Sitzung vom 28. Mai 1913 Alles dasjenige, was hier vorgebracht worden iſt, iſt auch dort erörtert worden, ſo daß wir heute die Vor⸗ lage annehmen müſſen, um endlich weiter zu kommen. Denn was ſoll die Verzögerung? Alles das, was hier dafür angeführt worden iſt, kann nicht maß⸗ gebend ſein. Wir nehmen für uns im Ausſchuß auch in Anſpruch, daß wir genügend kompetent ſind, um dem folgen zu können, was uns vorgelegt worden iſt, und wir ſind der Ueberzeugung, daß wir genau ſo gut die Intereſſen der Handwerker wahrzunehmen und zu ſchätzen verſtehen wie diejenigen Herren, die heute hier den Vertagungsantrag geſtellt haben. Es tut mir furchtbar leid, gegen ein Mitglied meiner Fraktion ſtimmen zu müffen; (Stadtv. Hirſch: Das kommt öfter bei Ihnen vor!) aber ich kann nicht anders. Stadtv. Dr Borchardt (zur Geſchäftsordnung): Ich möchte Herrn Kollegen Dr Liepmann bitten, den Vertagungsantrag zurückzuziehen; denn ſeine Be⸗ gründung enthielt eigentlich eine Frage, die vom Magiſtrat in der Ausſchußſitzung ſchon dahin beant⸗ wortet worden iſt, wie Herr Kollege Liepmann es auch wünſcht. Da würde ich ihn doch bitten, ſeinen Vertagungsantrag wenigſtens ſolange zurückzuſtellen, bis das Magiſtratsmitglied ihm Auskunft gegeben hat; es wird ſich der Vertagungsantrag dann wirklich erübrigen, weil tatſächlich eine Ueberrumpelung der Stadtverordnetenverſammlung nach keiner Richtung erfolgen kann, da ja bei allen beſonderen Einrichtun⸗ gen noch die Verſammlung befragt wird. Stadtv. Panſchow (zur Geſchäftsordnung): Ich würde auch bitten, dem Vertagungsantrag zuzuſtim⸗ men. Die Angelegenheit iſt von einer derartigen Be⸗ deutung, daß diejenigen Kreiſe, über deren Wohl und Wehe doch hier mitverhandelt wird, nämlich die Handwerker — es handelt ſich um die Kunſtgewerbe⸗ und Handwerkerſchule — Gelegenheit haben müſſen, zu den Ausſchußanträgen in irgendeiner Weiſe Stel⸗ lung zu nehmen, wozu ſie noch gar nicht Gelegenheit gehabt haben. (Zuruf des Vorſtehers Dr Frentzel.) — Nein, die Ausſchußanträge ſind erſt am Sonn⸗ abend zu uns gelangt, und wir haben noch nicht Ge⸗ legenheit gehabt, ſie den beteiligten Kreiſen zugäng⸗ lich zu machen. Ich will aber dazu nicht ſachlich ſprechen. Ich halte es nicht für möglich, was ich bei dem ſchwachbeſetzten Hauſe gar nicht erwarten kann, eine derartige Vorlage ohne Widerſpruch und ohne Anzweiflung der Beſ. „„higkeit durchzubringen. (In der Abſtimmung wird der Vertagungsan⸗ trag des Stadtv. Dr Liepmann abgelehnt.) Stadtrat Dr Schmitt: Ich möchte mir zunächſt erlauben, Herrn Stadtv. Wöllmer direkt anzufragen, ob er, da hier bereits verſchiedene Erklärungen ge⸗ geben worden ſind, noch auf eine ſpezielle Erklärung meinerſeits zur Handelsſchulfrage Wert legt. Herr Stadtv. Otto hat ſchon ausgeführt, und damit meines Erachtens die erſten Bedenken widerlegt, daß wir jedesmal, wenn Geldforderungen für die Neuorgani⸗ ſation geſtellt werden, ſelbſtverſtändlich damit zunächſt 261 an die Deputation, dann an den Magiſtrat und ſchließlich an die Stadtverordnetenverſammlung gehen müſſen, ſodaß die Stadtverordnetenverſamm⸗ lung ſtets in der Lage iſt, zu ſagen: nein, dieſer Or⸗ ganiſation ſtimmen wir nicht zu. (Stadtv. Wöllmer: Ich danke ſehr; das genügt mir!) Das wäre das eine. 1 I121In Das, was eben Herr Stadtv. Panſchow aus⸗, führte, hängt mit den Bedenken des Herrn Stadto, Wöllmer nicht zuſammen; denn dieſer hat nur über die Handelslehranſtalt, nicht über die Gewerbeſchule geſprochen. Daß die Handwerksmeiſter und Innun⸗ gen nicht Gelegenheit gehabt haben ſollten, ſich von dem Inhalt der Vorlage Kenntnis zu verſchaffen, kann ich nicht zugeben. Meine Herren, die Dinge werden ja ſeit dem Februar fortwährend diskutiert; ſeit dieſem Zeitpunkt liegt auch die Druckſache vor. Alſo in dieſer Hinſicht brauchen wir nicht ängſtlich zu ſein: die betreffenden Kreiſe ſind ſehr wohl in⸗ formiert. Ich weiß nun nicht, ob Sie Wert darauf legen, daß ich noch ein paar Worte über die Handelsſchule ſage. (Stadtv. Wöllmer: Das iſt nicht mehr nötig!) Dann möchte ich die eine Frage noch mit ein paar Worten ſtreifen. Dem ſtimme ich und gewiß jeder verſtändige Mann vollſtändig zu, daß man ſo⸗ lange wie irgend möglich die jungen Männer und Mädchen in einer allgemein bildenden Schul⸗ anſtalt halten ſoll. (Stadtv. Wöllmer: Na alſo!) Gewiß, aber es handelt ſich eben um die, die dieſe An⸗ ſtalten bereits verlaſſen haben. Die jungen Burſchen ſind mit 14 Jahren aus der Gemeindeſchule ausge⸗ ſchieden oder ſie gehen aus der Quarta und Unter⸗ tertia ab. Da gibt es dann keine weitere allgemein bildende Lehranſtalt mehr für ſie. Allen dieſen wollen wir auf ihrem weiteren Wege dafür eine rich⸗ tige Berufsbildung angedeihen laſſen. Gerade die Vorſchulen — ich könnte Ihnen Statiſtiken darüber norlegen, die vom Handelsminiſterium aufgenommen worden ſind — erfreuen ſich einer ungeheuren Anteil⸗ nahme der Fachkreiſe, was namentlich durch die Han⸗ delskammern zum Ausdruck gekommen iſt, die bei einem jetzt ſeitens des Miniſteriums in dieſe Vor⸗ ſchulen beabſichtigten Verwaltungseingriff alle ein⸗ ſtimmig, ſoviel ich geleſen habe, dagegen Stellung ge⸗ nommen haben und für dieſe Vorſchulen eingetreten ſind. Meine Herren, das iſt kein Werturteil von mir, ſondern ein Urteil der berufenen Handelskreiſe und ihrer rechtlichen Vertretungen, der Handelskam⸗ mern. Die höhere Lehranſtalt, die ſogenannte höhere Handelsſchule, kommt ja für uns nicht in Be⸗ tracht; ſte fällt vorläufig gänzlich weg. Wie es ſchon in der Vorlage geſagt iſt, handelt es ſich um unſere ſchon beſtehende kaufmänniſche Fortbildungsſchule, die wir natürlich erhalten müſſen. Dazu kommen dann die Vorſchule und die Handelsſchule, und dann ſind wir fertig. Die Errichtung einer höheren Handelsſchule iſt nicht beabſichtigt. Wenn Sie mich, Herr Stadtv. Wöllmer, noch mit einer perſönlichen Unterredung beehren wollen, ſo will ich Sie in Bezug auf die ſtrittigen Fragen gewiß ſo überzeugen, daß Sie mir beiſtimmen werden.