Sitzung vom 23. April 1913 von dem privatrechtlichen Verhältnis, das ſich zwi⸗ ſchen dem Unternehmer und dem Arbeiter bildet, weſentlich verſchieden iſt. Nun kommt hinzu, daß die Lohnverhältniſſe der Arbeiter in einem inneren Zuſammenhange ſtehen mit den Beſoldungsverhältniſſen der Privatdienſt⸗ verpflichteten und der Beamten. Wir haben niemals eine Reviſion des Normalbeſoldungsetats vorgenom⸗ men, ohne gleichzeitig eine Reviſton des normalen Lohnplans vorzunehmen. Ebenſo wie die Beamten ihren Normaletat beſitzen, haben dementſprechend auch die Arbeiter ihren Normallohnplan. Wir haben niemals die Stellung gegenüber den Arbeitern nur vom Standpunkte des Unternehmertums betrachtet. Für die Arbeiterſchaft gilt nach den Grundſätzen, die wir handhaben, hinſichtlich der Entlohnung tatſächlich derſelbe Grundſatz wir für die Beamten. In den Arbeiterausſchüſſen bieten wir den Arbeitern Gelegenheit, zu dem Lohn⸗ plan Stellung zu nehmen. Dieſe Stellung, nahme iſt zwar wirtſchaftlich und rechtlich kein Ver⸗ tragsſchluß, ſie hat aber materiell eine nicht weſent⸗ lich andere Bedeutung als ein Tarifvertragsabſchluß; denn auch bei dieſem würde das wirkſamſte Mittel, nämlich das Mittel der Arbeitseinſtellung zur Er⸗ zwingung beſtimmter Arbeitsbedingungen, nach meinem Dafürhalten außer Betracht zu bleiben haben. Wenn wir alſo Tarifverträge vereinbaren wollten, würde ſich die Sache praktiſch doch ſo geſtalten, daß der Tarifvertrag im weſentlichen auf einer Feſt⸗ ſetzung durch die ſtädtiſchen Körperſchaften, auf dem, was bewilligt wird, beruhen würde. Das iſt zweifel⸗ los. Das einzige ideale Moment, das ich als be⸗ ſtimmend für den Abſchluß von Tarifverträgen er⸗ achte denn die Arbeiter beklagen ſich ja nicht über die wirtſchaftliche Behandlung, ſie wollen einen idealen Vorteil durch den Abſchluß des Tarifvertrags erzielen —, dieſer ideale Vorteil iſt, glaube ich, tat⸗ ſächlich heute bereits für die Arbeiter vorhanden. Denn es iſt uns nie eingefallen, die Parität der Ar⸗ beiter bei der Lohnfeſtſetzung in Abrede zu ſtellen. Wir haben infolgedeſſen auch nie grundſätzlich Be⸗ denken getragen, etwa gegen den Abſchluß von Tarif⸗ verträgen Stellung zu nehmen. Ja, ſoweit wir uns von Privatunternehmern Arbeiter für Zwecke un⸗ ſeres ſtädtiſchen Betriebes ſtellen laſſen, haben wir in unſeren Bedingungen Vorſchriften, die geradezu darauf hinweiſen, daß die Tarifverträge reſpektiert werden müſſen. So enthalten die beſonderen Bedin⸗ gungen für die Geſtellung von Arbeitskräften bei Tiefbauten für die Entwäſſerung von Charlottenburg die Beſtimmung: IIm übrigen gelten für die Arbeitszeit, die Arbeitsteilung uſw. die Beſtimmungen des Ta⸗ rifvertrags, der zwiſchen dem Verbande der Baugeſchäfte und den Arbeitnehmern für die Zeit vom ſo und ſovielten abgeſchloſſen iſt, und zwar auch für diejenigen Unternehmer, die dem G. der Baugeſchäfte nicht beigetreten ind. Alſo inſoweit haben wir überall dort, wo ſich das Rechtsverhältnis zwiſchen Arbeitern und Stadt bzw. den Unternehmern rein privatrechtlich geſtalten könnte, dieſen Forderungen Rechnung getragen. Da⸗ gegen iſt innerhalb der ſtädtiſchen Verwaltung das Bedürfnis zum Abſchluß von Tarifverträgen noch nie in die Erſcheinung getreten, weil wir, wie geſagt, dieſes Verhältnis nicht als ein Unterordnungsver⸗ hältnis in dem gewöhnlichen privatrechtlichen Sinne 209 auffaſſen, ſondern als ein Unterordnungsverhältnis, das aus der Natur des Betriebs als eines ſtädtiſchen mehr oder minder ſtets den öffentlichen Intereſſen dienenden quasi öffentlich⸗rechtlichen Charakter an⸗ nimmt. Meine Herren, wenn man alle dieſe Momente erwägt, dann wird man doch zu dem Ergebnis kom⸗ men, daß es außerordentlich zweifelhaft iſt, auch vom Standpunkte der Arbeiter, ob es zweckmäßig iſt, über⸗ haupt einen Tarifvertrag mit einer öffentlichen Kör⸗ perſchaft abzuſchließen, und ob es nicht richtiger iſt, anzuerkennen, daß innerhalb der öffentlich⸗rechtlichen Körperſchaft ſchon auf Grund des Selbſtverwaltungs⸗ rechtes, an dem ja auch die Arbeiterſchaft durch ihre Vertreter teilnimmt, diejenigen Rechtsgarantien ge⸗ geben ſind, die ſie wünſchen, und ob nicht ſchon gerade bei der Stadtgemeinde in den ſtädtiſchen Körper⸗ ſchaften kraft des wertvollſten Rechts der Bürgerſchaft, des Selbſtverwaltungsrechts, die Parität der Arbeiter zum Ausdruck kommt. Theoretiſch läßt ſich ja über dieſe Frage ſehr viel hin und her reden, je nach dem Standpunkt, den der einzelne politiſch einnimmt. Ich kann mir z. B. denken, daß gerade diejenigen Herren, die auf einem liberalen Standpunkt ſtehen, ſagen: der Abſchluß von Tarifverträgen iſt ſehr er⸗ wünſcht. Dann wird nämlich anerkannt, daß auch der Gemeindebetrieb nichts weiter iſt als ein ganz gewöhnlicher Unternehmerbetrieb, dem der Arbeiter auch nur als gewöhnlicher Arbeiter gegenüberſteht. Vom Standpunkt gerade der Fraktion aber, die den Antrag eingebracht hat, halte ich es theoretiſch nicht für richtig, auf Tarifverträge zu dringen, weil dieſe Fraktion im allgemeinen auf dem Standpunkt ſteht, daß die Vergeſellſchaftung von ſolchen Betrieben — und ſo ſehen Sie (zu den Sozialdemokraten) die Verſtadtlichung von Betrieben wohl an ausſchließt, daß der Arbeiter vom Standpunkt des Herrn be⸗ handelt wird; Sie wünſchen ja gerade eine Verſtadt⸗ lichung, um auf dieſe Weiſe das rein privatrechtliche Herrſchaftsverhältnis zu eliminieren. Aus dieſem Grunde wird ja wohl von Ihnen beſonders darauf Wert gelegt, daß eine größere Zahl von Betrieben verſtadtlicht bzw. verſtaatlicht werden. Alſo theo⸗ retiſch betrachtet, kann man nach der einen oder andern Richtung ganz verſchieden Stellung zu dieſem Tarif⸗ vertrag nehmen. Aber wie geſagt, ich habe die ganze Frage ledig⸗ lich praktiſch vom Standpunkte der Intereſſen der Arbeiter behandelt und komme da zu dem Ergebnis, daß es außerordentlich zweifelhaft iſt, ob die Rege⸗ lung durch Tarifverträge den materiellen Intereſſen der Arbeiterſchaft entſpricht. Und mit dieſer Anſicht des Zweifels ſtehe ich nicht allein. Selbſt aus dem Kreiſe der Arbeiter werden derartige Zweifel ſehr lebhaft erhoben. Mir liegt hier vor das Protokoll der Verhandlungen des 6. Verbandstages des Ver⸗ bandes der Gemeinde⸗ und Staatsarbeiter, aus dem ich erſehe, daß dieſe praktiſchen Bedenken, die ich hier geltend gemacht habe, von dem Vertreter Heckmann (Mannheim) auch bereits erhoben worden ſind. Er warnt davor, auf die Tarifverträge übermäßige Hoff⸗ nung zu ſetzen, und meint, daß es ſich doch vielleicht empfehle, es bei dem beſtehenden Zuſtande zu laſſen. Nun, das ſind alles Fragen, die man jedenfalls aus dem Handgelenk nicht beantworten kann, die einer gründlichen Erörterung bedürfen. Ich meinerſeits muß jetzt den Beſchluß des allgemeinen Arbeiteraus⸗ ſchuſſes dem Magiſtrat unterbreiten, und der Magi⸗ ſtrat muß zu dieſem Antrage Stellung nehmen. Da⸗