Sitzun) vom 25. Juni 1913 Ich erwiderte darauf, daß ich dieſe ganzen Ausein⸗ anderſetzungen nicht verſtände; eine Lehrerin müſſe doch danach beurteilt werden, ob ſie in ihrem Fache tüchtig iſt, und wenn das erwieſen iſt und ſie hat ihre Kraft im Dienſte der Schule abgenutzt, ſo muß ſie im Bedürfnisfalle eben unterſtützt werden, ob ſie an einer jüdiſchen oder an einer katholiſchen oder an einer gemiſchtkonfeſſtonellen Schule geweſen iſt; das iſt doch ganz gleich. Man fragt doch nicht bei anderen Beamten nach der Religion. Fragen Sie denn einen Arzt danach, welcher Religion er iſt? Ich bin wohl nicht der einzige, der danach nicht fragt; ſo vernünf⸗ tig, glaube ich, werden Sie wohl alle ſein. (Heiterkeit.) Bei den übrigen Beamten iſt es ebenſo; aber der Lehrerſtand iſt unter der Fuchtel der Regierung durch eine Unzahl von Regulativen und durch alle mög⸗ lichen anderen Machinationen gewiſſermaßen gedrückt und gefeſſelt. Und nun wollen das die Konfeſſtonen nachmachen! Da heißt es: die jüdiſche Religion wird zurückgeſetzt und dagegen müſſen wir uns wenden; wir haben ja genug jüdiſche Stadtverordnete, die das verhindern müſſen; (Heiterkeit.) die müſſen hier auftreten, und zwar gründlich. Ich bin ganz erſtaunt und verſteinert darüber geweſen, daß Leute, die ſonſt ganz vernünftig reden, (Große Heiterkeit.) ſo verbohrt ſein können. (Erneute große Heiterkeit.) Es iſt das ganz unbegreiflich. Jeder vernünftige Menſch ſagt, daß die Religion überhaupt nichts in der Schule zu ſuchen hat. In jedem großen Kulturſtaat, 3. B. in Frankreich, wird Religion in der Schule nicht gelehrt; aber bei uns verfügen ſo und ſo viel Regu⸗ lative über den Religionsunterricht in der Schule und die Herren moſaiſcher Konfeſſton nehmen ſich das zum Vorbild und wollen die Schule auch noch in ihren Dienſt ſtellen. Wie geſagt, wir geben darauf gar nichts, wir möchten am liebſten die Religion ganz aus der Schule verdrängen. Die Religion iſt Privatſache, und wer ſeinen Kindern Religionsunterricht geben laſſen will, der kann es machen, wie er will. Aber da wir das im Augenblick nicht nach unſeren Wünſchen geſtalten können, ſo wollen wir wenigſtens zwiſchen den Lehrerinnen irgendwelcher Konfeſſtonen, auch ohne Rückſicht darauf, welcher Konfeſſion der Leiter iſt, keinen Unterſchied machen. Die Charlottenburger Stadtverordnetenverſammlung hat ſich durch dieſe Diskuſſton ſowohl im Ausſchuß wie heute hier im Plenum wirklich kein glänzendes Zeugnis ausgeſtellt. Vorſteher Dr. Frentzel:, Herr Kollege Vogel, mir iſt berichtet worden, Sie hätten ausgeführt, daß Leute, die ſonſt ganz vernünftig ſeien, verbohrt ge⸗ handelt hätten. (Stadtv. Vogel: Na ja! — Große Heiterkeit.) — Herr Kollege Vogel, ich bitte, mich ausreden zu laſſen. (Stadtv. Vogel: Ja, jal) 305 Ich weiß nicht, wen Sie mit dieſer Bezeichnung ge⸗ meint haben. Wenn aber nach dem Gange Ihrer ſonſtigen Ausführungen anzunehmen iſt, daß Sie hiermit Stadtverordnete gemeint haben, ſo muß ich Sie darauf aufmerkſam machen, daß Stadtverordnete nicht verbohrt ſind und Sie deswegen nicht das Recht haben, hier dieſen Vorwurf auszuſprechen. (Stadtv. Vogel: Das ſollte kein Vorwurf ſein! — Große Heiterkeit.) Herr Kollege Vogel, ich nehme von dieſer Ihrer Be⸗ merkung in der Annahme dankbar Kenntnis, daß Ihnen jede Abſicht einer Beleidigung ferngelegen hat. (Stadtv. Vogel: Jawohl!) Stadtv. Hirſch: Meine Herren! Ich verſtehe es, daß diejenigen Herren, die ſich lediglich vom Gefühl leiten laſſen und deren religiöſes Empfinden durch die Vorlage verletzt iſt, zur Ablehnung der Vorlage kommen werden. Ich bin aber der Meinung, daß man ſich bei einer ſolchen Vorlage nicht vom Gefühl, ſondern von der Vernunft leiten laſſen muß. (Sehr richtig!) Wenn man das tut, kann man unmöglich — voraus⸗ geſetzt, daß man überhaupt eine Unterſtützung von Lehrperſonen an Privatſchulen will — zu einer Ab⸗ lehnung der Magiſtratsvorlage kommen. Sie haben hier ſehr viel von Gerechtigkeitsgefühl geſprochen; aber ich glaube, gerade diejenigen Herren, die das Wort Gerechtigkeit fortwährend im Munde gehabt haben, ſind im Begriff, durch die Ablehnung der Magiſtratsvorlage die allergrößte Ungerechtigkeit zu begehen. Wir haben uns über dieſe Frage ſchon wiederholt unterhalten. Mein Freund Borchardt hat in der Sitzung vom 8. Mai 1912 unſeren Stand⸗ punkt ausführlich dargelegt, und ich glaube, daß ich das, was mein Freund Borchardt geſagt hat, ganz kurz dahin zuſammenfaſſen kann: wir ſind Gegner der Privatſchulen, wir wünſchen, daß die Privat⸗ ſchulen überhaupt beſeitigt werden; aber wir haben mit der Tatſache zu rechnen, daß in Charlottenburg nun einmal Privatſchulen beſtehen. (Zuruf: Nötig ſind!) — Ob ſie nötig ſind, iſt eine andere Frage; wir haben mit der Tatſache zu rechnen, daß ſie beſtehen. Würde es ſich darum handeln, Privatſchulen zu unterſtützen, die lediglich konfeſſtonell ſind, dann würden wir ſelbſtverſtändlich geſchloſſen gegen eine ſolche Maßnahme ſtimmen. Aber die Magiſtrats⸗ vorlage wünſcht ja doch nicht die Unterſtützung der konfeſſtonellen Schulen (Zuruf: Indirektl) — auch nicht indirekt —, ſondern ſie wünſcht, daß alle Lehrkräfte gleichmäßig unterſtützt werden, gleich⸗ viel, ob ſie an konfeſſionellen Schulen oder an anderen unterrichtet haben. Nun hat Herr Kollege Landsberger geſagt: auf den, der jahrelang an einer ſolchen Schule tätig iſt, färbt einmal der Geiſt ab und zweitens macht er ſich ſtrafbar. — Sie haben das Wort nicht gebraucht, aber