214 Sie kennen ja auch zweifellos die Anſichten, die jedesmal im Etatsausſchuß zur Geltung kommen; wenn wir daran denken, die Betriebsüberſchüſſe des Gas⸗ werks, des Elektrizitätswerks, des Waſſerwerks im Intereſſe der Allgemeinheit herabzuſetzen, dann wollen die Herren Liberalen davon nichts wiſſen, weil ihnen das für die Finanzen der Stadt nicht angenehm iſt und weil ſie aus einem Zurückgehen der Betriebs⸗ überſchüſſe erhöhte Steuern kommen ſehen. Man kann aber die Ueberſchüſſe, die unſere ſtädtiſchen Be⸗ triebe ergeben, nur auf der Grundlage der Anwen⸗ dung der allgemeinen privatkapitaliſtiſchen Betriebs⸗ art aufrechterhalten. Daß Sie genau ſo, wie der Privatunternehmer in ſeinem Betriebe, in Ihren ſtädtiſchen Betrieben wirtſchaften, erhellt ja auch daraus, daß Sie — nach Ihrer Auffaſſung mit Recht — darauf dringen, Leute in die Verwaltung hineinzubekommen, tech⸗ niſche Beamte, die mit allen Vorteilen des Betriebs uſw. Beſcheid wiſſen. Alſo das Weſen unſerer Gemeindebetriebe iſt durchaus nicht ſo ideal, wie es als typiſch in der „Ge⸗ werkſchaft“ geſchildert worden iſt, wie es ſein ſollte. Wir wünſchten, es wäre ſo. Wenn es ſo wäre, würde auch das Entgegenkommen der Stadtverwaltung, des Magiſtrats, gegen die Wünſche der Arbeiter, Tarif⸗ abſchlüſſe herbeizuführen, viel größer ſein, als es jetzt leider der Fall iſt. Herr Kollege Meyer hat ſich viel Mühe ge⸗ geben, für den Tarifvertragsabſchluß zu ſprechen, er hat dabei jedoch allzu deutlich durchblicken laſſen, daß er in ſeines Herzens innerſter Falte Gegner des Tarifabſchluſſes iſt. Er hat ſich für Tarifabſchlüſſe in der Privatinduſtrie ausgeſprochen, dann aber die ſonderbare Konſequenz gezogen, daß er dasſelbe, was er für die Privatunternehmungen für gut hielt, für Gemeindebetriebe nicht gelten laſſen wollte. Ich gebe zu, daß nach der logiſchen Schlußfolgerung Ihrer unrichtigen Auffaſſung Gemeindebetriebe etwas anderes ſind als privatkapitaliſtiſche Betriebe. (Stadtv. Meyer: Volkswirtſchaftlich natürlich nichtl) — Nein, es iſt auch vollswirtſchaftlich nichts anderes, Herr Kollege! (Zuruf des Stadtv. Meyer.) — Sie können vielleicht ſagen: es iſt organiſatoriſch etwas anderes. (Zuruf des Stadtv. Erdmannsdörffer.) — Es kommt auf die Auffaſſung an, die Herr Kollege Meyer hat. In ſeiner Rede hat er ſich zu drei Vier⸗ teln gegen die Tarifverträge und zu einem Viertel und nur ſchüchtern für die Notwendigkeit des Tarif⸗ abſchluſſes ausgeſprochen. Er hat auch gelegentlich durchblicken laſſen, ſeine Freunde wollen nur jetzt den Antrag nicht gleich ablehnen, weil er ihnen zu ernſt erſcheint; wir werden alſo — ſagen die liberalen Herren — im Ausſchuß noch darüber beraten und iomn nach der Ausſchußberatung zur Ablehnung ommen. (Heiterteit — Stadtv. Meyer: Sie ſcheinen ſehr wenig Vertrauen zu uns zu haben!) — Herr Kollege Meyer, ich habe doch Ihrer Rede zugehört, und ich höre nicht nur Ihre Worte, ſondern kaufmänniſch geſchulteß Sitzung vom 23. April 1913 auch die Untertöne Ihrer Worte, und Sie ſind mir in Ihren ſozialpolitiſchen Anſchauungen und Auffaſſun⸗ gen gerade bekannt genug. Es war gewiß ein ſchlech⸗ tes Zeichen, daß Ihre Fraktion gerade Sie zum Redner für dieſe Frage beſtimmt hat. Ich bedaure das umſomehr, als gerade die Liberalen ſeit einiger Zeit ſo ungeheuer in Arbeiterpolitik machen. Ich darf Sie an die im vorigen Jahre erfolgte Gründung des liberalen Arbeitervereins erinnern, der ja mit einem fulminanten Aufruf an die Oeffentlichkeit ge⸗ treten iſt und mit der Gründung des liberalen Ar⸗ beiterverbandes ſofort ſeinen Anſchluß an die fort⸗ ſchrittliche Volkspartei vollzogen hat. (Sehr gut! bei den Liberalen.) In Ihrem parteipolitiſchen Intereſſe mag das ſehr gut ſein, im Intereſſe der Arbeiter wird es ſich als weniger gut erweiſen, wie wir ja nachher aus dem Schickſal dieſes Antrages auch noch ſehen wer⸗ den. — Die liberal organiſterten Arbeiter haben ſich alſo der fortſchrittlichen Volkspartei angeſchloſſen und in ihrem Programm ſteht ja denn auch: Kampf für Volksfreiheit, für ein ſo ziales Arbeiter⸗ recht und ähnliches, und ſpäter heißt es dann auch in einem Aufruf der liberalen Arbeiter und Ange⸗ ſtellten, daß die Arbeiter und Angeſtellten ſich ihr Recht als Menſch und Staatsbürger er⸗ ſtreiten und ſichern werden. Ja, meine Herren, ich meine, zur Erſtreitung des Arbeiterrechts, des Staatsbürgerrechts gehört es na⸗ türlich auch für die Arbeiter, die in ſtädtiſchen Ge⸗ meinden tätig ſind, ſich ihr Arbeitsrecht, ihr Mitbe⸗ ſtimmungsrecht beim Abſchluß von Arbeitsverträgen in Form des tariflichen Arbeitsabſchluſſes zu ſichern, der ſie erſt in den Stand ſetzt, als vollwertiger Kon⸗ trahent im Arbeitsvertrag dem Unternehmer ent⸗ gegenzutreten. Und es gehört zum Staatsbürger⸗ recht der Arbeiter, durch den Abſchluß von Tarif⸗ verträgen mit einem Unternehmer ſich die Anerken⸗ nung ihres Koalitionsrechts zu ſichern. Daß dieſer Gedanke für die liberale Arbeiter⸗ verbandsgründung grundlegend geweſen iſt, das er⸗ hellt ja auch aus einem weiteren Artikel, den ich Ihnen nicht vorzuleſen brauche. Sie leſen gewiß die „Freiſinnige Zeitung“ mit eben demſelben Intereſſe, wie ich ſie leſe. Sie enthielt, am 19. Oktober vorigen Jahres, einen Artikel, in dem der Arbeiterſekretär Anton Erkelenz, der ja der spiritus rector der libe⸗ ralen Arbeiterverbandsgründung iſt, mit allem Nach⸗ druck hervorgehoben hat - (Zuruf bei den Liberalen: Wir ſprechen über Tarif⸗ verträge! Stadtv. Meyer: Davon verſteht er nichts!) — Ich maße mir nicht an, Herr Kollege Meyer, über etwas zu ſprechen, was ich nicht verſtehe. (Stadtv. Meyer: Bisher nicht!) Jedenfalls hat Herr Erkelenz in der „Freiſinnigen Zeitung“ vor allen Dingen auch das Moment her⸗ vorgehoben, daß bei dem heutigen Arbeiterrecht und Arbeitsrecht der Arbeiter gegenüber dem Unternehmer benachteiligt iſt und daß der Staat doch geſetzlich regelnd eingreifen ſollte. Und wenn das nicht der Fall iſt und wenn es heute noch nicht zu einer geſetz⸗ lichen Regelung des Arbeiterrechts kommen ſollte, dann muß eben, ſo ſchlußfolgere ich daraus, die Ge⸗