302 kräfte aus, wenigſtens kann die Privatſchule leicht Lehrkräfte ausnutzen, indem ſie für billiges Geld Unterricht erteilen läßt; 3. iſt bei den privaten Schulen leicht die Möglichkeit gegeben, daß die Klaſſen zu ſtark beſucht ſind, und daß der Unterricht nicht ſo gut erteilt werden kann wie an einer allgemeinen Volksſchule. Das Schlimmſte iſt nun aber viertens, daß ſolche Schulen Sonderbeſtrebungen verfolgen. Meine Herren, wenn die Allgemeinheit hier Mittel bewilligt, ſolche höheren Mädchenſchulen zu unterſtützen, die es ſich zum Prinzip machen, die Schülerinnen aus einer ganzen Klaſſe der Bevölkerung auszuſchließen, ſo ſehe ich darin eine Ungerechtigkeit. Die Juden ſind dort ausgeſchloſſen. Mit welchem Recht werden ſie von dieſen Anſtalten ausgeſchloſſen? Haben ſie nicht ge⸗ nau dasſelbe Verlangen nach Bildung, dieſelbe Bil⸗ dungsnotwendigkeit wie die anderen? Alſo, meine Herren, eine Gerechtigkeit kann ich darin nicht ſehen, Schülerinnen beſtimmter Konfeſſion auszuſchließen. Natürlich tun mir dieſe Lehrerinnen auch leid, und ich wünſche vom menſchlichen Standpunkt aus, daß man ihnen hilft. Aber wenn ich in dieſem Vor⸗ gehen eine Schädigung des Volkes, der Allgemeinheit ſehe, ſo unterſtütze ich eine ſolche Beſtrebung nicht. Werden Geldmittel für Sonderbeſtrebungen bewilligt, ſo konſervieren wir einen Zuſtand, der die Entwick⸗ lungsmöglichkeit hemmt. Deshalb bitte ich Sie, ſich auf den Standpunkt des Ausſchuſſes zu ſtellen, der eine Brücke bildet, auf der man ſich entgegenkommen kann; aber im ganzen betrachte ich das Vorgehen nur als ein notwendiges Uebel und würde mich freuen, wenn die Entwicklung der Schule einen ſolchen Gang nähme, daß die Privatſchulen überhaupt aufhörten. Stadtv. Jaſtrow: Ich bin über die Aus⸗ führungen des Herrn Bürgermeiſters ſehr erſtaunt. Er hat uns geſagt, daß im Ausſchuß die Dinge bis zum Ueberdruß erörtert worden ſind, und daß im Ausſchuß die Mehrheit, die ſich bei der früheren Vor⸗ lage über dieſen Gegenſtand hier in der Stadtver⸗ ordnetenverſammlnug durch eine namentliche Ab⸗ ſtimmung dokumentiert hat, durchaus entgegen⸗ kommend war. Nun hat aber der Herr Bürger⸗ meiſter dieſes Entgegenkommen in keiner Weiſe ge⸗ würdigt, ſondern hat ſich bei ſeinen Erörterungen ganz auf den Standpunkt der Magiſtratsvorlage ge⸗ ſtellt, wie ſie urſprünglich war, und alle die Gründe wieder dargelegt, wie er es im Ausſchuß getan hat. Er hat uns vor allen Dingen geſagt, wir müßten aus einem gewiſſenGerechtigkeitsgefühl heraus handeln, wir müßten dieſe Lehrerinnen, die doch wahrſcheinlich mit einer gewiſſen Unkenntnis der Dinge in dieſe Stellungen gegangen wären, ohne recht zu wiſſen, wie die Richtung in der betreffenden Schule iſt, nicht ſo hart beſtrafen. Das wäre dann keine Gerechtigkeit gegenüber dieſen Lehrerinnen. Tatſächlich iſt dieſer Einwurf im Ausſchuß bis zum Ueberdruß widerlegt worden, und ich muß ſagen, daß es nicht angenehm iſt, hier nochmals auf die Sache zurückzukommen. Ich muß aber den Herrn Bürgermeiſter doch fragen, ob es gerecht iſt, wenn der jüdiſchen Bevölkerung von Schulen mit Hilfe ſolcher Lehrerinnen ſo ins Geſicht geſchlagen wird, wenn Eltern und Kinder in dieſer unwürdigen Weiſe behandelt werden, und ob es eine Ungerechtigkeit iſt, wenn man ſich auf den Stand⸗ punkt ſtellt, daß man ſagt: wenn Lehrerinnen eine Zeit lang dort angeſtellt waren, dann ſind ſie un⸗ Sitzung vom 25. Juni 1913 bedingt von den Intentionen dieſer Schule beeinflußt und können ſich nicht darüber beklagen, wenn man ſie von Zuwendungen, die man anderen Lehrkräften zukommen läßt, ausſchließt. Nun hat ſich der Ausſchuß auf dieſes Ihnen vor⸗ geſchlagene Kompromiß geeinigt und hat, wenn ich nicht irre, einſtimmig beſchloſſen, daß wir die Zeit nicht anrechnen wollen, die ſie an ſolchen Schulen ge⸗ lehrt haben. (Stadtv. Schwarz: Nicht einſtimmig!) — Vielleicht gegen eine Stimme, das mag ſein. (Berichterſtatter Stadtv. Dr Damm: Gegen zwei Stimmen!) Auf dieſe Brücke ſollte man doch treten; man ſollte doch den Gefühlen der jüdiſchen Bevölkerung hierin Rechnung tragen. Wenn ſich eine ſo große Anzahl von jüdiſchen Stadtverordneten über eine ſolche Un⸗ gerechtigkeit beklagt, dann iſt das der Ausdruck der Gefühle eines großen Teiles der jüdiſchen Be⸗ völkerung. Hier müßte Gerechtigkeit geübt werden, und ich würde deshalb bitten, daß Sie nach dieſer Richtung hin den Antrag des Ausſchuſſes annehmen. Bürgermeiſter D. Maier: Meine Herren! Wenn ich doch noch einmal in dieſer Sache das Wort ergreife, ſo geſchieht es lediglich, um Herrn Stadtv. Jaſtrow zu antworten, daß ich mich, wenn ich nicht voll von der Richrigkeit des Standpunktes des Ma⸗ giſtrats überzeugt wäre, auf dieſes Kompromiß ohne weiteres eingelaſſen hätte. Aber ich bin, trotz⸗ dem ich mich reiflich mit dieſer Frage beſchäftigt habe, in keiner Weiſe durch die Ausführungen des Herrn Jaſtrow überzeugt. Ich nehme auch nicht an, daß die Interpreten der Gefühle der jüdiſchen Be⸗ völkerung, ſoweit ſie in der Stadtverordnetenver⸗⸗ ſammlung vorhanden ſind, etwa in ihrer Autorität gegenüber den Herren, die wir im Magiſtrat haben, irgendwie im Uebergewicht ſind. Ich kann Sie ver⸗ ſichern, meine Herren, daß eine große Anzahl von jüdiſchen Herren auf dem entgegengeſetzten Stand⸗ punkt ſteht, indem ſie durchaus anerkennen, daß der Standpunkt des Magiſtrats von dem Gefühl der Ge⸗ rechtigkeit diktiert iſt. (Sehr richtig!) Meine Herren, in Fragen, die ſo prinzipieller Natur ſind wie die gegenwärtige, kann ich ein Opfer der Ueberzeugung nicht bringen. Aus dieſem Grunde bin ich genötigt, den Standpunkt, den wir früher eingenommen haben, hier noch einmal zu betonen. Ich habe ausdrücklich anerkannt, daß ich das Ent⸗ gegenkommen der Herren, die einen anderen Stand⸗ gune vertreten, durchaus würdige und dankbar be⸗ grüße. Stadtv. Schwarz: Sehr intereſſant waren mir die Ausführungen des Herrn Kollegen Granitza; ſo einfach, wie er es auffaßt, liegen die Dinge nicht. Ich könnte mich mit ihm inbezug auf die prinzipielle Auffaſſung, daß es beſſer wäre, es exiſtierten keine Privatſchulen, einverſtanden erklären. Sie eriſtieren aber nun einmal, und wenn er ſie ſtrangulieren will, wie er zuerſt ſagte, ſo zeigt er damit, daß ſeine Auf⸗ faſſung in dieſer Sache durch einen Tropfen ſozialen Oels bisher nicht gefärbt iſt. (Heiterkeit.)