272 Berufsgenoſſenſchaften aber nur ſo und ſo viele Ren⸗ ten gewährt wurden und ſomit die Stadt jedes Jahr 8000 ℳ erſpart hätte, wenn ſie die Selbſtverſicherung ſchon im Jahre 1906 übernommen hätte, ſind ver⸗ ſicherungstechniſch ganz belanglos. Es handelt ſich hier nur um 5 Jahre und in dieſem Zeitraum hätten ebenſo gut gar keine Schäden vorkommen können. Die Verſicherung wird für den Fall gemacht, daß einmal ſehr große Schäden vorkommen können. Die Be⸗ rufsgenoſſenſchaft iſt auch, wie ich erwähnen möchte, keine Erwerbsgeſellſchaft. Sie erzielt keine Ver⸗ dienſte, ſondern alles das, was ſie effektiv verdient und einnimmt, läßt ſie den Verſicherten zu Gute kommen. Es iſt richtig, daß eine Anzahl von großen Kommunen die Selbſtverſicherung übernommen hat; aber dieſe ſehen zum Teil ganz anders aus wie die Stadt Charlottenburg. Sie haben ſich nicht ſo ſprung⸗ haft und ſo ſchnell entwickelt, wie das bei unſerer Kommune der Fall iſt. Auf der anderen Seite hat ſich aber z. B. gezeigt, daß eine Kommune, die ein⸗ mal einen größeren Schaden erlitten hat, ſofort Rückdeckung für ihre Selbſtverſicherung genommen hat. Sie iſt ohne weiteres, nachdem ſie bei der Be⸗ rufsgenoſſenſchaft nicht mehr verſichert war, dazu ge⸗ kommen, ihre Verſicherung bei einer Privatgeſellſchaft zu decken. Ich halte es aus allen dieſen Gründen nicht für richtig, wenn in der heutigen Situation die Kom⸗ mune die Selbſtverſicherung in dieſen immerhin recht gefahrvollen Betrieben übernimmt, und bitte Sie, die Vorlage abzulehnen. Bürgermeiſter Dr Maier: Meine Herren! Der Herr Vorredner geht meines Erachtens bei der Be⸗ urteilung unſerer Vorlage von vollſtändig falſchen Vorausſetzungen aus. Der Magiſtrat hat ſeinerzeit dieſe Vorlage nur deshalb abgelehnt, weil er die guten Riſiken — als ſolche betrachten wir die Betriebe der Stadtgemeinde — nicht der Berufsgenoſſenſchaft ent⸗ ziehen wollte. Alſo gerade aus dem entgegengeſetzten Grunde, aus dem Herr Stadtv. Neumann jetzt gegen die Eigenverſicherung ſpricht, hat es der Magiſtrat ſeinerzeit abgelehnt, die Vorlage an die Stadtver⸗ ordnetenwerſammlung zu bringen. Inzwiſchen ſind unſere finanziellen Verhältniſſe in der Tat nicht beſſere geworden, und deswegen haben wir keine Ver⸗ anlaſſung mehr, unſere guten Riſiken weiter den be⸗ treffenden Unfallberufsgenoſſenſchaften zu belaſſen. Herr Stadtv. Neumann geht auch ferner von einer vollſtändig falſchen Vorausſetzung aus, wenn er glaubt, auf den neulichen Unfall exemplifizieren zu können. Der neuliche Unfall iſt in der Kanaliſations⸗ verwaltung paſſiert, die nicht zu dem Tiefbaubetriebe gehört, ſondern bei der Berufsgenoſſenſchaft für Gas⸗ und Waſſerwerke verfichert iſt. Bei ihr wäre eine Eigenverſicherung geſetzlich gar nicht zuläſſig. Bei dem Tiefbaubetrieb und in der Hochbauverwaltung iſt das Riſtko ſo außerordentlich gering, daß es auch nach dem Gutachten aller beteiligter Herren, die in dieſen Betrieben arbeiten, ganz unbedenklich erſcheint, die Selbſtverſicherung zu übernehmen. Meine Herren, alle die Städte, die die Selbſtver⸗ ſicherung übernommen haben — dazu gehören eine ganze große Zahl von Städten, die finanziell, auch inbezug auf die Einnahmen und das Vermögen, nicht beſſer, ſondern unaünſtiger geſtellt ſind als Charlot⸗ tenburg — haben ſich die Sache ſehr gründlich überlegt. Sitzung vom 11. Juni 1913 Ich kann Ihnen die Namen dieſer Städte gleich aus den Akten mitteilen. Infolgedeſſen liegt auch nicht der geringſte Grund vor, unſere Anträge abzulehnen. Das, was Herr Stadtv. Neumann hier vorgebracht hat, waren ſo allgemeine Erwägungen, daß ich wirk⸗ lich nicht weiß, was ich mit ihnen anfangen ſoll. Nach den Feſtſtellungen der Zentralſtelle des Deutſchen Städtetages haben folgende Städte bereits die eigene Verſicherung: Aachen, Altona, Augsburg, Berlin, Breslau, Braunſchweig, Bielefeld, Bochum, Bonn, Cöln, Neukölln und Würzburg. Meine Herren, wenn Sie dieſe Kollektion von Städten, in denen die Selbſtverſicherung ſeit Jahren beſteht, leſen, werden Sie zu dem Ergebnis kom⸗ men, daß die Stadt Charlottenburg ſich die Eigen⸗ verſicherung gewiß leiſten kann. Stadtv. Vogel: Ich kann dem Herrn Kollegen Neumann gegenüber auch nur erwidern, daß ſeine Gründe nicht durchſchlagend ſind. Wenn er ſich darauf ſtützt, daß der Magiſtrat früher Anträge auf Selbſt⸗ verſicherung der Unfälle abgelehnt hat, ſo iſt das doch wahrhaftig kein Grund, dem Magiſtrat, wenn er jetzt zu einer anderen Anſicht kommt, daraus einen Vor⸗ wurf zu machen. Glücklicherweiſe hat der Magiſtrat nicht nur in dem einen Fall, ſondern auch ſchon bei verſchiedenen anderen Gelegenheiten ſich nachträglich davon überzeugt, daß die Annahme unſerer Anträge wünſchenswert iſt, und ſeinen Widerſpruch aufgegeben. Ich hoffe, daß man ſich auch diesmal durch die Dar⸗ legungen des Herrn Kollegen Neumann nicht veran⸗ laßt ſehen wird, von der Beſchreitung eines beſſeren Weges abzuſehen. Stadtv. Meyer: Meine Herren! In dem Kreiſe meiner Freunde werden die allgemeinen Geſichts⸗ punkte, die Herr Kollege Neumann gegen die Selbſt⸗ verſicherung ins Feld geführt hat, vielfach durchaus anerkannt; wir ſind aber der Meinung, daß im vor⸗ liegenden Falle mit Rückſicht auf die Darlegungen des Magiſtrats und namentlich im Hinblick auf die Erfahrungen in ſo zahlreichen anderen Kommunen keine Bedenken vorhanden ſind, der Magiſtratsvor⸗ lage zuzuſtimmen, und wir werden uns in dieſem Sinne entſcheiden. Stadtv. Neumann: Auf die Ausführungen des Herrn Bürgermeiſters möchte ich zunächſt erwidern, daß ich den Unfall der Kanaliſationsarbeiter lediglich als ein Beiſpiel dafür angeführt habe, daß derar⸗ tige Unfälle leicht einmal vorkommen können. Aus der Blütenleſe der Städte, die der Herr Bürgermeiſter ſoeben vorgeleſen hat, habe ich entnommen, daß ſich darunter von Vorortgemeinden Berlins lediglich Neukölln und Potsdam befinden. In dem Bericht, den die Stadt Neukölln als Erläuterung gegeben hat, ſagt der Magiſtrat Neukölln, daß, ſolange nicht größere Unfälle vorgekommen ſind, Erſparungen erzielt wor⸗ den ſind, daß die Sache allerdings bedenklich werden könnte, wenn einmal Maſſenunfälle paſſieren. Die Stadt Potsdam iſt die Stadt geweſen, die, nach⸗ dem ſie kurze Zeit die Selbſtverſicherung übernom⸗ men hatte, dann Rückdeckung bei einer Privaver⸗ ſicherung geſucht hat. Mich können die Ausführungen des Herrn Bür⸗ germeiſters nicht überzeugen. Ich ſehe abſolut keinen Grund ein, weshalb wir mit einem Male gerade die Hochbau⸗ und Tiefbauverwaltung in Selbſtverſiche⸗