Sitzung vom 23. April 1913 meinde, wo ſie kann, dem Drängen der Arbeiter nach Abſchluß von Tarifverträgen entgegenkommen. Er⸗ kelenz ſagt denn auch in der „Hartungſchen Zeitung“ einige Wochen ſpäter, daß er vor allen Dingen be⸗ daure, daß die ſtaatlichen Unternehmungen dem Ab⸗ ſchluß von Tarifverträgen ſo ablehnend gegenüber⸗ ſtänden. Wenn Erkelenz es bedauert, daß die ſtaat⸗ lichen Unternehmungen auf Tarifverträge nicht ein⸗ gehen wollen, dann müßte er es — und Sie natürlich mit ihm — ebenſo bedauern, wenn die gemeindlichen Unternehmungen und Betriebe auf die Wünſche der Arbeiter, tarifliche Arbeitsvertragsabſchlüſſe zu er⸗ reichen, nicht eingehen wollen. Deswegen, glaube ich, hat Herr Kollege Meyer ganz Recht, wenn er vorhin geſagt hat, es liege nun einmal im Zuge der Zeit, den Wünſchen der Arbeiter auf Abſchluß von Tarifverträgen entgegenzukommen. Um ſo mehr wunderte ich mich nachher, als er den größten Teil ſeiner Ausführungen gegen dieſen Zug der Zeit richtete und ſich gegen das Zuſtandekommen von Tarifverträgen mit ſtädtiſchen Arbeitern aus⸗ ſprach. Er ſtützte ſich dabei darauf, daß er ſagte: vor⸗ läufig lägen für die Gemeinden noch nicht genügende Erfahrungen mit dem kollektiven Arbeitsvertrag vor, daß wir in Charlottenburg dieſe Bahnen beſchreiten könnten. Damit, Herr Kollege Meyer, desavouieren Sie vieles von dem, was Charlottenburg bisher getan hat. Charlottenburg iſt gerade Ihrer Auffaſſung nach auf verſchiedenen Gebieten ſozialpolitiſcher Tätigkeit anderen Gemeinden vorangeſchritten und hat nicht erſt gewartet, bis andere Gemeinden darin genügend Erfahrungen geſammelt haben. Warum ſind Sie denn auf dieſem Gebiete ſo ungeheuer vor⸗ ſichtig geworden und wollen andere Gemeinden erſt voranſchreiten laſſen? Sorgen Sie doch auch hierin, daß das liberale Charlottenburg anderen Gemeinden bahnbrechend voranſchreitet. Wir würden Sie darin unterſtützen. Ich will alſo hoffen, daß ſich ſchließlich mein Peſſi⸗ mismus gegen die Ergebniſſe der Ausſchußberatung doch als unberechtigt erweiſt und daß er ſich ſchließ⸗ lich in einen Optimismus verwandelt; ich würde mich im Intereſſe unſerer ſtädtiſchen Arbeiterſchaft am meiſten darüber freuen. (Bravo! bei den Sozialdemokraten.) Stadtv. Dr Stadthagen: Nach den eingehenden Erörterungen über dieſe Materie, glaube ich, erübrigt es ſich, ſich hier noch weiter damit zu beſchäftigen, vor allen Dingen, da eine Ausſchußberatung vorge⸗ ſehen iſt. Meine Freunde ſtimmen der Einſetzung eines Ausſchuſſes von 15 Mitgliedern zu. Stadtv. Meyer: Ich glaube, daß Herr Kollege Zietſch doch einem großen Teil meiner Ausführungen nicht zugehört hat, denn er könnte ſonſt ſchlechterdings nicht behaupten, daß ich gegen den Kollektivvertrag geſprochen habe; ich habe mich durchaus als An⸗ hänger des Kollektivvertrages in Privatbetrieben be⸗ kannt. Ich brauchte das übrigens kaum beſonders zu tun, da denjenigen, die in der Arbeiterbewegung ſtehen, bekannt ſein dürfte, daß ich mich in dieſem Sinne praktiſch betätigt habe. Letzteres dürfte Herrn Zietſch auch auf ſeine Frage die Antwort geben, warum meine Freunde gerade mich als Redner be⸗ ſtimmt hätten. Meine Fraktion pflegt mit Vor⸗ liebe diejenigen als Redner zu beſtellen, die praktiſch von der Sache etwas verſtehen. Ob das auch bei 215 der ſozialdemokratiſchen Fraktion der Fall iſt, möchte ich nach der Rede des Herrn Zietſch bezweifeln. Stadtv. Gebert: Ich möchte Herrn Kollegen Meyer nur kurz auf etwas antworten. Als ich den Zwiſchenruf machte, daß es doch zuträfe, daß die einzelnen Verbände gemeinſam vorgingen, dachte ich daran, daß erſt vor ganz kurzer Zeit ein öffentlicher Aufruf von allen in Betracht kommenden Organi⸗ ſationen mit Ausnahme der Gelben wegen der Diffe⸗ renzen in den Brauereibetrieben erlaſſen worden war. Alſo darin ſehen Sie ſchon ein gemeinſames Zu⸗ ſammengehen der verſchiedenen Organiſationen! Genau dasſelbe Zuſammengehen iſt bei dem Abſchluß von Tarifverträgen für Staats⸗ und Gemeindebe⸗ triebe möglich. Was die Ausführungen des Herrn Bürger⸗ meiſters angeht, daß bei uns hier in Charlottenburg alles ſo roſig geregelt ſei, daß wir Arbeiterausſchüſſe uſw. eingerichtet hätten, ſo trifft davon nur das zu, daß die Arbeiterausſchüſſe bei uns rein auf dem Pa⸗ pier ſtehen. Wenn man ihre Verhandlungen näher betrachtet, ſo haben die Arbeiterausſchüſſe in der Form, wie ſie hier in Charlottenburg beſtehen, nix to ſeggen. So liegen die Verhältniſſe. — Der Herr Bürgermeiſter ſchüttelt mit dem Kopf. Sie werden mir zugeben müſſen, daß dem ſo iſt. Die Arbeiter⸗ ausſchüſſe werden lediglich einmal gehört, ſie können gehört werden, aber ſonſt haben ſie abſolut nichts zu ſagen. Alſo auch nach dieſer Richtung hin iſt es notwendig, daß Tarifverträge abgeſchloſſen werden. Ich will meine Ausführungen ſchließen und glaube, Ihnen im Ausſchuß noch genügend Material beibringen zu können, um Ihnen zu beweiſen, daß die Tarifverträge auch für Kommunen ohne weiteres ſegensreich wirken und bereits ſegensreich gewirkt haben. Wenn Herr Kollege Meyer demgegenüber anführte, daß für die Einführung von Tarifver⸗ trägen bisher nur kleine Kommunen in Frage ge⸗ kommen wären, ſo ſteht doch das eine feſt, daß die kleineren Kommunen dann ein größeres ſoziales Verſtändnis beſitzen als die großen Kommunen. Stadv. Zietſch (perſönliche Bemerkung): Ich will nur bemerken, daß ich den Ausführungen des Herrn Kollegen Meyer aufmerkſam zugehört habe. Ich habe ja auch hervorgehoben, daß drei Viertel ſeiner Ausführungen gegen die Tarifabſchlüſſe ge⸗ richtet waren und ein Viertel ſich dafür auszu⸗ ſprechen ſchien. Wenn Herr Kollege Meyer nun aus meinen Ausführungen die Schlußfolgerung zog, daß in meiner Fraktion die Gewohnheit beſtände, Lerrte mit der Vertretung einer Sache zu beauftragen, die davon nichts verſtänden, ſo bin ich natürlich viel zu beſcheiden, um dieſer Auffaſſung des Herrn Kollegen Meyer — ſoweit ſie gegen mich perſönlich gerichtet ſein ſollte — entgegentreten zu können. Aber ich will Herrn Meyer einen Troſt geben: wenn dieſe Verlegenheit weiter bei uns beſtehen ſollte, ſo werde ich als Erſter in meiner Fraktion beantragen, daß, wenn wir wieder einmal einen Sachverſtändigen brauchen, wir uns den Allerweltswiſſer Herrn Meyer von der liberalen Fration ausborgen. (Heiterkeit.) (Die Verſammlung beſchließt die Ueberweiſung des Antrages Zietſch und Genoſſen an einen Aus⸗ ſchluß von 15 Mitgliedern und wählt zu Ausſchuß⸗