Sitzung vom 23. April 1913 Stadv. Panſchow: Meine Herren! Auch wir ſtehen auf dem Standpunkt, daß die Sache eilt. Lange genug hat es ja gedauert, ehe es möglich geworden iſt, an dieſer Stelle den Bahnkörper zu unterführen. Aber die Vorlage des Magiſtrats, wie ſie uns hier vorliegt, gibt uns doch kein ſo klares Bild, daß wir uns entſchließen können, ſie glatt anzunehmen. Wenn der Herr Referent angeführt hat, daß ſeitens eines Mitgliedes der Stadtverordnetenver⸗ ſammlung ein anderes Projekt vorgeſchlagen iſt, ſo darf man dabei doch nicht verkennen, daß es aus der Erwägung heraus geſchehen iſt, die Angelegenheit der Unterführungen als ein Ganzes zu betrachten und die Unterführung der Kaiſer⸗Friedrichſtraße und den Umbau des Bahnhofs Charlottenburg mit hineinzu⸗ ziehen. Von dieſem Standpunkt aus betrachtet, ge⸗ winnt das Projekt, das von einem Mitgliede einge⸗ reicht worden iſt, vielleicht ein anderes Geſicht. Ob es klug und richtig iſt, in dieſer Weiſe zu unter⸗ führen, will ich nicht unterſuchen. Die Magiſtratsvorlage als ſolche leidet an einer gewiſſen Unüberſichtlichkeit; es kommt nicht klar zum Ausdruck, was uns dieſes Geſchäft koſten wird. Zu⸗ nächſt müſſen wir doch aber verlangen, daß, wenn wir uns auf eine Sache einlaſſen, wir überſehen kön⸗ nen, bis zu welcher Höhe wir finanziell engagiert werden. So z. B. iſt heute noch gar nicht feſtgeſtellt, ob uns der Grund und Boden auf dem Stuttgarter Platz, den wir in Anſpruch nehmen, ſeitens der Bahn als Eigentum überlaſſen wird, oder ob wir ihn gegen eine Anerkennungsgebühr pachten können. Ja, es ſteht noch nicht einmal feſt, ob uns dieſer Grund und Boden ſeitens der Bahn überhaupt zur Ver⸗ fügung geſtellt wird. Das müßte meiner Anſicht nach durch einen Vertrag klargeſtellt werden. Die Koſtenanſchläge, die von der Stadt ausge⸗ arbeitet und dem Eiſenbahnfiskus eingereicht ſind, ſind zurzeit von ihm noch nicht beantwortet worden. Wir wiſſen alſo noch gar nicht, ob die Preiſe, die der Magiſtrat eingeſetzt hat, auch von der Eiſenbahn⸗ direktion eingehalten werden können, ob es möglich iſt, einen Anſchlag, der vielleicht auf 50 000 ℳ feſt⸗ geſetzt iſt, ohne Ueberſchreitungen auf dieſer Höhe zu erhalten, ſodaß nicht etwa nachher 100 000 ℳ daraus werden. Nach dem Vertrage, den wir hier mit der Eiſenbahndirektion abſchließen ſollen, müſſen wir einfach das bezahlen, was die Eiſenbahndirektion einſetzt. Weiter muß ich darauf aufmerkſam machen, daß natürlich die Koſten für die ſpätere Verbreiterung der Unterführung in den 600 000 ℳ nicht enthalten ſind; das koſtet eben 100 000 ℳ mehr, ſodaß es dann 700 000 ℳ werden. Ferner iſt zurzeit nach der Vor⸗ lage des Magiſtrats noch nicht feſtgeſtellt, wie hoch der Beitrag ſein wird, den wir alljährlich dafür zah⸗ len müſſen, daß die Stadtbahn die Brücke übernimmt und in eigener Regie unterhält. Meine Herren, nach den Erfahrungen, die wir mit dem Fiskus gemacht haben, ſind die Beträge, die uns für Kleinigkeiten abgeknöpft werden, manchmal ſo erheblich, daß es wohl richtig wäre, vorher feſtzuſtellen, was wir zu bezahlen haben, als ſpäter, wie es uns der Magiſtrat in Ausſicht ſtellt, mit einer Vorlage zu kommen, die wir eo ipso annehmen müſſen. Denn wenn wir ein⸗ ſkann nich das eine Projekt herausgreifen und etwa die mal A geſagt haben, müſſen wir auch B ſagen. Aus dieſen Erwägungen heraus beantrage ich im Namen meiner Freunde, die Vorlage einem Aus⸗ ſchuß von 11 Mitgliedern zu überweiſen. 221 Stadtv. Klau: Meine Herren! Im Jahre 1872 hat die Deutſche Eiſenbahngeſellſchaft den Stadtbahn⸗ bau in Angriff genommen, doch iſt er im Grün⸗ derjahr 1873 ſtecken geblieben und dann Ende 1873 mit Hilfe des preußiſchen Eiſenbahnfiskus wieder aufgenommen worden. Die Deutſche Eiſenbahngeſell⸗ ſchaft fallierte dann trotzdem im Jahre 1877.Der Bau blieb liegen, wurde dann aber von der preußiſchen Eiſenbahnverwaltung aufgenommen und im Jahre 1879/1880 vollendet und dem Betrieb übergeben. Zu dieſer Zeit war hier am Bahnhof Charlot⸗ tenburg vom Zoologiſchen Bahnhof ab noch ganz freies Feld, und man dachte damals gar nicht daran, daß ſich Charlottenburg bis hierher ausdehnen würde. Während man in der Stadt Berlin die Bahn über gemauerte Bogen geführt hat, hat man hier nur einen Erdwall vorgeſehen. Der Herr Berichterſtatter nannte dieſen Erdwall, der ſich kurz hinter dem Zoo⸗ logiſchen Garten bis zum Savignuplatz erſtreckt, eine chineſiſche Mauer. Das iſt auch meine Anſicht, und dieſe Mauer exiſtiert bis heute ſeit 40 Jahren. Aber, meine Herren, ſchon vor 20 Jahren hatten ſich die Verhältniſſe am Bahnhof Charlottenburg ganz erheblich verändert. Es entſtand der Stutt⸗ garter Platz, die Wilmersdorfer Straße, die Kaiſer⸗ Friedrich⸗Straße wurde ausgebaut, die Peſtalozzi⸗ ſtraße und alle übrigen Straßen wurden angelegt, ſo daß der Verkehr ſchon zu dieſer Zeit ganz bedeutend geworden war. Seitdem haben wir aber leider gar nichts oder doch nur herzlich wenig für eine Ver⸗ beſſerung dort unternommen. Das einzige war, daß wir hin und wieder, wenn Adjazenten petitionierten, an die Eiſenbahndirektion oder an den Eiſenbahn⸗ fiskus geſchrieben und gebeten haben, er möchte doch die Kaiſer⸗Friedrich⸗Straße unter dem Bahndamm unterführen. Damals wurde uns dann immer ge⸗ antwortet, das Empfangsgebäude wäre im Wege, und damit haben wir uns begnügt. Es iſt dieſe Be⸗ ſcheidenheit der größte Fehler geweſen, indem wir ſeinerzeit nicht rechtzeitig für die Inangriffnahme dieſes Projektes geſorgt haben; denn wir wären viel billiger weggekommen als heute. Das iſt nun aber einmal verſäumt. Die Verkehrsverhältniſſe ſind jetzt in dieſer Gegend derart gewachſen und unhalt⸗ bar geworden, daß eine Aenderung dringend not⸗ wendig iſt, und zwar bei weitem notwendiger, als die lange Debatte in bezug auf den Markt am Witten⸗ bergplatz. Wir haben in dem letzten halben Jahre zahl⸗ reiche Petitionen erhalten. Dieſe hatten aber weniger das Ziel, wie der Herr Berichterſtatter ſagte, die Windſcheidſtraße durchzulegen, ſondern in dieſen Petitionen, die von den einzelnen Bezirksvereinen ausgegangen ſind, wurde hauptſächlich darum gebeten, daß ein neues Bahnhofsempfangsgebäude gebaut werde. Dieſes neue Empfangsgebäude ſoll ja auch vom Eiſenbahnfiskus in Ausſicht genommen ſein. Wir haben bisher nichts darin getan, wir haben uns nicht an den Eiſenbahnfiskus gewandt, um endlich feſten Fuß zu faſſen und ein neues Empfangsgebäude ſowie die Durchlegung der Kaiſer⸗Friedrich⸗Straße, und der Windſcheidſtraße bzw. der Leonhardtſtraße zu erreichen. Ich nenne dieſe drei Projekte zuſammen, weil meiner Ueberzeugung nach dieſe Arbeiten nur zuſammen behandelt und gelöſt werden können. Man Windſcheidſtraße ſo, wie es in der Vorlage ſteht, allein durchführen, wenn man nicht weiß, was mit den anderen beiden geſchehen ſoll. Man könnte da⸗