264 den Inſtruktionen, die ihm doch bekannt ſind und die in der Arbeitsſtätte aushängen, verfahren wäre, jo hätte er die Verpflichtung gehabt, ſich zum mindeſten anzuſeilen und dann hinabzuſteigen. Das hätte nur einige Sekunden gedauert. Die Gegenſtände waren alle vorhanden. Die Verwaltung trifft kein Vor⸗ wurf. Wir haben die Sachlage eingehend geprüft. Es war eine Unvorſichtigkeit, die das Unglück herbei⸗ geführt hat. Es iſt ja eine Tatſache, die ſich immer wiederholt, daß Leute, die lange mit ſolchen Dingen zu tun haben, die Vorſicht außeracht laſſen. Aehnlich iſt es, wenn jemand eine Gletſchertour macht, für die er angeſeilt werden muß, und das Anſeilen doch unterläßt. Das iſt eine Unvorſichtigkeit, und dieſen Vorwurf kann man den Leuten nicht erſparen, daß ſie nicht die nötige Vorſicht haben walten laſſen. Auf der andern Seite ſtelle ich den kameradſchaftlichen Geiſt, der die Leute beſeelte, das Eintreten des einen für den andern, ſo hoch, daß damit die Unvorſichtig⸗ keit reichlich wett gemacht worden iſt. Stadtv. Dr Perl: Geſtatten Sie mir, darauf hinzuweiſen, daß die Ausrüſtung, welche eine ſolche Kolonne mit hat — die Laterne, das Seil und even⸗ tuell auch eine Latte, beſtimmt zur Prüfung des Waſſerſtandes —, für ſolche Fälle nicht ausreicht und namentlich nicht ausreicht, derartige Unglücks⸗ fälle zu vermeiden. Denn wenn der erſte, der hinab⸗ ſteigt, die Vorſichtsmaßregel, vorher mit der Laterne zu prüfen, ob die Luft atembar iſt, unterläßt und dies mit Ohnmacht oder gar mit plötzlichem Todes⸗ fall bezahlt, ſo wird der zweite nicht viel ausrichten können, ſelbſt wenn er todesmutig nachſteigt, um ihm zu helfen. Ich bin überzeugt, der zweite weiß noch gar nicht, was los iſt, er denkt an irgendeine Stö⸗ rung, er denkt — wie der Fall es auch beweiſt — gar nicht daran, daß die Luft unten nicht atembar ſein kann. Ein Anſeilen wird in einem ſolchen Falle auch nichts nützen; denn wenn der Angeſeilte herab⸗ gelaſſen und dabei ohnmächtig wird, dann kann er auch kein Zeichen geben, daß man ihn heraufziehen ſoll. Ich meine alſo, die Ausrüſtung iſt unvoll⸗ ſtändig. Man könnte einer künftigen Wiederholung eines ſolchen Unglücksfalles viel mehr dadurch vor⸗ beugen, daß man die Ausrüſtung um einen ſehr wertvollen Beſtandteil vervollſtändigt, das wäre ein Atmungsapparat, mit dem derjenige, der nachſteigen ſoll, ausgerüſtet wird, damit er wirklich auch unten bleiben und etwas ausrichten kann. Ich möchte alſo dem Magiſtrat anheimſtellen, die Ausrüſtung um einen Atmungsapparat zu bereichern. (Sehr richtig!) (Die Verſammlung beſchließt mit großer Mehr⸗ heit nach dem Antrage des Magiſtrats, wie folgt: 1. Als Zuſchuß zu den Koſten für die Beerdigung der am 19. Mai 1913 im Betriebe der Stadt⸗ entwäſſerung tödlich verunglückten Stadt⸗ arbeiter: a) des Kolonnenführers Peter Kazmierowski, b) des Kanalarbeiters Joſef Grygier, c) des Kanalarbeiters Adam Wichert, d) des Kanalarbeiters Guſtav Wenzel, werden je 200 ℳ aus dem Dispoſitionsfonds bewilligt. Den Witwen des Kolonnenführers Kazmie⸗ rowski und des Arbeiters Grygier wird außer Sitzung vom 28. Mai 1913 den nach Maßgabe des Ortsſtatuts betreffend die Fürſorge für Beamte der Stadt Charlotten⸗ burg pp. bei im Dienſt erlittenen Betriebs⸗ unfällen vom 4. Oktober 1907 — ergänzt durch den Gemeindebeſchluß vom 12./25. September 1907 — feſtgeſetzten Renten noch aus den Mit⸗ teln des Kanaliſations⸗Etats eine beſondere widerrufliche Unterſtützung von je 350 ℳ., der Witwe des Arbeiters Wichert eine ſolche von 200 ℳ jährlich gewährt mit der Maßgabe, daß dieſe beſondere Unterſtützung ſolange und ſo⸗ weit in Fortfall kommt, als der Geſamtbetrag der Renten für die betreffende Witwe und deren Kinder zuzüglich der beſonderen Unter⸗ ſtützung mehr betragen würde als 60% des letzten Jahresarbeitsverdienſtes des Ver⸗ ſtorbenen.) Vorſteher Dr Frentzel: Punkt 23 der Tages⸗ ordnung: Anfrage der Stadtv. Dr. Damm und Gen. betr. Studienanſtalt. — Druckſache 157. Die Anfrage lautet: Wann gedenkt der Magiſtrat mit dem Auf⸗ bau der Studienanſtalt zu beginnen, die mit dem vierten Lyzeum in der Sybelſtraße ver⸗ bunden werden ſoll? Frageſteller Dr. Damm: Meine Herren! Magi⸗ ſtrat und Stadtverordnetenverſammlung haben im vorigen Jahre beſchloſſen, mit dem vierten Lyzeum, das ſich in der Sybelſtraße befindet, eine Studien⸗ anſtalt zu verbinden. Charlottenburg würde damit zwei Studienanſtalten beſitzen. Die Studienanſtalt in der Nürnberger Straße hat Oſterklaſſen. Damit nun die Schülerinnen, die die Michaelis⸗Klaſſen hieſiger Lyzeen beſuchen, ohne Zeitverluſt in die Studienanſtalt übertreten können, hat der Magiſtrat in dankenswerter Weiſe beſchloſſen, die neue Stu⸗ dienanſtalt mit Michaelis⸗Klaſſen einzurichten. Das Lyzeum in der Sybelſtraße befindet ſich im Aufbau; Michaelis dieſes Jahres wird die III. M⸗Klaſſe er⸗ öffnet. Damit wäre der Zeitpunkt gekommen, mit dem Aufbau der Studienanſtalt zu beginnen. Das war in der hieſigen Bürgerſchaft bekannt, und es er⸗ regte daher in den intereſſierten Kreiſen lebhaftes Befremden, als allmählich die Nachricht durch⸗ ſickerte, daß der Magiſtrat nicht beabſichtige, die neue Studienanſtalt zu Michaelis dieſes Jahres zu eröffnen. Aus dieſer Situation heraus iſt die Anfrage entſtanden, die ich mir erlaubte, am 5. Mai. d. I. in Gemeinſchaft mit zahlreichen meiner Freunde an den Magiſtrat zu richten. Inzwiſchen hat die „Neue Zeit“ die Notiz gebracht, daß der Magiſtrat am 1. Oktober 1914 die neue Studienanſtalt eröffnen wolle. Der Nachricht iſt nicht widerſprochen wor⸗ den. Ich nehme alſo an, daß ſie von dem „Preſſe⸗ dienſt“ des Magiſtrats ſtammt. Daher möchte ich mir geſtatten, meine urſprüngliche Anfrage etwas zu modifizieren und ſo zu faſſen: Welche Gründe ſind für den Magiſtrat maßgebend geweſen, die neue Studienanſtalt erſt mit dem 1. Oktober 1914 zu eröffnen? 4 Vorſteher Dr Frentzel: Ehe ich dem Herrn Bürgermeiſter das Wort erteile, möchte ich darauf