322 weiterung der moraliſchen Verſorgungsverpflichtung der Gemeinde Charlottenburg auf ganz beſtimmte Fälle einzuſchränken. Die Einſchränkung be⸗ zieht ſich auf folgende weſentliche Punkte. Der Verſorgung ſollen nur unterliegen weib⸗ liche Angehörige. Ferner ſoll Vorbedingung ſein, daß der betreffende verſtorbene Beamte oder ſonſtige ſtädtiſche Bedienſtete 25 Jahre im Dienſte der Stadt tätig geweſen iſt. Dann ſollen die Ver⸗ ſorgungsberechtigten unter gewiſſen Umſt änden 20 Jahre lang dem Betref⸗ fenden zur Seite geſtanden haben. Eine weitere Einſchränkung liegt darin, daß der Magiſtrat ſich die Entſcheidung vorbehält, da ein Rechtsanſpruch nicht gewährt werden ſoll. Und eine letzte Einſchränkung wird durch das Verlangen bedingt, daß der betreffende Beamte bei Lebzei⸗ ten einen entſprechenden Antrag ſtellt. Wie ich ſchon ſagte, meine Herren, wird der Kreis der Verſorgungsberechtigten hierdurch ſehr eingeſchränkt. Daß aber nicht eine große Willkür durch dieſe beſon⸗ deren Beſtimmungen herbeigeführt wird, kann ich nicht zugeben. Im Gegenteil, in dieſen Vorſchrif⸗ ten liegt eine ganz außerordentliche Willkür, materiell. Die Bedürftigkeit kann 3z. B. bei jemand, der 15 Jahre lang den Haushalt ge⸗ führt hat, weit größer ſein als bei jemand, der ihn 20 Jahre geführt hat. Die Bedingung, daß der Beamte vorher den Antrag zu ſtellen hat, erregt auch große Be⸗ denken. Wir wiſſen, wie viele Leute nicht ihr Teſta⸗ ment machen aus Angſt, daß ſie dann ſterben müſſen. Aehnliche Momente werden auch manchen Beteiligten hier beeinfluſſen. Aber auch andere Momente kommen noch in Betracht. Bedenken Sie, ein auf Privatdienſt⸗ vertrag Angeſtellter ſoll den Antrag ſtellen: ich möchte, daß ihr bei meinem Tode für meine Angehörigen weiter, als wozu ihr verpflichtet ſeid, ſorgt. Ich glaube, das wird gegen das Gefühl mancher Angeſtellten gehen. Dazu kommt, daß auch perſönliche Mißhelligkeiten zwiſchen den Beamten uſw. und dem in ihrer Häuslich⸗ keit tätigen vorhanden ſein können, die eventuell den erſteren veranlaſſen, den Antrag nicht zu ſtellen, ob⸗ 1 die betreffende Angehörige für ihn ſehr geſorgt hat. Dann erſcheint mir die Befugnis außerordentlich bedenklich, die Entſcheidung dem Magiſtrat allein zu überlaſſen für den Fall, daß wir dem Magiſtratsantrage ſonſt entſprechen würden. Wenn man ſich alle die einſchlägigen Beſtimmun⸗ gen anſieht, dann ſagt man ſich: iſt es nicht wirklich richtiger, wird nicht dasſelbe und viel⸗ leicht mehr erreicht, wenn von Fall zu Fall nach dem Tode eines ſtädtiſchen An⸗ geſtellten feſtgeſtellt wird, ob ein Be⸗ dürfnis vorliegt oder nicht, d. h. alſo, daß wir ſo wie bisher verfahren. Was für ein Schaden wird dadurch angerichtet? Vielleicht lediglich der Schaden, daß die vorausſichtlich wenigen Beamten, die davon betroffen würden, während ihrer Lebenszeit nicht die Sicherheit hätten, daß für ihre Angehörigen ſo geſorgt wird. Das iſt das einzige. Bei den ein⸗ ſchränkenden Beſtimmungen über die Anzahl der Jahre, die der Betreffende da geweſen ſein muß, ſehe ich dieſes Moment nicht für ſo ſchlimm an, um nicht die Vorteile, die in der anderweitigen Regelung liegen, höher zu ſtellen. Vor allen Dingen würde dafür der Umſtand ſehr ſprechen, daß wir wahrſcheinlich in Zu⸗ kunft allle dieſe einſchränkenden Be⸗ ſt immungen nicht werden aufrecht er⸗ Sitzung vom 10. September 1913 halten können. Aus den 25 Jahren würden ſehr bald 20, würden 15 Jahre werden, aus den 20 würden 15 und 10 Jahre werden. Die anderen Kom⸗ munen würden folgen müſſen, die eine oder andere würde vielleicht ſozialer noch vorgehen wollen und weiter gehen; Staat und Reich würden folgen müſſen. Es wäre in der Tat eine ſehr ſchöne Sache, auch den Beamten ſehr zu gönnen, aber wie das auf das in⸗ duſtrielle Leben uſw. zurückwirkt, das läßt ſich ſehr ſchlecht überſehen. Ohne daß ich heute eine endgültige Stellung zu der Vorlage nehmen möchte, bin ich doch der Meinung, daß die Sache ſehr reiflich überlegt wer⸗ den muß; wir werden in einem Ausſchuß, den ich in Höhe von 11 Mitgliedern mir zu beantragen erlaube, ie Vorlage eingehend und gründlich prüfen müſſen. Stadtv. Baumann: Meine Herren! Im Namen meiner Freunde habe ich zu erklären, daß wir der Vorlage ſympathiſch gegenüberſtehen. Wir haben jedoch auch wie der Herr Vorredner ſowohl tertliche wie ſachliche Bedenken und glauben, daß dieſe am beſten in einer Ausſchußberatung behoben werden könnten. Als erſtes Bedenken iſt auch uns erſchienen, daß ein Antrag von dem Bedienſteten geſtellt werden muß, wenn er wünſcht, daß ſeine Hinterbliebenen der Wohltaten der Vorlage teilhaftig werden. Wir glauben, daß darin unter Umſtänden eine Ungerech⸗ tigkeit liegen kann, wenn aus irgendwelchen Grün⸗ den, ſei es durch plötzlichen Tod, ſei es aus Un⸗ kenntnis der Vorlage, der Beamte unterlaſſen hat, dieſen Antrag zu ſtellen; in ſolchen Fällen würden nach der Vorlage die Hinterbliebenen nicht imſtande ſein, die Verſorgung zu empfangen. Es fragt ſich auch, ob die Verſorgung in dem Falle für die Töchter eintreten ſoll, wenn ſie entweder einen eigenen Er⸗ werb haben oder eigenes größeres Privatvermögen be⸗ ſitzen, alſo die Verſorgung nur im Falle des Vor⸗ handenſeins der Bedürftiakeit eintreten ſoll. In bezug auf den Text möchte ich zunächſt mo⸗ nieren, daß hier von der Verſorgung unverheirateter Beamten die Rede iſt und daß es dann in Punkt 2 heißt: oder einer unverheirateten Tochter. Die Auf⸗ gabe der Stadt iſt es nicht, die Töchter unverheirate⸗ ter Beamten zu unterſtützen. Allerdings ſoll hier, wie aus dem Wortlaut weiter hervoraeht, von Wit⸗ wen geſprochen ſein. Dem deutſchen Sprachgebrauch entſpricht es jedoch nicht, verwitwete Beamte unver⸗ heiratet zu nennen. Es könnte ſich auch um geſchie⸗ dene Beamte handeln, welche Töchter haben, die ihnen vom Gericht als dem unſchuldigen Teile zugeſprochen ſind. Auch dieſe ſollen wohl unter die Vorlage fallen. Dann iſt in bezug auf die Töchter die Einſchrän⸗ kung gemacht worden, daß erſt nach 18 Jahren die 20jährige Zeit beginnt, die dazu gehört, der Wohl⸗ taten der Verſorgung teilhaftig zu werden. Dieſe Einſchränkung beſteht aber nicht für die Schweſtern. Der Fall wäre ſehr leicht möglich, daß ein Bruder nach dem Tode der Eltern ſeine Schweſter im 15. oder 16. Lebensjahre zu ſich nimmt; nach 20 Jahren würde ſie in den Bezug der Rente kommen; ſie wäre dann 36 Jahre alt, während die Tochter, die dem Beamten jedenfalls näher geſtanden hat, erſt mit dem 38. Lebensjahr in den Genuß der Rente käme. Außerdem ſind viele Fälle möglich, die dem Sinne nach hier getroffen werden ſollen, aber durch den Wortlaut nicht erfaßt werden. In dem Falle, wo eine Tochter während der zehnjährigen Krankheit der Mutter die Wirtſchaft geführt und die Mutter