Sitzung vom 28. Mai 1913 dreimal Geld. Wir würden alſo durch eine Ausſchuß⸗ beratung nur Zeit verlieren und nach meiner feſten Ueberzeugung kein Geld ſparen. Gerechnet und ge⸗ zeichnet iſt genug an dem Projekt. Ich würde Sie alſo bitten, die Magiſtratsvorlage in allen Punkten anzunehmen, hätte aber nichts dagegen, wenn Sie einen Ausſchuß wünſchen. (Zuruf: Es iſt ja kein Antrag darauf geſtellt!) Jedenfalls empfehle ich Ihnen, das nicht zu tun, ſon⸗ dern die Magiſtratsvorlage glatt anzunehmen. (Die Verſammlung beſchließt nach dem Antrage des Magiſtrats, wie folgt: K 1. Dem Bau einer Gemeindedoppelſchule auf dem Grundſtück Oranienſtraße 13—154 wird nach dem vorgelegten Bauentwurf nebſt Koſten⸗ anſchlag zugeſtimmt. 2. Die Koſten in Höhe von 1 568 500 ℳ ſind aus den im Ordinarium des Haushaltsetats Kapitel VII für den Bau von Gemeindeſchulen vorgeſehenen bzw. noch vorzuſehenden Mitteln zu beſtreiten.) Vorſteher Dr. Frentzel: Punkt 21 der Tagesord⸗ nung: Vorlage betr. Dienſtanweiſung für die ſtädtiſchen Waiſeninſpektoren und Erweiterung ihres Wirkungs⸗ kreiſes. — Druckſache 155. (Die Verſammlung nimmt nach dem Antrage des Magiſtrats von der abgedruckten Dienſtanweiſung für die ſtädtiſchen Waiſeninſpektoren Kenntnis und ſtimmt der aus § 10 der Dienſtanweiſung erſicht⸗ lichen Erweiterung des Wirkungskreiſes der ſtädti⸗ ſchen Berufsvormundſchaft zu.) Punkt 22: Vorlage betr. Fürſorge für die Hinterbliebenen der verunglückten Kanalarbeiter. — Druckſache 156. Bürgermeiſter Dr Maier: Ich möchte lediglich in Berichtigung einiger Ausführungen in der Begrün⸗ dung unſerer Vorlage hervorheben, daß ſich das Wit⸗ wengeld, wenn wir die Ausführungsanweiſung nach den entſprechenden ſtaatlichen Grundſätzen zugrunde legen, noch etwas günſtiger geſtaltet. Ich glaube, ich brauche das im einzelnen nicht beſonders auszuführen. (Bravol) Stadtv. Dunck: Meine Herren! Das Unglück, welches am 19. d. M. geſchehen iſt, iſt außerordentlich bedauerlich. Wir haben in der Kanaliſationsdepu⸗ tation feſtgeſtellt, daß die Vorſichtsmaßregeln, die vorgeſchrieben ſind, wenn Arbeiter in die Schächte hinabſteigen, durchaus ausreichend ſind. Auch iſt feſtgeſtellt worden, daß die Gegenſtände, die der Ko⸗ lonnenführer auf dem Wagen mitführen muß — das iſt ein Seil zum Anſeilen, eine Laterne zum Hinableuchten und Prüfen der Luft, bevor jemand hinabſteigt, und eine Latte, um den Grundwaſſerſtand feſtzuſtellen —, alle vorhanden waren. Wenn alſo dieſes Unglück geſchehen iſt, ſo kann die Verwaltung kein Vorwurf treffen. Es iſt leider auf die Unvor⸗ ſichtigkeit dieſer Männer zurückzuführen, welche in einem ſichern Gefühle lebten, da ſeit zehn Jahren ein 263 derartiges Unglück nicht vorgefallen war und ſie außerdem wußten, daß es ſich nicht um Abwäſſer der Kanaliſation, ſondern lediglich um einen Schacht handelte, in welchem ſich Grundwaſſer anſammelt. Dieſe vier Männer haben die Unvorſichtigkeit mit dem Leben gebüßt. Aber es geht doch ein großer Zug durch die Aufopferung dieſer Leute. Als der erſte Mann nicht heraufkam, iſt der zweite ohne Be⸗ denken hinabgeſtiegen; als auch der nicht kam, iſt der dritte hinabgeſtiegen, und, was ganz auffällig iſt, auch der Kolonnenführer, der ſeit 20 Jahren dieſen Dienſt verſieht, hat kein Bedenken getragen, hinabzuſteigen, obwohl er dem Schutzmann erklärt hatte: da unten iſt etwas paſſiert, ich muß mal nach⸗ ſehen. Er konnte gar nicht im Zweifel ſein, daß auch ihn das gleiche Los trifft. Das iſt ein großer Geiſt, der in dieſer Kolonne geherrſcht hat. Das kamerad⸗ ſchaftliche Gefühl, das dieſe Kolonne beſeelte, iſt durchaus anzuerkennen. Aus dieſem Sinne heraus hat der Magiſtrat die Fürſorge für die Hinterbliebe⸗ nen durch dieſe Vorlage einigermaßen ſichergeſtellt. Ich bitte Sie, der Vorlage zuzuſtimmen. (Bravo!) Stadtv. Hirſch: Meine Herren! Meine Freunde werden der Vorlage zuſtimmen. Ich habe das Wort lediglich ergriffen, um gegen eine Aeußerung in den Ausführungen des Kollegen Dunck zu proteſtieren. Vielleicht hat er es nicht ganz ſo ſcharf gemeint, wie es geklungen hat. Er ſagte: dieſe vier Leute haben ihre Unvorſichtigkeit mit dem Leben gebüßt. Herr Kollege Dunck hat allerdings nachher ſich ſelbſt kor⸗ rigiert, indem er auf den großen Zug von Solidarität hinwies, der dieſe Männer beherrſchte. Wenn man von Unvorſichtigkeit reden will — ob es angebracht iſt, laſſe ich ganz dahingeſtellt, es iſt jetzt kaum mehr feſtzuſtellen —, aber wenn man überhaupt von Un⸗ vorſichtigkeit reden will, dann könnte doch dieſer Vor⸗ wurf nur den treffen, der zuerſt hinabgeſtiegen iſt, auf keinen Fall die anderen. Verſetzen Sie ſich doch einmal in die Lage der Männer! Sie merken, daß ihr Kollege nicht wieder zum Vorſchein kommt, ſie ſteigen hinab, um den Kollegen zu retten, und denken in dieſem Augenblick nicht daran, die nötigen Vor⸗ ſichtsmaßregeln zu ergreifen. Da kann man den an⸗ deren, die nachgeſtiegen ſind, wahrhaftig nicht den Vorwurf der Unvorſichtigkeit machen. Ich nehme auch an, daß der Kollege Dunck ſeine Worte nicht ſo gemeint hat, ſondern daß er das gemeint hat, was er zum Schluß in ſeiner Rede zum Ausdruck brachte. Stadtv. Dunck: Meine Herren! Es läßt ſich leider nicht leugnen, daß die vier Männer ihre In⸗ ſtruktion nicht befolgt haben. Es beſtand die ſtrikte Vorſchrift, daß niemand, ohne vorher eine Lampe hinuntergelaſſen zu haben, hinabſteigen ſoll. Dieſer Vorwurf trifft zweifellos den erſten. Nun gebe ich zu, daß bei dem zweiten, dritten und vierten die Vor⸗ nahme des Hinablaſſens eines Lichtes wohl zu lange gedauert hätte. Aber das Anſeilen war eine Sache weniger Sekunden. Auch der Offizier, der nachher hinzu kam und der mit den betreffenden Vor⸗ ſchriften gar nicht bekannt war, hat ſich anſeilen laſſen, iſt drei Meter hinabgeſtiegen, hat eine Mütze ſchwimmen ſehen in dem Kanal, woraus er ſchloß, daß die Leute ertrunken ſind, hat ſich geſagt: hier iſt die Luft bereits ſo ſchlecht, weiter kann ich nicht hinuntergehen — und iſt dann wieder heraufgekom⸗ men. Alſo ich meine, wenn der Kolonnenführer nach