant iſt auch die Anſicht des Herrn Freiherrn v. Berlepſch, des früheren Staatsminiſters, über dieſe Frage. Herr Freiherr v. Berlepſch ſagt, daß Tarifverträge zwiſchen ſtädtiſchen Verwaltungen und ihren Arbeitern eben⸗ ſo empfehlenswert ſind wie ſolche zwiſchen pri⸗ vaten Unternehmungen und ihren Arbeitern. Ich kann nicht einſehen, daß in bezug auf die Sicherung des Arbeitsverhältniſſes durch Tarifverträge ein Unterſchied zwiſchen privaten und ſtädtiſchen oder ſtaatlichen Unternehmun⸗ gen beſteht. Nur das Beamtenverhältnis würde hier eine Grenze ziehen. Alſo Sie ſehen, daß ſehr einflußreiche Perſonen auf dem Standpunkt ſtehen, daß Tarifverträge ſegens⸗ reich wirken können. Wir ſind nicht der Anſicht, die in manchen Kreiſen zum Ausdruck gekommen iſt, daß man mit den Organiſationen keine Tarifver⸗ träge abſchließen könne, da ſie nicht das notwendige, ſagen wir mal, Aeußere haben, ſondern wir vertreten die Auffaſſung, das überall da, wo anerkannte Or⸗ ganiſationen beſtehen, der Magiſtrat den von uns ge⸗ äußerten Wünſchen Rechnung tragen ſoll und muß. Wir bitten Sie, unſern Antrag anzunehmen.