260 Ich denke dabei aber weniger an die entſtehenden Koſten als an die Organiſation ſelbſt, weil ich — ich ſpreche für mich perſönlich gegen die Errichtung der Handelslehranſtalt Bedenken habe. Ich wieder⸗ hole alſo: es wäre mir erwünſcht, wenn der Magiſtrat der Stadtverordnetenverſammlung heute erklären würde, daß bei der Ausführung des Programms ſo⸗ wohl Magiſtrat wie Stadtverordnetenverſammlung ſtets in die Lage geſetzt werden, nicht nur zu den Koſten der Bauten, ſondern auch von Fall zu Fall zu der inneren Umgeſtaltung des Schulweſens Stel⸗ lung zu nehmen. 4 Meine Herren, ich muß meinerſeits kurz er⸗ klären, weshalb ich gegen die Handelslehranſtalt Be⸗ denken habe. Ich habe geſtern Gelegenheit gehabt, Herrn Profeſſor Jaſtrow, den Rektor der Handels⸗ hochſchule, zu ſprechen, und dieſer, der doch als Auto⸗ rität auf dieſem Gebiete gelten kann, hat meine Be⸗ denken in dieſer Beziehung vollkommen geteilt. Wenn ich ja nun auch die Autorität des Herrn Stadt⸗ rat Dr Schmitt anerkenne und von ſeinen Erfah⸗ rungen auf dieſem Gebiete eine hohe Meinung habe, ſo fühle ich mich doch verpflichtet, meine Bedenken zu äußern, ob es richtig iſt, die Handelslehranſtalt in der Weiſe auszubilden, wie hier geplant iſt. Die Einrichtung einer Handelsvorſchule und einer Handelsſchule bezweckt eine möglichſt frühzeitige Vor⸗ vnd Weiterbildung des Jünglings und des jun⸗ gen Mädchens, die ſich dem Kaufmannsſtande widmen wollen. Unter dieſer frühzeitigen Vorbildung in der Handelsvorſchule und auch in der Handelsſchule muß aber meiner Anſicht nach die allgemein menſch⸗ liche Bildung leiden, die beſſer dadurch erreicht, ge⸗ fördert und erweitert wird, wenn der junge Mann oder das junge Mädchen ſolange wie möglich in der öffentlichen Schule bleiben und ſich nicht allzu früh der eigentlichen Fachbildung widmen. Gerade beim Kaufmannsſtande iſt es durchaus nötig, daß der junge Mann, wenn er etwas leiſten will, ſich eine möglichſt umfaſſende allgemeine Bildung aneignet und ſich nicht allzu früh der Fachbildung widmet. Sehr richtig!) Das iſt eine Anſchauung, die nicht etwa ich nur habe, die nicht nur Herr Profeſſor Jaſtrow, den ich geſtern eſprochen habe, ebenfalls teilt, ſondern es handelt ſcch hier um ein Prinzip, das die Aelteſten der Kauf⸗ mannſchaft ſeit vielen Jahren aufgeſtellt haben. Das iſt für mich der Kern der Frage: dienen dieſe Ein⸗ richtungen, die hier geſchaffen werden ſollen, alſo die Handelsvorſchule und die Handelsſchule, dazu, das Tüchtigkeitsniveau des Kaufmannsſtandes zu heben? Und dieſe Frage verneine ich. Ich bin überzeugt, daß das Tüchtigkeitsniveau des Kaufmannsſtandes ge⸗ hoben wird, wenn der junge Menſch ſolange wie mög⸗ lich frei von der Fachbildung in einer öffentlichen Schule arbeitet und ſich erſt dann, wenn er ein ge⸗ wiſſes Alter erreicht hat, der eigentlichen Fachbildung zuwendet. Jedes Ding hat ſeine Zeit, meine Herren; Sie wiſſen ja auch, daß man beiſpielsweiſe kleinen Kindern das Abe beſſer nicht vor dem Schulbeſuch beibringt. Meine Herren, ich maße mir nun aber nicht an, daß ich hier mit dieſer Anſicht durchdringe oder ſie als allein richtig hinſtelle. Ich erhebe nur dieſe Be⸗ denken und möchte darauf hinweiſen, was mir Herr Profeſſor Jaſtrow beſtätigt hat, daß die Frage, ob es zweckmäßig iſt, öffentliche Handelsvorſchulen oder Sitzung vom 28. Mai 1913 Handelsſchulen einzurichten, durchaus noch nicht reif iſt und die Anſichten auseinandergehen. Deshalb reſumiere ich mich dahin: es wäre mir lieb, wenn der Magiſtrat die Erklärung abgibt, daß wir uns nicht ein für allemal jetzt ſchon auf dieſes Programm feſtlegen, ſondern daß vor der Einrich⸗ tung auch dieſer Abteilungen des Fortbildungs⸗ und Fachſchulweſens nochmals der Organiſationsplan einer Prüfung unterzogen wird. Vorſteher Dr Frentzelt Von Herrn Stadtv. Dr Liepmann iſt der Antrag geſtellt worden, dieſen Punkt der Tagesordnung auf die nächſte Sitzung zu vertagen. Ich muß dieſen Antrag gleich zur Ab⸗ ſtimmung bringen. Stadtv. Dr Liepmann (zur Geſchäftsordnung): Die Bedenken, die Herr Kollege Wöllmer geäußert hat, hege auch ich und ein Teil meiner Freunde, und wir glauben, daß es gut ſein wird, beſonders bei der reich beſetzten Tagesordnung, wenn wir uns hier nicht in weitere Debatten über die eventuellen Koſten einlaſſen. Ich weiß nicht, ob der Magiſtrat uns darüber die nötige Auskunft erteilen wird; für mich iſt jedenfalls die Zuſtimmung zu der ſonſt ſehr ſym⸗ pathiſchen Vorlage davon abhängig, daß ich eine ge⸗ wiſſe Sicherheit in dieſer Beziehung erhalte, die in dem Abſchnitt v des Ausſchußberichtes nicht gegeben wird. Deshalb bitte ich Sie, in die Vertagung der Vorlage auf eine der nächſten Sitzungen zu willigen. Stadtv. Otto (zur Geſchäftsordnung): Ich bitte Sie dringend, von einer Vertagung Abſtand zu neh⸗ men. Die Vorlage iſt ſo gründlich verhandelt wor⸗ den, daß es aus ſachlichen Gründen einer Vertagung nicht bedarf. Ich mache darauf aufmerkſam, um die Bedenken des Herrn Kollegen Dr Liepmann zu ent⸗ kräften, daß wir jede Geldforderung, die anläßlich dieſer Vorlage an uns herantritt, durch eine Ma⸗ giſtratsvorlage begründet erhalten, ſodaß es dann noch Zeit iſt, die Stellung zu nehmen, die Herr Kollege Liepmann wünſcht. 5 (Stadtv. Dr Liepmann: Wir ſind aber feſtgelegt!) — Nein, nach der finanziellen Seite ſind wir nicht feſtgelegt. Stadtv. Wöllmer (zur Geſchäftsordnung): Ich möchte mich auch gegen den Vertagungsantrag aus⸗ ſprechen, weil ich mir davon nichts verſpreche. Aber ich möchte vor allen Dingen bitten, doch erſt einmal die Erklärung des Magiſtrats abzuwarten, um die ich gebeten habe. Vorſteher Dr Frentzel: Der Vertagungsantrag muß ſofort zur Abſtimmung gebracht werden; der 41. kann da nicht zunächſt ſachliche Erklärungen abgeben. Stadtv. Zander (zur Geſchäftsordnung): Ich bitte auch, dem Vertagungsantrag nicht beizutreten. Ich habe geſtern ſchon in meiner Fraktion ausge⸗ führt und kann das hier in der Oeffentlichkeit wie⸗ derholen, daß ſowohl im Fortbildungsſchulausſchuß wie auch in dieſem Ausſchuß die Frage in jeder Weiſe ausgiebig behandelt worden iſt. (Sehr richtig!)